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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.381/2006
2A.382/2006 /zga
Urteil vom 29. November 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Wurzburger, Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Hatzinger.
Parteien
Steuerverwaltung des Kantons Thurgau,
8510 Frauenfeld,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
Beschwerdegegner,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
Gegenstand
2A.381/2006
Staats- und Gemeindesteuern 2003,
2A.382/2006
Direkte Bundessteuer 2003,
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen die Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 26. April 2006.
Sachverhalt:
A.
X.________ deklarierte in der Steuererklärung 2003 Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 79'546.-- und zog als Berufsauslagen (total Fr. 7'093.--) u.a. Fr. 4'007.-- an Weiterbildungs- und Umschulungskosten für ein Nachdiplomstudium ab. Am 7. Oktober 2004 wurde er für die Staats- und Gemeindesteuern 2003 sowie die direkte Bundessteuer 2003 mit Einkünften von Fr. 82'396.-- und Berufsauslagen von Fr. 3'172.-- veranlagt. Dabei rechnete die thurgauische Veranlagungsbehörde Gemeindesteueramt Kreuzlingen den hälftigen Beitrag des Arbeitgebers von Fr. 2'850.-- an die Kosten des Studiums (von total Fr. 5'700.--) auf und liess diese nicht als Weiterbildung zum Abzug zu. Eine Einsprache gegen die zwei Veranlagungen wies die Veranlagungsbehörde am 11. März 2005 vor allem mit der Begründung ab, beim Lehrgang handle es sich um eine Ausbildung. Gegen diesen Einspracheentscheid reichte X.________ Rekurs bzw. Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau ein. Diese hiess am 27. Oktober 2005 beide Rechtsmittel jeweils gut und wies die Sache je zur Neuveranlagung an die Vorinstanz zurück. Der Abzug für Weiterbildungskosten in Höhe von Fr. 4'007.-- sei zu gewähren und auf die Aufrechnung von Fr. 2'850.-- zu verzichten.
B.
Gegen diese zwei Entscheide führte die Kantonale Steuerverwaltung Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit dem Antrag, die beiden Urteile aufzuheben und die Veranlagungen gemäss Einspracheentscheid zu bestätigen. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde mit zwei Entscheiden vom 26. April 2006 (Versand: 1. Juni 2006) betreffend die Staats- und Gemeindesteuern 2003 sowie die direkte Bundessteuer 2003 jeweils insofern teilweise gut, als der Abzug von Fr. 4'007.-- für die Weiterbildungs- und Umschulungskosten nicht zuzulassen sei, hingegen der Arbeitgeberbeitrag von Fr. 2'850.-- nicht als Einkommen aufgerechnet werden dürfe.
C.
Die Kantonale Steuerverwaltung Thurgau hat am 19. Juni 2006 beim Bundesgericht zwei Verwaltungsgerichtsbeschwerden eingereicht. Sie beantragt, die beiden Entscheide des Verwaltungsgerichts bezüglich der Behandlung des Arbeitgeberbeitrags von Fr. 2'850.-- an die Ausbildungskosten aufzuheben. Betreffend die direkte Bundessteuer 2003 sei die Aufrechnung des Beitrags als Einkommen gemäss Einspracheentscheid vom 11. März 2005 zuzulassen. In Bezug auf die Staats- und Gemeindesteuern 2003 sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen; im Übrigen werde deren Urteil nicht beanstandet. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid betreffend die kantonalen Steuern vollumfänglich aufzuheben und die Sache zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht und X.________ (Beschwerdegegner) beantragen die Abweisung beider Beschwerden. Der Beschwerdegegner verlangt zudem, die Entscheide der Steuerrekurskommission zu bestätigen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt die Gutheissung der Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer; bezüglich der kantonalen Steuern hat sie auf eine Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Eintretensvoraussetzungen
1.
1.1 Die zwei Verwaltungsgerichtsbeschwerden betreffen den gleichen Sachverhalt und die gleichen Parteien. Beide Rechtsmittel werfen im Wesentlichen übereinstimmende Rechtsfragen auf. Es rechtfertigt sich daher, die zwei Beschwerden gemeinsam zu behandeln und zu diesem Zweck die Verfahren zu vereinigen.
1.2 Deren Gegenstand bilden die kantonalen Steuern und die direkte Bundessteuer je des Steuerjahres 2003. Das Streitobjekt, die rechtliche Qualifizierung des Beitrags des Arbeitgebers an die Ausbildungskosten des Beschwerdegegners bzw. die Behandlung dieses Beitrags als steuerbares Erwerbseinkommen, ist steuerharmonisierungsrechtlich geregelt (Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14] in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 StHG). Die Kantonale Steuerverwaltung ist legitimiert, in Bezug auf die direkte Bundessteuer und die kantonalen Steuern Beschwerde zu führen (Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]; Art. 73 Abs. 2 StHG).
1.3 Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wendet das Bundesgericht das massgebende Bundesrecht von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der Parteibegehren gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 zweiter Halbsatz OG). Hebt es das angefochtene Urteil auf, entscheidet es selbst in der Sache oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Art. 114 Abs. 2 erster Satz OG). Demgegenüber kann das Bundesgericht bei Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Bezug auf die kantonalen Steuern nicht selbst entscheiden (Art. 73 Abs. 3 StHG); die Beschwerde nach Art. 73 StHG hat lediglich kassatorische Wirkung: das Bundesgericht hebt den Entscheid diesfalls nur auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (vgl. BGE 132 II 128 E. 5 S. 134 mit Hinweis). Auf die Beschwerden ist somit einzutreten.
1.4 Dem Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist das Institut der Anschlussbeschwerde grundsätzlich fremd (vgl. ASA 73 S. 299 E. 2); sie ist weder bei der direkten Bundessteuer noch bei den kantonalen Steuern vorgesehen. Es ist dem Beschwerdegegner daher verwehrt, mit der Beschwerdeantwort selbständige, über das Begehren auf Abweisung gehende Anträge zu stellen. Sein Antrag, die Entscheide der Steuerrekurskommission "zuzulassen und vollumfänglich zu bestätigen", ist damit unzulässig.
2. Direkte Bundessteuer
2.
2.1 Steuerbar sind nach Art. 17 Abs. 1 DBG alle Einkünfte aus privatrechtlichem oder öffentlichrechtlichem Arbeitsverhältnis mit Einschluss der Nebeneinkünfte wie Entschädigungen für Sonderleistungen, Provisionen, Zulagen, Dienstalters- und Jubiläumsgeschenke, Gratifikationen, Trinkgelder, Tantiemen und andere geldwerte Vorteile. In einem unter dem alten Recht (Bundesbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer) ergangenen Entscheid hat das Bundesgericht festgehalten, dass der Begriff des Einkommens aus einer (Erwerbs-)Tätigkeit weit zu interpretieren ist. Es handelt sich dabei nicht nur um Einkommen aus vertraglich vereinbarter Gegenleistung. Ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit liegt auch dann vor, wenn zwischen der Leistung, die der Steuerpflichtige erhält, und seiner Tätigkeit ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, derart, dass die Leistung die Folge der Tätigkeit ist und der Steuerpflichtige die Leistung im Hinblick auf seine Tätigkeit erhält (ASA 60 S. 245 E. 2a). Im Übrigen kommt es auf die Art des Einkommens nicht an; als solches gelten neben Geld auch Naturalbezüge (vgl. Art. 16 Abs. 2 DBG). Vergütungen des Arbeitgebers für Aufwendungen des Arbeitnehmers, welche dieser aus seinem Einkommen bezahlt (z.B. Verpflegungskosten), sind ebenfalls Lohnbestandteile (vgl. Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, N. 44 zu Art. 17 DBG; Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Therwil/Basel 2001, N. 40 zu Art. 17 DBG).
2.2 Der Beschwerdegegner hat sich als Ingenieur FH Automobiltechnik in einem Nachdiplomstudium für Betriebswirtschaft und Management für Ingenieure weitergebildet. Das Verwaltungsgericht hat die Kosten dieser (Zweit-)Ausbildung nicht zum Abzug zugelassen, was vorliegend nicht mehr streitig ist (vgl. E. 1.4; siehe zu dieser Problematik StR 61/2006 S. 41, 2A.182/2005; 59/2004 S. 451, 2A.277/2003; Urteile 2A.424/2005 vom 28. April 2006; 2A.183/2005 vom 3. November 2005; 2A.623/2004 vom 6. Juli 2005; vgl. auch 2A.671/2004 vom 6. Juli 2005); es hat den Beitrag des Arbeitgebers an diese Kosten hingegen nicht als steuerbares Erwerbseinkommen betrachtet. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kantonalen Steuerverwaltung.
2.3
2.3.1 Entscheidend ist, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung Entgelt für die Arbeitstätigkeit des Steuerpflichtigen bildet und unmittelbar als Folge des Arbeitsverhältnisses ausgerichtet wird (vgl. auch Locher, a.a.O., N. 20 zu Art. 17 DBG; Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., N. 22 zu Art. 17 DBG). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Tätigkeit ist hier gegeben. Der Beitrag des Arbeitgebers an die Ausbildungskosten hat seinen Grund im Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber war an dieser Ausbildung interessiert, weil er den Beschwerdegegner zum Abteilungsleiter befördern wollte, wofür die mit der Ausbildung vermittelten zusätzlichen Kenntnisse erforderlich waren. Dass der Beitrag nicht zur vertraglich vereinbarten Gegenleistung für die Erbringung der Arbeit gehört, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht relevant. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass mehr als die Hälfte der Kurszeiten auf Samstage und damit nicht in die vereinbarte Arbeitszeit des Beschwerdegegners fiel.
2.3.2 Der vorliegende Fall ist im Übrigen durchaus vergleichbar mit zwei Beispielen aus der kantonalen bzw. zürcherischen Rechtsprechung: Ein an der Universitätsklinik tätiger Oberarzt erhielt einen Beitrag aus dem Kredit zur Förderung des akademischen Nachwuchses zwecks Vorbereitung auf die Habilitation, die Voraussetzung für die Beibehaltung der Stelle bildete; es bestand insofern ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, weshalb Erwerbseinkommen anzunehmen war (vgl. ZBl 57/1956 S. 516). Desgleichen waren Leistungen an den Arbeitnehmer zur Förderung einer berufsbegleitenden Zusatzausbildung nicht als steuerfreie "Unterstützungen", sondern als Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu betrachten (vgl. StE 1998 B 22.2 Nr. 14; siehe zum Ganzen auch Locher, a.a.O., N. 21 f. zu Art. 17 DBG). Es geht hier auch nicht um den Ersatz von Spesen. Dieser ist gegeben bei der Vergütung von Auslagen, die dem Arbeitnehmer durch die Ausführung der Arbeit im Sinne von Art. 327a OR entstanden sind, was insofern nicht steuerbaren Auslagenersatz darstellt (vgl. Locher, a.a.O., N. 24 zu Art. 17 DBG; Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., N. 44 zu Art. 17 DBG; siehe auch StE 2003 B 22.3 Nr. 76, 2P.254/2002, E. 4.2).
2.3.3 Die Frage, ob der umstrittene Beitrag als Einkunft aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 17 Abs. 1 DBG betrachtet werden muss, ist demnach zu bejahen. Die Beschwerde ist damit begründet.
3. Kantonale Steuern
3.
3.1 Nach Art. 7 Abs. 1 StHG unterliegen der Einkommenssteuer alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte, insbesondere auch solche aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Eine praktisch gleiche generelle Regelung kennt in dieser Hinsicht das thurgauische Steuerrecht (vgl. § 18 Abs. 1 des Gesetzes vom 14. September 1992 über die Staats- und Gemeindesteuern [Steuergesetz; StG/TG]). Insbesondere als unselbständige Erwerbstätigkeit sind steuerbar alle Einkünfte aus Arbeitsverhältnis mit Einschluss der Nebeneinkünfte (§ 19 StG/TG). Art. 7 Abs. 1 StHG und § 19 StG/TG unterwerfen damit die Einkünfte aus Arbeitsverhältnis bzw. aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Einkommenssteuer, ohne diese Begriffe näher zu definieren; dies im Unterschied zu Art. 17 DBG, der gewisse Präzisierungen enthält (vgl. E. 2.1). Im Interesse der vertikalen Steuerharmonisierung und der damit angestrebten Vereinfachung der Rechtsanwendung müssen diese Einkünfte im kantonalen Steuerrecht aber gleich umschrieben bzw. interpretiert werden wie bei der direkten Bundessteuer (vgl. Markus Reich, in Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Basel etc. 2002, N. 36 zu Art. 7 StHG; BGE 130 II 65 E. 5.2 S. 73 f.; 128 II 56 E. 6a S. 64 f., je mit Hinweisen; siehe auch RF 61/2006 S. 305, 2A.151/2005, E. 5).
3.2 Nach dem zur direkten Bundessteuer Gesagten ist davon auszugehen, dass es sich beim fraglichen Beitrag des Arbeitgebers an die Ausbildungskosten um Einkünfte aus Arbeitsverhältnis handelt. Die Beschwerde in Bezug auf die kantonalen Steuern erweist sich daher ebenfalls als begründet.
4. Kosten und Entschädigung
4.
4.1 Die zwei Verwaltungsgerichtsbeschwerden sind somit gutzuheissen und die beiden angefochtenen Entscheide aufzuheben. Soweit die direkte Bundessteuer betreffend, ist der Einspracheentscheid der Veranlagungsbehörde zu bestätigen. Mit Bezug auf die kantonalen Steuern ist die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 73 Abs. 3 StHG; E. 1.3). Diese wird auch über die kantonalen Verfahrenskosten neu zu entscheiden haben.
4.2 Bei diesem Ausgang sind die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesgericht dem unterliegenden Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 Abs. 1 und 153a OG). Entschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verfahren 2A.381/2006 und 2A.382/2006 werden vereinigt.
2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 26. April 2006 (V 91) aufgehoben und der Einspracheentscheid der Veranlagungsbehörde Gemeindesteueramt Kreuzlingen vom 11. März 2005 bestätigt. Die Sache wird zu neuem Entscheid über die Kosten an die Vorinstanz zurückgewiesen.
3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die kantonalen Steuern wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 26. April 2006 (V 90) aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
4.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. November 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: