BGer 5P.159/2005
 
BGer 5P.159/2005 vom 15.07.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
5P.159/2005 /ast
Urteil vom 15. Juli 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiberin Scholl.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Gattlen,
gegen
Sozialbehörde A.________,
Beschwerdegegnerin,
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.
Gegenstand
Art. 9 und 29 BV (Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zu einer Massnahme des Vormundes),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 23. März 2005.
Sachverhalt:
A.
X.________ ist wegen Geisteskrankheit gemäss Art. 369 ZGB entmündigt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5C.262/2002 vom 6. März 2003). Sie bezieht eine IV-Rente und ist Eigentümerin einer Liegenschaft in A.________ sowie einer Eigentumswohnung in B.________. Um die Liquidität zu verbessern bzw. aufgelaufene Schulden zu bezahlen, ersuchte der Vormund von X.________ die Sozialbehörde A.________ (Vormundschaftsbehörde) um grundsätzliche Zustimmung zu seiner Absicht, die Wohnung in B.________ freihändig unter Einhaltung der versteigerungsähnlichen Bedingungen zu veräussern. Weiter schlug er vor, ein durch einen Schuldbrief als Faustpfand gesichertes Darlehen von max. Fr. 50'000.-- aufzunehmen, um damit die Unkosten des Liegenschaftsverkaufs und die fälligen Schulden zu begleichen.
Mit Beschluss vom 31. März 2004 genehmigte die Sozialbehörde A.________ den beabsichtigten Verkauf der Eigentumswohnung sowie die Aufnahme des Faustpfandkredites. Dagegen gelangte X.________ an den Bezirksrat Meilen, welcher die Beschwerde am 15. Dezember 2004 abwies. Einen gegen diesen Beschluss geführten Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich am 23. März 2005 ebenfalls ab.
B.
X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses. Zudem stellt sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich Verbeiständung.
Mit Verfügung vom 25. Mai 2005 gewährte der Präsident der II. Zivilabteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Vernehmlassungen sind nur zum Gesuch um aufschiebende Wirkung eingeholt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und in welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 129 I 302 E. 1 S. 305; 130 I 312 E. 1 S. 317).
Nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie gerügt werden kann. Im vorliegenden Fall steht in erster Linie die Zulässigkeit der eidgenössischen Berufung in Frage: Diese ist indes - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen (Art. 44 f. OG) abgesehen - nur in Zivilrechtsstreitigkeiten gegeben (Art. 44 u. Art. 46 OG). Unter einer Zivilrechtsstreitigkeit versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen verschiedenen Personen als Trägerinnen privater Rechte, das die endgültige und dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse zum Ziel hat (BGE 124 III 463 E. 3a S. 464; 129 III 301 E. 1.2.2 S. 304). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Ob die Zustimmung zum (Freihand-)Verkauf einer Liegenschaft aus dem Mündelvermögen erteilt werden kann oder nicht, ist eine Frage der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und stellt damit keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44 und 46 OG dar (BGE 100 II 6 S. 7).
Eine Entgegennahme der staatsrechtlichen Beschwerde als Berufung - wie von der Beschwerdeführerin eventualiter beantragt - ist daher nicht möglich. Zudem macht die Beschwerdeführerin die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend und bringt damit Rügen vor, welche im Berufungsverfahren ohnehin nicht zulässig wären (Art. 43 Abs. 1 OG). Mangels Behauptung eines Nichtigkeitsgrundes im Sinne von Art. 68 OG kommt auch eine Konversion in eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht in Frage.
Damit erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde unter dem Aspekt der absoluten Subsidiarität als zulässig. Im Weiteren richtet sie sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid und wurde fristgerecht erhoben (Art. 86 Abs. 1 u. 89 Abs. 1 OG).
2.
Im vorliegenden Fall ist nicht (mehr) strittig, dass die Veräusserung der Liegenschaft nötig ist, damit die Beschwerdeführerin liquide Finanzmittel erhält. Weiter wird auch die Zulassung eines freihändigen Verkaufs an Stelle einer öffentlichen Versteigerung nicht in Frage gestellt.
Die Beschwerdeführerin verlangt hingegen, dass die Liegenschaft ihrem Sohn Y.________ übertragen werde. Dabei schlägt sie ein Finanzierungsmodell vor, bei dem ihr Sohn auf der Liegenschaft ein Hypothekardarlehen von rund Fr. 40'000.-- aufnimmt und dieses ihr zur Tilgung der Schulden zur Verfügung stellt. Der übrige, noch zu bestimmende Kaufpreis werde sie als (verzinsliches) Darlehen an ihren Sohn stehen lassen.
Das Obergericht hat diesen Finanzierungsvorschlag im Wesentlichen aus folgenden Gründen abgelehnt: Es hat erwogen, die Mittel aus dem Liegenschaftsverkauf müssten frei verfügbar sein, da nur auf diese Weise sichergestellt werden könne, dass die bestehenden Schulden beglichen und die laufenden Lebenshaltungskosten der Beschwerdeführerin gedeckt werden könnten. Zudem müsse das Mündelvermögen sicher und zinstragend angelegt werden; damit sei eine Anlage bei einer Bank gemeint und nicht die Darlehensgewährung an eine Privatperson. Weiter hat es erwogen, Y.________ stehe offenbar gegen seine Mutter noch eine Forderung von ca. Fr. 40'000.-- zu; diese könnte zur Verrechnung gebracht werden, so dass nicht genügend Erlös für die Tilgung der offenen Schulden resultieren würde.
3.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht in verschiedener Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie des Willkürverbotes vor.
3.1 Sie bringt zunächst vor, sie habe vor allen Instanzen verlangt, ihr seien die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, um abklären zu können, welchen Betrag ihr Y.________ verschaffen und welcher Betrag unter welchen Umständen und zu welchen Konditionen als Darlehen stehen gelassen werden könnte. Dieser Antrag sei implizit verworfen worden. Dadurch sei ihr nicht möglich gewesen, ihre Vorschläge auszuarbeiten, die finanziellen Möglichkeiten ihres Sohnes für den Erwerb der Liegenschaft abzuklären oder eine vernünftige Tragbarkeitsrechnung aufzustellen. Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie des Grundsatzes auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK).
Aus dieser allgemein gehaltenen Rüge wird nicht ersichtlich, welche Informationen im Einzelnen der Beschwerdeführerin angeblich vorenthalten worden sind. Dass ihr die Akteneinsicht verweigert worden wäre, macht sie nicht geltend. Zudem ist nicht nachvollziehbar, über welche Informationen die kantonalen Behörden verfügen könnten, welche die Beschwerdeführerin zur Abklärung der finanziellen Möglichkeiten ihres Sohnes benötigt. Auf das Vorbringen kann damit mangels Substantiierung nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
3.2 Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine Verletzung von Art. 9 BV. Sie bringt vor, die Annahme des Obergerichts, ihr Sohn würde beim Kauf der Liegenschaft eine Forderung von Fr. 40'000.-- zur Verrechnung bringen, sei aktenwidrig, weil auf eine Verrechnung gemäss Art. 126 OR im Voraus verzichtet werden könne. Diese sei also entgegen der Ansicht des Obergerichts nicht zwingend und es sei möglich, den Abschluss des Vertrages von einem Verrechnungsverzicht abhängig zu machen.
Im Gegensatz zur Behauptung der Beschwerdeführerin hat das Obergericht die Verrechnung nicht als zwingend angesehen und namentlich auch offen gelassen, ob eine solche Forderung überhaupt besteht. Allein der Hinweis auf die gesetzliche Möglichkeit eines vorgängigen Verrechnungsverzichts lässt die obergerichtliche Erwägung nicht als willkürlich erscheinen, zumal die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, Y.________ habe sich konkret zu einem solchen Verzicht bereit erklärt. Auf die damit rein appellatorische Kritik am angefochtenen Beschluss kann nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
3.3 Einen Verstoss gegen das Willkürverbot sieht die Beschwerdeführerin zudem in der Annahme des Obergerichts, Y.________ sei finanziell nicht so gestellt, dass er einen noch zu bestimmenden Kaufpreis aus eigenen Mitteln finanzieren könnte.
Das Obergericht hat erwogen, die Mittel aus dem Verkauf der Liegenschaft müssten für die Tilgung der bestehenden Schulden sowie im Bedarfsfall auch für die Deckung der laufenden Bedürfnisse verwendet werden können. Es hat daher die Möglichkeit als wesentlich erachtet, jederzeit auch auf das Kapital greifen zu können, was nur bei der Anlage des Kaufpreises bei einem Bankinstitut gewährleistet sei. Die Darlehensgewährung an Y.________, der offenbar finanziell nicht so gestellt sei, dass er den noch zu bestimmenden Kaufpreis aus eigenen Mitteln finanzieren könnte, müsse dagegen als unsichere Geldanlage qualifiziert werden.
Inwiefern der Schluss des Obergerichts, dass die Möglichkeit im Bedarfsfall jederzeit auf das Kapital greifen zu können, bei einer Kapitalanlage bei einem Bankinstitut besser gewährleistet sei als bei einer Darlehensgewährung an eine Privatperson resp. an Y.________, willkürlich sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar dar. Die Kritik an den Annahmen des Obergerichts zu den finanziellen Verhältnissen von Y.________ geht an der Sache vorbei (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Unerheblich ist im vorliegenden Verfahren, ob es Y.________ möglich ist, ein Hypothekardarlehen aufzunehmen, um den gesamten Kaufpreis der Liegenschaft zu bezahlen. Das Obergericht hat nicht ausgeschlossen, dass Y.________ die Liegenschaft im Rahmen des Freihandverkaufs unter den gleichen Bedingungen wie ein Dritter - insbesondere unter Barbezahlung des gesamten Kaufpreises - erwerben kann. Es hat einzig die vorgeschlagene Finanzierungsvariante abgelehnt, bei der Y.________ nur einen Teil des Kaufpreises in bar leistet und für den Rest von der Beschwerdeführerin ein Darlehen erhält.
3.4 Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, soweit im angefochtenen Entscheid angenommen werde, durch die Darlehensgewährung würden ihr keine freien Mittel zufliessen, widerspreche diese Annahme ihren Vorschlägen und sei daher aktenwidrig.
Das Obergericht hat erwogen, durch den Vorschlag der Beschwerdeführerin erhalte diese keine ungebundenen Mittel, die sie frei anlegen könne, oder zumindest nur in beschränktem Umfang. Inwiefern diese Überlegung willkürlich sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar dar, da offensichtlich mehr frei anlegbare Mittel - insbesondere nach der Tilgung der Schulden von ca. Fr. 30'000.-- - anfallen, wenn der gesamte Kaufpreis für die Liegenschaft in bar bezahlt wird und nicht nur rund Fr. 40'000.--. Die Rüge grenzt an Trölerei (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
3.5 Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, im angefochtenen Entscheid werde nicht berücksichtigt, dass sie bei einem Verkauf der Liegenschaft an ihren Sohn diese auch weiterhin gelegentlich nutzen könne. Zudem werde die offensichtliche Gefahr, dass ein grosser Teil des von ihr investierten Kapitals beim Verkauf an eine Drittperson vernichtet werde, vom Obergericht einfach unter dem Hinweis auf den nicht bekannten Kaufpreis verworfen und nicht in Rechnung gezogen, dass ein Verkauf mit Verlust an einen Familienangehörigen leichter verschmerzt werden könne.
Im vorliegenden Verfahren geht es nicht darum zu entscheiden, welcher Kaufpreis für die Liegenschaft angemessen ist. Daher kann - wie das Obergericht zutreffend erwogen hat - im Moment auch nicht gesagt werden, inwieweit die Beschwerdeführerin das von ihr in die Liegenschaft investierte Kapital zurückerhält. Unbehelflich ist die Behauptung, ein Verlust könne bei einer Übertragung an einen Familienangehörigen leichter verschmerzt werden. Das Obergericht hat - wie bereits oben erwähnt - nicht den Verkauf an einen Familienangehörigen an sich ausgeschlossen, sondern nur das von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Finanzierungsmodell mittels Darlehensgewährung. Dies im Übrigen, um das Verlustrisiko gerade zu minimieren. Gleiches ist dem Vorbringen entgegenzuhalten, bei einem Verkauf an den Sohn könne sie die Liegenschaft auch weiterhin nutzen. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin gehen damit an der Sache vorbei und mangeln an einer genügenden Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
4.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mangels genügender Substantiierung der Rügen und rein appellatorischer Kritik am angefochtenen Beschluss auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
5.
Die Beschwerdeführerin hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Diese ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG). Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 125 II 265 E. 4b S. 275; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.).
Im vorliegenden Fall konnte auf die Beschwerde gar nicht eingetreten werden, weil sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) nicht genügt hat. Damit ist das Gesuch wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Offen bleiben kann bei diesem Ergebnis, ob die Beschwerdeführerin als bedürftig anzusehen ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 5C.262/2002 vom 6. März 2003, E. 5), zumal sie dies nicht näher belegt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Juli 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: