BGer 7B.189/2005
 
BGer 7B.189/2005 vom 13.12.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
7B.189/2005 /bnm
Urteil vom 13. Dezember 2005
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Möckli.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Kantonsgericht St. Gallen, obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Rechtshilfeverfahren des Konkursamts St. Gallen in einem Konkursverfahren; Akteneinsicht,
SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung, vom 15. September
2005.
Sachverhalt:
A.
Das Konkursamt A.________ leistet Rechtshilfe im Konkursverfahren gegen X.________.
B.
Mit Verfügung vom 19. Juli 2005 forderte der zuständige Konkursbeamte X.________ auf, in Zukunft seine Vorsprachen und Gesuche um Akteneinsicht auf dem Konkursamt mindestens eine Woche im Voraus telefonisch abzusprechen; für nicht angemeldete Besuche werde in Zukunft der Zutritt zu den Büros des Konkursamtes verweigert.
Am 22. August 2005 verfügte das Konkursamt, dass X.________ bis zum Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumsübergangs der Grundstücke im Grundbuch keine Einsicht in Akten gewährt werde, welche die laufenden Verkaufsverhandlungen der Baulandparzelle und der übrigen zur Konkursmasse gehörenden Grundstücke betreffen.
Die gegen diese beiden Verfügungen erhobenen Beschwerden vom 2. und 27. August 2005 wies das Kantonsgericht St. Gallen, kantonale Aufsichtsbehörde für Konkurs, mit Entscheid vom 15. September 2005 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 23. September 2005 Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben mit den Begehren, das Konkursamt bzw. die kantonale Aufsichtsbehörde sei zu verpflichten, die Konkurs- und Spezialprotokolle entsprechend der Konkursverordnung zu führen bzw. durchzusetzen (Ziff. 1), das Konkursamt sei zu verpflichten, sämtliche Akten offen zu legen (Ziff. 2), die Verfügungen des Konkursamtes vom 19. Juli und 22. August 2005 bzw. der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 15. September 2005 seien aufzuheben (Ziff. 3), der bestehende Konkursbeamte Y._______ sei durch einen ohne deliktische Vergangenheit zu ersetzen (Ziff. 4) und es seien im Rahmen einer Aufsichtsbeschwerde die notwendig erscheinenden Massnahmen anzuordnen (Ziff. 5). Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Die Kammer zieht in Erwägung:
1.
Vorab sind der im Verfahren gemäss Art. 19 SchKG zulässige Beschwerdegegenstand (dazu Ziff. 1.1) und die Kognition des Bundesgerichts (dazu Ziff. 1.2) zu klären.
1.1 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemäss Art. 17 ff. SchKG können alle Verfügungen eines Betreibungs- und Konkursamtes sein. Als zulässig zu erachten ist die vorliegende Beschwerde demnach, soweit sie sich inhaltlich gegen die Verfügungen des Konkursamtes vom 19. Juli und 22. August 2005 richtet (Auflage, sich für die Akteneinsicht vorgängig anzumelden; Weigerung, bis zum Grundbucheintrag eines Grundstücks Einsicht in die betreffenden Akten zu geben). Die allgemeine Amtstätigkeit als solche kann hingegen nicht zum Gegenstand einer Beschwerde nach Art. 17 ff. SchKG gemacht werden (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, § 6 Rz. 8).
Nebst seiner rechtsprechenden Tätigkeit obliegt dem Bundesgericht die Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen, die es in generell-abstrakter Weise durch Verordnungen, Reglemente und weitere Weisungen wie Kreisschreiben oder Formulare sowie durch das Einholen von Jahresberichten ausübt (vgl. Art. 15 SchKG). Hingegen hat das Bundesgericht keine Befugnis zur direkten Kontrolle der Betreibungs- und Konkursämter oder zu aufsichtsrechtlichem Einschreiten bzw. zu organisatorischen Vorkehren oder Massnahmen im Einzelfall. Diese individuell-konkrete Aufsichtskompetenz steht, wie auch die Disziplinargewalt, ausschliesslich der kantonalen Aufsichtsbehörde zu (Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 SchKG; Emmel, in: Basler Kommentar, N. 5 zu Art. 13 SchKG, betr. fallbezogenes Weisungs- und Instruktionsrecht; BGE 91 III 41 E. 6 S. 46 und 128 III 156 E. 1c S. 158 betr. kantonale Disziplinarhoheit).
Unzulässig ist somit das Rechtsbegehren Ziff. 4, mit welchem der Beschwerdeführer sinngemäss disziplinarische Massnahmen im Sinn von Art. 14 Abs. 2 Ziff. 4 SchKG gegen den Konkursbeamten verlangt. Mangels Kompetenz zur Anordnung konkreter Massnahmen im Einzelfall kann auch auf das Rechtsbegehren Ziff. 5 nicht eingetreten werden. Gleiches gilt schliesslich mit Bezug auf das Rechtsbegehren Ziff. 1, das sich nicht auf die Verfügungen des Konkursamtes vom 19. Juli und 22. August 2005 bezieht, sondern auf dessen Akten- und Protokollführung, die der Beschwerdeführer auf kantonaler Ebene denn auch nicht als Gegenstand einer Beschwerde, sondern - wie er selbst zutreffend bemerkt hat - im Sinn einer aufsichtsrechtlichen Anzeige beanstandet hat.
1.2 Im Rahmen des zulässigen Beschwerdegegenstandes (Thema der Akteneinsicht, dazu E. 2), ist die Kognition des Bundesgerichts auf die Überprüfung von Bundesrechtsverletzungen (inklusive der Verletzung völkerrechtlicher Verträge) sowie von Ermessensüberschreitungen oder Ermessensmissbrauch beschränkt (Art. 19 Abs. 1 SchKG). Sodann ist das Bundesgericht von Gesetzes wegen an die tatsächlichen Feststellungen der Aufsichtsbehörde gebunden; die im angefochtenen Entscheid angeführten Tatsachen sind mit anderen Worten verbindlich und können mit der Beschwerde nach Art. 19 SchKG nicht in Frage gestellt werden (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG; BGE 119 III 54 E. 2b S. 55; 124 III 286 E. 3b S. 288). Ebenso wenig können vor Bundesgericht neue Begehren, Tatsachen, Bestreitungen und Beweismittel angebracht werden, wenn dazu (wie vorliegend) im kantonalen Verfahren Gelegenheit bestand (Art. 79 Abs. 1 OG).
Insofern als der Beschwerdeführer über weite Strecken seine eigene Sichtweise des Sachverhalts schildert und zudem zahlreiche neue Tatbestandselemente zum Beschwerdegegenstand und anderen Begebenheiten einführen will, kann nach dem Gesagten auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.
Als zulässig erweisen sich die Rechtsbegehren Ziff. 2 und 3, mit welchen sich der Beschwerdeführer gegen die Beschränkung der Akteneinsicht wendet.
2.1 Mit Bezug auf die konkursamtliche Verfügung vom 19. Juli 2005 legt der Beschwerdeführer nicht im Ansatz dar, inwiefern ihm durch die Auflage, seine Besuche auf dem Amt anzumelden, irgendwelche Nachteile erwachsen könnten. Die entsprechende Auflage hat denn als solche auch keine Beschränkung der Akteneinsicht zur Folge.
2.2 Mit Bezug auf die konkursamtliche Verfügung vom 22. August 2005, mit welcher dem Beschwerdeführer bis zum jeweiligen Grundbucheintrag die Einsicht in die betreffenden Akten verweigert wurde, ist kein besonderer Interessenachweis an umfassender Akteneinsicht erforderlich, weil sich das betreffende Recht ohne weitere Voraussetzungen aus der Verfahrensstellung des Beschwerdeführers als Konkursit ergibt. Indes findet das Akteneinsichtsrecht seine Grenze an überwiegenden öffentlichen Interessen des Staates oder an berechtigten Interessen Dritter. Diesfalls sind die einander entgegenstehenden Interessen an der Akteneinsicht einerseits und an deren Verweigerung andererseits gegeneinander abzuwägen (BGE 129 I 249 E. 3 S. 253 unten, m.w.H.).
Vorliegend hat die kantonale Aufsichtsbehörde für das Bundesgericht verbindlich festgehalten (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG), dass konkret zu befürchten ist, der Beschwerdeführer halte mögliche Kaufinteressenten oder andere in die Verwertung eng involvierte Personen wie Liegenschaftsschätzer durch die Androhung von Nachteilen davon ab, Angebote zu unterbreiten oder an einer öffentlichen Versteigerung mitzubieten, und sie hat auch auf den Fall eines Interessenten hingewiesen, der zu einem höheren Angebot für das Mehrfamilienhaus B.________ bereit gewesen wäre, davon aber mit Rücksicht auf den "eigenwilligen Charakter des Beschwerdeführers" und aus Furcht vor Konsequenzen wiederum Abstand nahm. Sodann hat die Vorinstanz auf die einschlägige Lehre verwiesen, wonach der Schuldner keinen Anspruch auf Bekanntgabe der Identität von möglichen Kaufinteressenten hat (Lorandi, Der Freihandverkauf im schweizerischen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Bern 1994, S. 140).
Vor diesem Hintergrund ist weder vom Beschwerdeführer dargetan noch ersichtlich, inwiefern die kantonale Aufsichtsbehörde das Ermessen, das ihr bei der Abwägung zwischen dem Einsichtsinteresse des Beschwerdeführers und den berechtigten Interessen Dritter (insbesondere der Gläubiger an möglichst hohem Verwertungserlös, was voraussetzt, dass nicht der Beschwerdeführer potentielle Interessenten vom Kauf der zu verwertenden Liegenschaften abhält, aber auch der Kaufinteressenten selbst, ohne Angst vor Drohungen an Versteigerungen bieten oder freihändig erwerben zu können) zusteht, überschritten oder missbraucht hat (Art. 19 Abs. 1 OG), umso weniger als dem Beschwerdeführer das Akteneinsichtsrecht nicht generell, sondern zeitlich und sachlich beschränkt verweigert wird.
3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG).
Demnach erkennt die Kammer:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Konkursamt des Kantons St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Dezember 2005
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: