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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1S.10/2006 /ggs
Urteil vom 29. Juni 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.
Parteien
X.________ GmbH, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Flurin Turnes,
gegen
Sekretariat der Eidgenössischen Spielbankenkommission, 3003 Bern,
Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer,
Postfach 2720, 6501 Bellinzona.
Gegenstand
Beschlagnahme,
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer,
vom 10. April 2006.
Sachverhalt:
A.
Das Sekretariat der Eidgenössischen Spielbankenkommission führt ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die X.________ GmbH wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG, SR 935.52).
Anlässlich der Hausdurchsuchung im Spielsalon Y.________ in Z.________ vom 3. Februar 2006 stellte die Kantonspolizei Aargau im Auftrag des Sekretariats zwei Geräte "Tropical Shop" sicher. Am 16. Februar 2006 verfügte das Sekretariat die Beschlagnahme gegenüber der X.________ GmbH als Eigentümerin der Geräte und forderte unter Strafdrohung die Herausgabe der Geräte- und Kassaschlüssel innert drei Tagen.
Das Bundesstrafgericht wies eine Beschwerde der X.________ GmbH mit Entscheid vom 10. April 2006 ab, soweit es darauf eintrat.
B.
Dagegen führt die X.________ GmbH Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid des Bundesstrafgerichts und die Verfügung des Sekretariats vom 16. Februar 2006 vollumfänglich aufzuheben und die am 3. Februar 2006 beschlagnahmten Geräte unverzüglich und unbeschwert freizugeben; eventuell sei das Bundesstrafgericht anzuweisen, so zu entscheiden.
C.
Mit Präsidialverfügung vom 16. Juni 2006 wies das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ab.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht (SGG; SR 173.71) kann bis zum Inkrafttreten der Totalrevision des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 gegen Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über Zwangsmassnahmen innert 30 Tagen seit der Eröffnung wegen Verletzung von Bundesrecht beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Artikeln 214-216, 218 und 219 BStP.
1.1 Der angefochtene Entscheid bestätigt eine Beschlagnahme und somit eine Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG (BGE 130 IV 154 E. 1.2 S. 155). Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde gegen die Beschlagnahme legitimiert (Art. 214 Abs. 2 BStP sinngemäss).
1.2 Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmässigkeit der Beschlagnahme (vgl. BGE 119 IV 326 E. 7c S. 327 f.); auf die diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin ist einzutreten. Im Übrigen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, namentlich soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die beabsichtigte Qualifizierung des "Tropical Shop" als Glücksspielautomat durch die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) wendet - es handelt sich hier um ein anderes Verfahren - und soweit sie sich gegen die 3-Tage-Frist zur Beschwerdeerhebung (Art. 28 Abs. 3 VStrR) wendet - es fehlt ihr dafür das aktuelle praktische Interesse.
2.
2.1 Gegenstände und Vermögenswerte, die gemäss Art. 46 Abs. 1 VStrR als Beweismittel von Bedeutung sein können (lit. a) oder voraussichtlich der Einziehung unterliegen (lit. b), können gemäss Art. 47 VStrR (in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 SBG) beim jeweiligen Inhaber beschlagnahmt werden, unbekümmert darum, ob dieser auch Eigentümer des betreffenden Vermögenswertes oder Gegenstandes ist (BGE 120 IV 164 E. 1c S. 166).
2.2 Voraussetzung für die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wie für die Beschlagnahme ist zunächst ein hinreichender Tatverdacht; dabei genügt ein durch tatsächliche Anhaltspunkte objektiv begründeter Anfangsverdacht gegenüber dem Inhaber der beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte oder gegenüber Dritten, der es nach der Erfahrung als möglich erscheinen lässt, dass eine strafbare Handlung vorliegt. An die Bestimmtheit der Verdachtsgründe sind zu Beginn der Strafuntersuchung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Das Bundesgericht hebt die Beschlagnahme nur auf, wenn die behauptete Rechtsverletzung offensichtlich ist (vgl. BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316).
2.3 Gemäss der Beschwerdeantwort des Sekretariats vor Bundesstrafgericht vom 27. Februar 2006 haben einige Kantone die Geräte gestützt auf den Spielbeschrieb (Kaugummiausgabe, Glücksspiel zum Gewinn von Sammelkarten) in Gastwirtschaftsbetrieben zunächst zugelassen. Inzwischen lägen aber Beweise für einen Missbrauch vor (Barauszahlung durch Gastwirte).
Es besteht der Verdacht, dass im Spielsalon eine Widerhandlung gegen die Strafbestimmung von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG begangen wurde. Danach wird mit Haft oder Busse bis zu Fr. 500'000.-- bestraft, wer Glücksspiele ausserhalb konzessionierter Spielbanken organisiert oder gewerbsmässig betreibt. Nach der Darstellung im angefochtenen Entscheid sollen die beschlagnahmten Geräte "Tropical Shop" nach dem Geldeinwurf von Fr. 1.-- oder Fr. 2.-- einen Kaugummi ausgeben und danach die Möglichkeit bieten, an einem Glücksspiel teilzunehmen. Zu gewinnen seien Punkte, die zum Bezug von Sammelkarten berechtigten. Es sei unbestritten, dass der Betreiber und das Personal des Spielsalons die Sammelkarten jeweils gegen Fr. 10.-- eingewechselt hätten. Dieses "Gesamtsystem" sei mutmasslich als Glücksspiel im Sinne des SBG zu qualifizieren, da für die gewonnenen Sammelkarten ein Bargewinn in Aussicht gestellt worden sei. Weil der Spielsalon über keine Spielbankenkonzession verfüge, könne eine Widerhandlung gegen das SBG vorliegen.
Da die beschlagnahmten Geräte möglicherweise als Glücksspiel (bzw. Glücksspielautomaten; Art. 3 Abs. 1 und 2 SBG) in einem nicht als Spielbank konzessionierten Lokal (Art. 4 Abs. 1 SBG) verwendet wurden, ist der Verdacht einer Widerhandlung im Sinne von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG ausreichend begründet.
2.4 Nach dem angefochtenen Entscheid können die beschlagnahmten Gegenstände im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens als Beweismittel von Bedeutung sein und unterliegen - ungeachtet der zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse - voraussichtlich der Einziehung.
Ob die Beschlagnahme zu Beweiszwecken (Art. 46 Abs. 1 lit. a VStrR) verhältnismässig war, kann offen bleiben, da sie jedenfalls nach Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR zulässig ist: Die beschlagnahmten Gegenstände unterliegen der Einziehung, wenn sie zur Begehung strafbarer Handlungen dienten bzw. dadurch erlangt wurden (Art. 58 Abs. 1 und Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Davon ist aufgrund der Verdachtslage auszugehen. Eine ebenso geeignete, aber weniger einschneidende Massnahme zur Sicherstellung der Gegenstände ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass die Beschlagnahme lediglich eine vorläufige prozessuale Massnahme darstellt, die nicht ausführlich begründet werden muss und die aufgehoben wird, wenn sich der bestehende Verdacht im Laufe der Untersuchung als unbegründet erweist und die Gegenstände nicht eingezogen werden müssen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist gewahrt.
2.5 Nach dem Gesagten verletzt die Beschlagnahme kein Bundesrecht und ist auch hinsichtlich der Wirtschaftsfreiheit gerechtfertigt (Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 BV). Die entsprechenden Rügen und insbesondere auch der Antrag auf Freigabe der beschlagnahmten Geräte sind unbegründet.
3.
Zu den weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin ist auszuführen, was folgt:
3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei widersprüchlich, zuerst die Geräte "Tropical Shop" zu beschlagnahmen und erst danach ein "Vernehmlassungsverfahren" über die beabsichtigte Qualifikation des "Tropical Shop" als Glücksspielautomat durchzuführen.
Auf das Vorbringen ist einzutreten, soweit es gegen die Beschlagnahme gerichtet ist (E. 1.2).
Gemäss seiner Vernehmlassung vor Bundesgericht hat das Sekretariat ein Verwaltungsstrafverfahren eröffnet, da konkrete Hinweise für die Verwendung von Geräten "Tropical Shop" als Glücksspielautomaten bestanden hätten. Dies gelte es in der laufenden Strafuntersuchung abzuklären. Unabhängig davon werde ein Verwaltungsverfahren zur allgemeinen Qualifikation der Geräte "Tropical Shop" geführt, das die ESBK als Aufsichtsbehörde eröffnet habe. Gemäss der publizierten Bekanntmachung vom 7. März 2006 an die Hersteller, Inverkehrbringer, Aufsteller und Betreiber (BBl 2006, S. 2689) beabsichtigt die ESBK, das Gerät "Tropical Shop" als Glücksspielautomat im Sinne von Art. 1 [recte: 3] Abs. 2 SBG zu qualifizieren und hat den Betroffenen dazu vorgängig eine Frist zur Stellungnahme von 30 Tagen gesetzt.
Die Zulässigkeit der Beschlagnahme ergibt sich aus dem geltenden Recht und unabhängig vom aufsichtsrechtlichen Qualifikationsverfahren. Das Gesetz erklärt für Beschlagnahmen im Verwaltungsstrafverfahren das Sekretariat (Art. 57 Abs. 1 SBG i.V.m. Art. 46 f. VStrR), für das Überwachen der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und den Erlass der zum Vollzug des Gesetzes notwendigen Verfügungen die Kommission für zuständig (Art. 48 Abs. 1 SBG). Aus den vorliegenden Angaben über das Qualifikationsverfahren betreffend "Tropical Shop" ergibt sich kein Hinweis, dass der geschilderte Verdacht unbegründet oder die Beschlagnahme anderweitig unzulässig wäre. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso allein die Tatsache, dass die ESBK im Rahmen ihrer Kompetenzen straf- und aufsichtsrechtlich tätig wird, ein widersprüchliches Verhalten darstellen soll. Das Vorbringen ist unbegründet.
3.2 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Recht des Kantons Aargau. Gemäss § 2 der kant. Spielbetriebsverordnung vom 22. November 2000 (SAR 958.111) liege ein erheblicher geldwerter Vorteil im Sinne des kant. Spielbetriebsgesetzes vom 20. Juni 2000 (SAR 958.100) vor, wenn der mögliche Bruttogewinn pro Spiel einem Wert von mehr als Fr. 20.-- entspreche.
Die Beschwerdeführerin übersieht jedoch, dass sich die kantonale Regelung auf Geschicklichkeitsspielautomaten bezieht (§ 1 Abs. 1 Spielbetriebsgesetz, § 1 Spielbetriebsverordnung; vgl. Art. 3 Abs. 3 SBG), wogegen das Gerät "Tropical Shop" gemäss dem Anfangsverdacht des Sekretariats ein Glücksspiel bzw. ein Glücksspielautomat sein soll (Art. 3 Abs. 1 und 2 SBG).
Im Übrigen ist - mit dem Bundesstrafgericht - darauf hinzuweisen, dass Bundesrecht (allfällig) entgegenstehendem kantonalem Recht vorgeht (Art. 49 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 und 4 BV).
3.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die ESBK habe sich "offenbar Kompetenzen angemasst".
Das Vorbringen ist offensichtlich unbegründet: Die Zuständigkeit des Sekretariats der ESBK zur Strafverfolgung ergibt sich aus Art. 57 Abs. 1 SBG; die Strafbarkeit des Organisierens oder gewerbsmässigen Betreibens von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken aus Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG. Damit ist das Sekretariat zum Führen des Verwaltungsstrafverfahrens gegen die Beschwerdeführerin zuständig.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Sekretariat der Eidgenössischen Spielbankenkommission und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Juni 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: