BGer 1A.135/2005
 
BGer 1A.135/2005 vom 22.08.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
1A.135/2005 /ggs
Urteil vom 22. August 2005
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Nay, Reeb,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Alain Joset,
gegen
Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.
Gegenstand
Auslieferung an die Türkei,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Auslieferungsentscheid des Bundesamts für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 15. April 2005.
Sachverhalt:
A.
Am 21. Februar 2005 ersuchte die Türkische Botschaft in Bern die Schweiz um Auslieferung des türkischen Staatsangehörigen X.________, zur Vollstreckung einer sechsjährigen Gefängnisstrafe aus dem Urteil des Landgerichts für Strafsachen in Gölova vom 30. April 2002, bestätigt durch das Urteil des Kassationsgerichtshofes vom 24. Juni 2004, wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und Körperverletzung.
Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: X.________ habe am 24. Juli 1999 als Fahrzeuglenker auf der Strasse Erzincan-Tokat einen Unfall verursacht; infolge Unaufmerksamkeit sei er auf die Gegenfahrbahn geraten und mit einem entgegenkommenden Auto zusammengestossen, in dem sich eine sechsköpfige Familie befand. Fünf dieser Personen kamen beim Unfall ums Leben; lediglich eines der Kinder überlebte. Die Mitfahrer von X.________ wurden beim Unfall verletzt.
B.
Am 7. März 2005 wurde X.________ gestützt auf einen Auslieferungshaftbefehl des Bundesamts für Justiz an seinem Wohnort in Binningen festgenommen und in Auslieferungshaft versetzt. Bei seiner Einvernahme widersetzte er sich der Auslieferung in die Türkei.
C.
Am 6. April 2005 wurde die Türkische Botschaft in Bern um Übermittlung der Strafbestimmung der fahrlässigen Tötung sowie um Stellungnahme zur Frage einer allfälligen stellvertretenden Strafvollstreckung durch die Schweiz gebeten. Die Ergänzungen gingen mit Note vom 13. April 2005 beim Bundesamt ein.
D.
Am 15. April 2005 bewilligte das Bundesamt für Justiz die Auslieferung von X.________ an die Türkei für die dem Auslieferungsersuchen vom 21. Februar 2005 zugrunde liegenden Straftaten.
E.
Dagegen erhebt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, der Auslieferungsentscheid vom 15. April 2005 sei aufzuheben und der Auslieferungsantrag sei abzuweisen. Das Bundesamt beantragt Abweisung der Beschwerde.
F.
Am 18. Mai 2005 wurde X.________ gegen eine Kaution von Fr. 50'000.-- und weiteren Sicherungsauflagen provisorisch aus der Auslieferungshaft entlassen.
G.
In seiner Replik vom 12. August 2005 hielt der Beschwerdeführer an den Rechtsbegehren und der Begründung seiner Beschwerde fest. Er teilte mit, er habe am 20. Juli 2005 ein Revisionsverfahren eingeleitet, verbunden mit dem Antrag auf vorläufige Aussetzung des Vollzugs des Strafurteils. Er beantragt, das Beschwerdeverfahren sei bis zum Entscheid der türkischen Generalstaatsanwaltschaft über das Revisionsbegehren zu sistieren. Im Falle eines negativen Revisionsentscheids werde er Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg erheben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Für den Auslieferungsverkehr mit der Türkei sind das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAÜ; SR 0.353.1) und das zweite Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 (2. ZP zum EAÜ; SR 0.353.12) massgeblich. Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln oder strengere Anforderungen an die Auslieferung stellen als das schweizerische Landesrecht, ist dieses anwendbar, namentlich das IRSG und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11).
Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den angefochtenen Auslieferungsentscheid einzutreten. Dieser Beschwerde kommt von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu (Art. 21 Abs. 4 lit. a IRSG).
Nachdem der Beschwerdeführer in der Replik - nach zweimalig verlängerter Replikfrist - ergänzende Ausführungen gemacht und die in der Beschwerdeschrift angekündigten zusätzlichen Beweismittel eingereicht hat, erübrigt es sich, ihm eine weitere Frist zur Beschwerdeergänzung einzuräumen.
2.
2.1 Gemäss Art. 2 EAÜ wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt oder eine sichernde Massnahme angeordnet worden, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen.
Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen unstreitig erfüllt, da die fahrlässige Tötung und Körperverletzung auch nach schweizerischem Recht strafbar (Art. 117 und Art. 125 StGB) und mit einer Höchststrafe von 3 Jahren Gefängnis bedroht sind (Art. 36 StGB).
2.2 Das türkische Auslieferungsersuchen erfüllt auch die formellen Voraussetzungen gemäss Art. 12 Abs. 2 EAÜ. Die Gesetzesbestimmung zur fahrlässigen Tötung, auf die sich die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt (Art. 455 Abs. 2 türk. StGB), wurde mit Note vom 13. April 2005 nachträglich übermittelt. Daraus ergibt sich, dass die fahrlässige Tötung einer oder mehrerer Personen bzw. einer Person, verbunden mit der Körperverletzung einer oder mehrerer Personen, mit Gefängnis von 4 bis 10 Jahren und schwerer Geldstrafe geahndet wird. Dies genügt, um die Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nach türkischem Recht zu überprüfen. Weitere Gesetzesbestimmungen sind, auch wenn sie im Urteil des Gerichts von Gölova erwähnt werden, nicht erforderlich, wie das Bundesamt im Auslieferungsentscheid und in seiner Vernehmlassung zutreffend festgehalten hat.
2.3 Schliesslich ist auch, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, keine Gegenrechtserklärung gemäss Art. 8 IRSG erforderlich, wenn die Auslieferung, wie im vorliegenden Fall, an einen Vertragsstaat des EAÜ bewilligt wird: Zum einen sieht das EAÜ eine solche Erklärung nicht als Auslieferungsvoraussetzung vor; zum anderen wäre sie auch überflüssig, weil sich der ersuchende Staat mit Ratifikation des EAÜ bereits zur Auslieferung in allen von diesem Übereinkommen erfassten Fällen verpflichtet hat.
3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das gegen ihn geführte Strafverfahren habe rechtsstaatlichen Mindesterfordernissen nicht entsprochen; insbesondere seien seine Verteidigungsrechte nicht gewahrt worden.
3.1 Die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts sowie Gründe des internationalen ordre public können einer Auslieferung entgegenstehen (vgl. BGE 129 II 268 E 6.1 S. 270 f., 126 II 324 E. 4 S. 326 ff., 125 II 356 E. 8a S. 364 mit Hinweisen). So darf niemand in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 3 Ziff. 1 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; SR 0.105). In Strafprozessen sind ausserdem die minimalen prozessualen Verfahrensrechte des Angeschuldigten zu gewährleisten (vgl. Art. 6 EMRK, Art. 14 UNO-Pakt II).
Für die Auslieferung zur Vollstreckung eines Abwesenheitsurteils enthält sodann Art. 3 2. ZP zum EAÜ eine spezielle Regelung: Danach kann die ersuchte Vertragspartei die Auslieferung zur Vollstreckung eines Abwesenheitsurteils ablehnen, wenn nach ihrer Auffassung in dem diesem Urteil vorangegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermassen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen. Die Auslieferung wird jedoch bewilligt, wenn die ersuchende Vertragspartei eine als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in dem die Rechte der Verteidigung gewahrt werden.
3.2 Der Beschwerdeführer war vom 11. August 1999 bis zum 13. Oktober 1999 in Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer wurde zunächst von Rechtsanwalt A.________ und Rechtsanwältin B.________ verteidigt. Am 23. September 1999 ersetzte er diese - angeblich auf Druck seiner Rechtsschutzversicherung - durch Rechtsanwalt C.________. Der Beschwerdeführer nahm zusammen mit Rechtsanwalt A.________ an der ersten Gerichtsverhandlung teil und wurde zum Unfallhergang vernommen. Auch an den folgenden Gerichtsverhandlungen vom 14. September und vom 13. Oktober 1999 war er anwesend. Anschliessend reiste er in die Schweiz aus, weshalb die weiteren Gerichtsverhandlungen in seiner Abwesenheit durchgeführt wurden. Zu seinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen wurde der Beschwerdeführer auf dem Weg der Rechtshilfe in der Schweiz befragt. Am 30. April 2002 wurde er in Abwesenheit verurteilt. Sein Verteidiger legte noch am selben Tag Berufung beim Kassationsgerichtshof ein. Dieser erklärte das Urteil am 24. Juni 2004 für rechtsgültig, erhöhte jedoch die Geldstrafe auf 7'860'000.-- türk. Pfund.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei im türkischen Strafverfahren nicht hinreichend verteidigt worden, weil sein Verteidiger nur an sechs der insgesamt 29 Verhandlungen des Bezirksgerichts teilgenommen habe. Auf Nachfrage habe der Verteidiger erklärt, nicht zu allen Gerichtsterminen gehörig vorgeladen worden zu sein. Dies stelle einen schweren Verfahrensmangel und eine Verletzung elementarster Verteidigungsrechte dar. Auch an der wichtigen Verhandlung vor dem Kassationsgerichtshof vom 24. Juni 2004 habe der Verteidiger nicht teilgenommen. Der Verteidiger habe den Beschwerdeführer über das Strafverfahren nicht auf dem Laufenden gehalten und ihm weder das erstinstanzliche Urteil noch dasjenige des Kassationsgerichtshofes zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer verdächtigt Rechtsanwalt C.________ sogar, mit der Gegenpartei kooperiert zu haben.
3.2.1 Eine schwerwiegende Verletzung der Verteidigungsrechte läge in der Tat vor, wenn der Verteidiger zu den Gerichtssitzungen nicht geladen worden wäre. Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor:
Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten und auszugsweise übersetzten Protokollen des Strafgerichts von Gölova ergibt sich, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers am ersten, vierten, siebten, elften sowie am letzten Verhandlungstag anwesend war. Aus welchem Grund der Verteidiger den übrigen Verhandlungen fernblieb, lässt sich den Protokollen nicht entnehmen. Immerhin geht aus ihnen hervor, dass die Gerichtssitzungen jeweils an dem in der vorhergehenden Sitzung festgelegten Termin stattfanden, weshalb dem Verteidiger zumindest die Gerichtstermine bekannt waren, die den Sitzungen folgten, an denen er teilgenommen hatte. Wenn er daran dennoch nicht teilnahm, so kann dies dem Gericht nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Im Übrigen hätten formelle Mängel wie die nicht gehörige Ladung mit Berufung vor dem Kassationsgerichtshof geltend gemacht werden müssen. Soweit aus dem Urteil des Kassationsgerichtshofes ersichtlich, war dies jedoch nicht Thema der Berufung. Auch im Revisionsgesuch des Beschwerdeführers vom 20. Juli 2005 wird lediglich ausgeführt, der Verteidiger habe nicht an allen Gerichtssitzungen teilgenommen; dagegen wird keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 EMRK durch nicht gehörige Ladung des Verteidigers gerügt.
3.2.2 Die Verteidigungsrechte des Angeklagten können ferner verletzt sein, wenn der Verteidiger seine anwaltlichen Berufs- und Standespflichten zum Schaden des Angeklagten in schwerwiegender Weise vernachlässigt und die Behörden dies untätig dulden (BGE 124 I 185 E. 3b S. 190 mit Hinweis; vgl. auch Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte i.S. Daud c. Portugal vom 21. April 1998, Recueil CourEDH 1998-II S. 739 §§ 38 ff., und i.S. Czekalla c. Portugal vom 10. Oktober 2002, Recueil CourEDH 2002-VIII S. 43 §§ 65 ff.).
Allerdings kann es nicht Aufgabe der Rechtshilfebehörden sein, die Wirksamkeit der Verteidigung im Einzelnen zu überprüfen; dies ist ihnen in aller Regel, mangels Kenntnis der Akten und der Verfahrensordnung des ersuchenden Staates, auch nicht möglich. Insofern kann ein Auslieferungshindernis allenfalls bei einer offensichtlich ungenügenden Verteidigung in Frage kommen, etwa wenn der Beschwerdeführer aufgrund der Abwesenheit des Verteidigers in wesentlichen Phasen des Strafverfahrens nicht verteidigt worden wäre.
Ob dies der Fall war, lässt sich den eingereichten Gerichtsprotokollen nicht entnehmen, die (abgesehen von der einleitenden Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten) nicht übersetzt worden sind. Immerhin fällt auf, dass die Protokolle der Sitzungen, an denen weder der Angeklagte noch sein Anwalt anwesend waren, nur wenige Zeilen umfassen, was den Schluss nahelegt, dass an diesen Terminen keine Beweisaufnahmen oder andere wesentliche Prozesshandlungen stattfanden. In drei der vom Verteidiger versäumten Gerichtssitzungen (vom 6. September 2000, 14. und 28. Juni 2001) wurden aufgrund neuer Richterernennungen sämtliche Protokolle des bisherigen Verfahrens vorgelesen.
Zwar kann nicht erwartet werden, dass der Verteidiger eigene Pflichtverletzungen zum Thema der Berufung macht. Dagegen wäre zu erwarten gewesen, dass wesentliche Versäumnisse der Verteidigung zumindest im Revisionsgesuch des Beschwerdeführers thematisiert werden, das nicht vom früheren Verteidiger C.________, sondern von Rechtsanwältin B.________ verfasst wurde. Nach Angaben des Beschwerdeführers ist das Revisionsbegehren Voraussetzung für die Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel der Türkei und damit für eine Beschwerdeerhebung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (vgl. Replik S. 4 Ziff. 8), weshalb darin Verletzungen der Verteidigungsrechte i.S.v. Art. 6 Ziff. 3 EMRK gerügt werden können müssen.
Im Revisionsbegehren wird jedoch lediglich gesagt, der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe nicht an allen Gerichtssitzungen teilgenommen. Inwiefern er dadurch seine anwaltlichen Pflichten zum Schaden des Beschwerdeführers in schwerwiegender Weise verletzte und das Gericht deshalb zum Einschreiten verpflichtet gewesen wäre, wird nicht dargelegt. Vielmehr wird die Revision in erster Linie darauf gestützt, dass nicht geprüft worden sei, ob der Zustand der Landstrasse für den Unfall ursächlich gewesen sei, und eine begünstigende Bestimmung (Art. 647 türk. StGB) zu Unrecht auf den Beschwerdeführer nicht angewandt worden sei.
Unter diesen Umständen ist von weiteren Abklärungen, namentlich einer vollständigen Übersetzung aller Gerichtsprotokolle, abzusehen.
3.2.3 Nach dem Gesagten liegen keine genügenden Anhaltspunkte für eine Verletzung elementarer Verteidigungsrechte vor, die eine Versagung der Auslieferung oder eine bedingte Auslieferung i.S.v. Art. Art. 3 2. ZP zum EAÜ rechtfertigen würden.
3.3 Soweit der Beschwerdeführer die Begründung und die Beweiswürdigung des Urteils des Landgerichts Gölova als mangelhaft rügt, ist dies grundsätzlich unbehelflich: Das Auslieferungsersuchen stützt sich auf eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung; der darin festgestellte Sachverhalt ist für die Rechtshilfebehörden verbindlich; die ihm zugrunde liegende Beweiswürdigung kann deshalb im Auslieferungsverfahren nicht überprüft werden.
3.4 Die verhängte Strafe von 6 Jahren Gefängnis für die fahrlässige Tötung mehrerer Personen erscheint sehr streng und übersteigt die nach schweizerischem Recht zulässige Höchststrafe von viereinhalb Jahren (Art. 36 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 StGB). Allerdings stellt die besondere Strenge einer Strafe grundsätzlich kein Auslieferungshindernis dar (vgl. BGE 121 II 296 E. 4a S. 299 f.; Entscheide 1A.118/2004 vom 3. August 2004 E. 4.1; 1A.164/2004 vom 10. August 2004 E. 4; 1A.141/1997 vom 16. Juli 1997 E. 3). Art. 94 Abs. 2 IRSG, wonach im Ausland verhängte Sanktionen nur vollzogen werden, soweit sie das Höchstmass der im schweizerischen Recht für eine entsprechende Tat vorgesehenen Strafe nicht übersteigen, ist im Auslieferungsverfahren nicht anwendbar. Die Auslieferung kann nur abgelehnt werden, wenn die Strafe in keinem Verhältnis mehr zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters stehen und deshalb als unerträglich harte, "unmenschliche" Strafe i.S.v. Art. 3 EMRK erscheinen würde. Dies kann im vorliegenden Fall nicht gesagt werden.
4.
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die Auslieferung sei nach Art. 37 Abs. 1 IRSG zugunsten einer Vollstreckung des Strafurteils in der Schweiz zu verweigern: Er lebe seit 10 Jahren mit seiner Familie in der Schweiz, wo sich auch sein gesamtes soziales Umfeld befinde. Die Trennung von der Familie würde seine Resozialisierung erschweren; zudem sei der Beschwerdeführer seit dem Unfallereignis in psychiatrischer Behandlung; die Fortsetzung dieser Behandlung sei in der Türkei nicht gewährleistet. Seine Familie sei für die Weiterführung des eben erst eröffneten Lebensmittelladens, der die Existenzgrundlage der Familie darstelle, auf das Know-how des Beschwerdeführers angewiesen; bei einer Vollstreckung der Strafe in der Schweiz könnte der Angeschuldigte sein Wissen und seine Erfahrung wenigstens mittels Anweisungen an seinen Stellvertreter in den Betrieb einfliessen lassen.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass für die stellvertretende Vollstreckung durch die Schweiz ein ausdrückliches Ersuchen der Türkei erforderlich sei. Es sei überdies fragwürdig, ob eine Überstellung an die Türkei gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. d des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (ÜberstellungsÜ; SR 0.343) ohne Zustimmung des Beschwerdeführers zulässig sei.
4.1 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGE 129 II 100 E. 3.1 S. 102; 122 II 485 E. 3 S. 486 ff.) kann das Auslieferungsersuchen eines Vertragsstaats des EAÜ, das die Voraussetzungen des Übereinkommens erfüllt, nicht unter Berufung auf Art. 37 Abs. 1 IRSG abgelehnt werden. Dies ergibt sich aus dem Vorrang des Völkerrechts vor dem innerstaatlichen Recht. Die stellvertretende Vollstreckung des ausländischen Urteils in der Schweiz kommt daher nur in Betracht, wenn der ersuchende Staat dieser Lösung zustimmt und sein Auslieferungsersuchen zurücknimmt.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt mit Note vom 6. April 2005 die türkischen Behörden gefragt, ob sie ein Ersuchen um stellvertretende Strafvollstreckung an die Schweiz zu richten gedenken und das vorliegende Auslieferungsersuchen dementsprechend zurückziehen. In ihrer Antwort vom 8. und 13. April 2005 hielten die türkischen Behörden an ihrem Auslieferungsersuchen fest. Damit scheidet eine stellvertretende Vollstreckung der Strafe in der Schweiz aus.
4.2 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers findet Art. 3 Abs. 1 lit. c ÜberstellungsÜ im Auslieferungsverfahren keine Anwendung. Diese Bestimmung ist lediglich auf die Überstellung einer verurteilten Person vom Urteilsstaat in den Heimatstaat des Verurteilten anwendbar (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a ÜberstellungsÜ), nicht aber auf die Auslieferung des Verurteilten an den Urteilsstaat zwecks Vollstreckung eines rechtskräftigen Strafurteils.
5.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. In dieser Situation besteht kein Raum für die beantragte Sistierung des Verfahrens bis zum Entscheid der türkischen Behörden über das Revisionsgesuch.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 156 und 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. August 2005
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: