BGer 4C.209/2006
 
BGer 4C.209/2006 vom 27.07.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
4C.209/2006 /ruo
Urteil vom 27. Juli 2006
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Favre, Mathys,
Gerichtsschreiber Gelzer.
Parteien
A.________,
Klägerin und Berufungsklägerin,
vertreten durch Fürsprecher Bruno Habegger,
gegen
Spital X.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Fürsprecher Kurt Stöckli.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Verletzung der Fürsorgepflicht,
Berufung gegen das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 28. März 2006.
Sachverhalt:
A.
A.________ (nachstehend: Klägerin) war vom 1. März 2000 bis 31. Oktober 2003 im Spital X.________ AG (nachstehend: Beklagte) in Y.________ als diplomierte Operationsschwester mit Verantwortung für OP und zwischenzeitlich als Standortverantwortliche für den OP in Z.________ angestellt. Während ihrer Anstellungszeit litt die Klägerin unter gesundheitlichen Problemen, welche nach ihrer Auffassung durch elektromagnetische Felder in den Operationssälen verursacht wurden. Am 12. Oktober 2002 verlangte die Klägerin zur Klärung ihrer Lungenprobleme von der Beklagten eine Ausmessung der elektromagnetischen Felder an ihrem Arbeitsplatz. Anlässlich eines Mitarbeitergesprächs wurde ihr mitgeteilt, dass es für solche Messungen keinen Anlass gebe, weil die Geräte vom Hersteller geprüft übernommen würden. Im Übrigen bestünden auch keine spitalinternen oder gesamtschweizerischen Grenzwerte.
B.
Am 17. Dezember 2004 belangte die Klägerin die Beklagte beim Gerichtspräsidenten 1 des Gerichtskreises IV Aarwangen-Wangen auf Zahlung von Fr. 29'753.60. Zur Begründung führte die Klägerin an, ihr Krankheitszustand sei auf die elektromagnetischen Felder am Arbeitsplatz zurückzuführen. Die Beklagte habe ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin verletzt, indem sie entsprechende Messungen unterlassen und damit eine Verbesserung der Situation verhindert habe. Der Klägerin stehe daher ein Anspruch auf Schadenersatz und Genugtuung zu. Der Gerichtspräsident wies die Klage mit Urteil vom 17. November 2005 ab. Auf Appellation der Klägerin hin bestätigte der Appellationshof des Obergerichts des Kantons Bern das erstinstanzliche Urteil am 28. März 2006.
C.
Mit eidgenössischer Berufung verlangt die Klägerin, das Urteil des Appellationshofes des Obergerichts des Kantons Bern sei aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus beendetem Arbeitsvertrag einen Betrag von Fr. 29'753.60 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie vollumfänglich abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Berufungsschrift muss die Begründung der Anträge enthalten. Sie soll kurz darlegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden, sofern sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zu Stande gekommen oder wegen fehlerhafter Rechtsanwendung im kantonalen Verfahren zu ergänzen sind (Art. 63 Abs. 2 und 64 Abs. 2 OG). Die Partei, welche den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, hat darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 115 II 484 E. 2a). Für eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz ist die Berufung nicht gegeben (BGE 127 III 248 E. 2c; 115 II 484 E. 2a S. 486).
1.2 Die Vorinstanz führte dem Sinne nach aus, gemäss Art. 328 Abs. 2 OR habe der Arbeitgeber zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushalts angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann. Es stelle sich die Frage, ob die Beklagte die entsprechende Fürsorgepflicht verletzt habe, indem sie die von der Klägerin gewünschten Messungen nicht vorgenommen habe. Dies sei zu verneinen. Da kein Zusammenhang zwischen den Beschwerden der Klägerin und den Elektromagnetfeldern nachgewiesen sei, habe kein Anlass bestanden, Messungen vorzunehmen. Solche Messungen hätten auch keinen Nachweis liefern können. So sei die Klägerin die einzige Angestellte gewesen, die ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit den Geräten in Zusammenhang gebracht habe. Von den anderen 33 OPS-Angestellten seien keine Beschwerden bekannt geworden. Auf Messungen hätte auch verzichtet werden können, weil nicht erkennbar sei, zu welchen zumutbaren Schutzmassnahmen sie hätten führen können. Die medizinischen Geräte seien typengeprüft und somit zum Einsatz bereit gewesen. Zudem hätten keine Grenzwerte bestanden, welche die Beklagte hätten einhalten müssen. Selbst wenn Messwerte vorgelegen hätten, wäre die Beklagte mangels Richtlinien nicht zu weiteren Massnahmen verpflichtet gewesen; denn gemäss einem Bericht des BUWAL würden bei elektromagnetischen Feldern bauliche Massnahmen kaum etwas bringen, da diese Felder die Bausubstanzen durchdringen. Im Bericht des Inselspitals sei die Meidung des Arbeitsplatzes empfohlen worden. Eine Freistellung von der Arbeitspflicht als Massnahme im Sinne von Art. 328 Abs. 2 OR stehe indessen nicht zur Diskussion. Unter diesen Umständen seien die von der Klägerin geforderten Messungen nicht geeignet gewesen, ihre Gesundheit zu schützen. Aus der Weigerung der Beklagten, solche Messungen vorzunehmen, könne die Klägerin daher weder Schadenersatz- noch Genugtuungsansprüche ableiten.
1.3 Die Klägerin führt aus, bei ihr seien während der Arbeit für die Beklagte - wie bereits an ihrer alten Arbeitsstelle - erhebliche gesundheitliche Beschwerden aufgetreten. Die behandelnden Ärzte hätten festgestellt, dass die Beschwerdeschübe jeweils nach Arbeiten in den betreffenden Operationssälen aufgetreten seien. Unter diesen Umständen sei es naheliegend, dass ein Zusammenhang der Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin mit den Geräten in den Operationssälen bestanden habe. Zum Erhärten dieses Verdachts wären jedoch die von der Klägerin verlangten Messungen notwendig gewesen.
Mit diesen Ausführungen übt die Klägerin im Berufungsverfahren unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz, welche zum Ergebnis kam, auch die beantragten Messungen hätten einen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin und den elektromagnetischen Strahlungen nicht beweisen können.
1.4 Weiter macht die Klägerin geltend, die Messungen seien nötig gewesen, um ihr zu erlauben, Schutzmassnahmen zu treffen, wie sie dies an ihrer alten Arbeitsstelle erfolgreich getan habe. Die Messungen hätten mit anderen Worten nicht vorgenommen werden müssen, um von der Beklagten bauliche Massnahmen oder ähnliches zu verlangen, sondern um der Klägerin Erkenntnisse darüber zu liefern, wie sie sich am Arbeitsplatz bestmöglich einrichten kann. Der Klägerin dürfe aber die Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz möglichst gesundheitsneutral einzurichten, nicht genommen werden.
Auf diese Rüge kann bereits deshalb nicht eingetreten werden, weil sie von der nicht bewiesenen Voraussetzung ausgeht, dass ein Zusammenhang zwischen den elektromagnetischen Feldern in den Operationssälen und den Gesundheitsbeschwerden der Klägerin bestehe. Weiter setzt die Klägerin voraus, die von ihr angenommenen gesundheitsschädlichen Wirkungen der elektromagnetischen Felder könnten durch eine "gesundheitsneutrale" Einrichtung des Arbeitsplatzes verhindert werden. Diese tatsächliche Annahme findet jedoch im angefochtene Urteil keine Stütze. Darauf kann deshalb nicht abgestellt werden, da die Klägerin nicht mit Aktenhinweisen darlegt, inwiefern der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt gestützt auf Bundesrecht korrigiert oder ergänzt werden sollte (vgl. E. 1.1 hiervor).
1.5 Nach dem Gesagten kann auf die genannten Rügen nicht eingetreten werden. Im Übrigen legt die Klägerin nicht gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG dar, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind, weshalb auf die Berufung insgesamt nicht einzutreten ist.
2.
Bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.-- dürfen nach Art. 343 Abs. 3 OG den Parteien keine Kosten auferlegt werden. Dies gilt auch für das bundesgerichtliche Verfahren, weshalb keine Gerichtskosten erhoben werden (BGE 124 II 409 E. 12 S. 436 mit Hinweisen). Die unterliegende Klägerin hat jedoch die Beklagte für deren Umtriebe zu entschädigen, da die obsiegende Partei auch in kostenlosen arbeitsrechtlichen Verfahren grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Parteikosten hat (BGE 124 II 409 E. 12 S. 436 mit Hinweisen; Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Juli 2006
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: