BGer C 126/2006
 
BGer C 126/2006 vom 03.01.2007
Tribunale federale
{T 7}
C 126/06
Urteil vom 3. Januar 2007
I. Sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön und Frésard,
Gerichtsschreiberin Bollinger.
Parteien
T.________, 1977, Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter,
gegen
RAV Wattwil, Bahnhofstrasse 12, 9630 Wattwil, Beschwerdegegner, vertreten durch das Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 22, 9000 St. Gallen
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 4. April 2006.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 13. Juni 2005 verneinte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) die Vermittlungsfähigkeit des T.________ ab 21. Mai 2005. Die dagegen erhobene Einsprache wies es mit Entscheid vom 22. August 2005 ab und verneinte die Vermittlungsfähigkeit bereits ab 1. Mai 2005.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde des T.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 4. April 2006 ab.
C.
T.________ lässt, vertreten durch seine Mutter, Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragen.
Das Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen (AWA) wie auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).
2.
Das kantonale Versicherungsgericht legt die Rechtsgrundlage zur Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 Abs. 1 AVIG) als einer Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG) und die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 58 Erw. 6a) richtig dar. Darauf wird verwiesen.
Nach der Rechtsprechung können fortlaufend ungenügende Bemühungen ein wesentlicher Hinweis darauf sein, dass die versicherte Person überhaupt nicht gewillt war, ihre Arbeitskraft anzubieten (BGE 112 V 218; ARV 1993/94 Nr. 8 S. 55 Erw. 1; Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 219). Dies ist jedoch nicht leichthin anzunehmen, da auch dürftige Bemühungen in der Regel Ausdruck unzureichender Erfüllung der gesetzlichen Schadenminderungspflicht sind. Für die Annahme fehlender Vermittlungsbereitschaft bedarf es besonders qualifizierter Umstände (ARV 2002 S. 55 Erw. 2b, 1998 Nr. 32 S. 177 Erw. 4a).
3.
Streitig und zu prüfen ist die Vermittlungsfähigkeit.
3.1
3.2 Nachdem der Versicherte bereits in den Jahren 1998, 2000 und 2001 Leistungen der Kasse beantragt und teilweise bezogen hatte, meldete sich am 21. Januar 2005 wiederum zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung an. Das RAV wies ihn am 15. März 2005 an, vom 4. April bis 24. Juni 2005 einen Orientierungskurs für Qualifizierte in Heerbrugg zu besuchen. Mit Zeugnis vom 7. April 2005 bescheinigte dipl. Arzt S.________ der Beschwerdeführer sei wegen psychischer Probleme, die eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bewirkten, nicht in der Lage, ab 7. April 2005 einen Kurs zu besuchen. Daraufhin wies das RAV den Versicherten am 13. April 2005 an, vom 25. April bis 15. Juli 2005 einen Orientierungskurs in Lichtensteig zu besuchen. Anlässlich eines Beratungsgespräches vom 22. April 2005 teilte der Beschwerdeführer mit, er habe bei der Firma C.________ ab 25. April 2005 eine Arbeitsstelle gefunden. Diese Arbeitsstelle verliess er jedoch am 25. April 2005 bereits nach zwei Stunden wieder. Den Orientierungskurs in Lichtensteig trat er nicht an.
Mit Verfügung vom 25. April 2005 stellte das AWA den Versicherten ab 1. April 2005 für vier Tage in der Anspruchsberechtigung ein, da er im März 2005 keine Arbeitsbemühungen habe nachweisen können. Für die Monate April und Mai 2005 wies der Beschwerdeführer ebenfalls keine Arbeitsbemühungen nach. Am 27. Mai 2005 reichte Hausarzt Dr. med. G.________, Allgemeine Medizin FMH, dem RAV ein Arztzeugnis ein, worin er eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vom 7. April bis 20. Mai 2005 bescheinigte. Mit Anweisung vom 30. Mai 2005 forderte das RAV den Versicherten auf, sich beim Vertrauensarzt einer Untersuchung zu unterziehen. Diesen Termin nahm der Beschwerdeführer ebenso wenig wahr wie den zweiten, auf 13. Juni 2005 festgesetzten Termin zur vertrauensärztlichen Untersuchung und den Beratungstermin vom 10. Juni 2005. Am 13. Juni 2005 verfügte das RAV, der Versicherte sei ab 21. Mai 2005 nicht vermittlungsfähig.
Auf dem Formular "Angaben der versicherten Person für den Monat April 05" (datiert vom 29. April 2005, eingegangen beim RAV am 12. Juli 2005) machte der Beschwerdeführer geltend, er sei vom 7. April bis 20. Mai 2005 "wegen Pflege Fr. B.________" arbeitsunfähig gewesen, auf dem Formular für den Monat Mai 2005 gab er an, aus demselben Grund vom 1. bis 31. Mai 2005 arbeitsunfähig gewesen zu sein. Mit Schreiben vom 4. Juli 2005 stellte dipl. Arzt S.________ im Auftrag des Versicherten richtig, dass dieser "im Mai und Juni" nicht vollständig arbeitsunfähig gewesen sei, sondern wegen der zeitaufwändigen Pflege von Frau B.________ (einer älteren, bei der Familie des Versicherten wohnenden Frau) keine Arbeit habe annehmen können. Mit Zeugnis vom 12. September 2005 bescheinigte Frau Dr. med. H.________, der Versicherte stehe seit anfangs August 2005 in ihrer Behandlung. Er leide an einer psychischen Erkrankung und habe sich als deren Folge seit Frühling 2005 nicht mehr um seine persönlichen und finanziellen Angelegenheiten gekümmert. Mit (mündlicher) Beschwerde vom 14. September 2005 führte der Beschwerdeführer aus, er sei sensibel, fühle sich aber nicht krank. Seine zweijährige Anstellung bei der schweizerischen Armee (vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004) wäre gar nicht möglich gewesen, wenn er an einer psychischen Erkrankung gelitten hätte. Die Termine beim RAV habe er nicht mehr wahrgenommen, weil er sich nicht korrekt behandelt gefühlt habe; auch sei seiner Mutter vom Amt ein Hausverbot erteilt worden.
3.3 Aus den Akten ergibt sich somit ein äusserst widersprüchliches Verhalten des Versicherten. Zum einen liess er sich ab 7. April bis 20. Mai 2005 zu 100 % krank schreiben und führte seine Krankheit auch als Grund an, weshalb er die zugewiesenen Kurse nicht habe besuchen können. Gleichwohl bemühte er sich im April 2005 offenbar aus eigenem Antrieb um eine Stelle bei der Firma C.________, um diese nach wenigen Stunden wieder zu verlassen und auch nicht mehr an diese zurückzukehren. Später machte er geltend, er sei gar nicht krank, sondern wegen der aufwändigen Pflege einer betagten Frau nicht in der Lage gewesen, eine Arbeitsstelle zu suchen. Gleichzeitig liess er durch seine damalige Rechtsvertreterin erklären, er wäre sofort in der Lage gewesen, die Pflege der Frau anderweitig zu organisieren, um einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Schliesslich bringt er vor, seinen Pflichten nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern deshalb nicht mehr nachgekommen zu sein, weil er sich vom RAV ungerecht behandelt gefühlt hätte.
3.4 Der Versicherte meldete sich im Januar 2005 bereits zum dritten Mal bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an und war über seine Pflichten ausführlich orientiert. Nachdem er bereits zu einem früheren Zeitpunkt grosse Zweifel an seiner Arbeitswilligkeit hatte aufkommen lassen, wurde ihm unter anderem mit Verfügung vom 26. April 2002 die Vermittlungsfähigkeit (ab der Wiederanmeldung vom 29. September 2001) abgesprochen. Gleichwohl hielt er sich auch nach seiner Anmeldung vom 21. Januar 2005 trotz mehrmaliger Ermahnungen und Sanktionen nicht an die Weisungen des RAV, betreffe dies nun die Arbeitsbemühungen, den Besuch eines zugewiesenen Kurses oder die Untersuchung beim Vertrauensarzt. Auch wenn ungenügende Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle an sich nicht schon den Schluss auf fehlende Vermittlungsbereitschaft rechtfertigen (Erw. 1 hievor), ergibt die gesamthafte Würdigung der für die Anstellungschancen des Beschwerdeführers wesentlichen objektiven und subjektiven Faktoren (hiezu Urteil K. vom 22. November 2006, C 244/05), dass der Versicherte im massgebenden Zeitraum weder bereit noch in der Lage gewesen war, eine Dauerstelle anzutreten. Wenn das kantonale Gericht angesichts der mehrfach demonstrierten Unwilligkeit, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen, in Bestätigung des Einspracheentscheids vom 22. August 2005 die Vermittlungsfähigkeit ab 1. Mai 2005 verneinte, ist dies nicht zu beanstanden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 3. Januar 2007
Im Namen der I. Sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: