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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6S.26/2005 /gnd
Urteil vom 3. Juni 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Pierre André Rosselet,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Pornografie (Art. 197 Ziff. 1 und Art. 18 StGB),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer,
vom 17. Dezember 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ stellte während einer nicht mehr genau bestimmbaren Zeit zwischen dem 2. Februar 2002 und dem 7. April 2003, jedenfalls aber am 4. April 2003, in der Domain www.gaynet.ch im Rahmen einer Kontaktanzeige für sexuelle Treffen ein Bild ins Internet, das - ganz auf den Genitalbereich konzentriert - den erigierten Penis eines Mannes zeigte. Die Aufnahme konnte nur nach einer Registrierung des Benutzers betrachtet werden. Es war jedoch auch für Personen unter 16 Jahren möglich, sich registrieren zu lassen.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 17. Dezember 2004 im Berufungsverfahren der Pornografie im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 500.--.
B.
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht. Er stellt den Antrag, es sei das Urteil des Obergerichts vom 17. Dezember 2004 aufzuheben und die Sache an diese Instanz zurückzuweisen, damit sie ihn vom Vorwurf der Pornografie im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB freispreche.
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Eine Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft wurde nicht eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist bezüglich des Strafpunkts rein kassatorischer Natur (Art. 277ter BStP). Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist daher auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten.
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde kann wohl eine sog. mittelbare Verletzung verfassungsmässiger Rechte - d.h. eine nicht verfassungs- oder konventionskonforme Auslegung und Anwendung von eidgenössischem Gesetzesrecht - geltend gemacht werden, hingegen nicht die unmittelbare Verletzung solcher Rechte. Die letztere Rüge ist vielmehr mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen (BGE 130 IV 54 E. 3.3.2 S. 55; 119 IV 107 E. 1a S. 109). Um eine solche handelt es sich beim Vorwurf des Beschwerdeführers, das angefochtene Urteil verstosse gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV, weil die Strafverfolgungsbehörden nur bei pornografischen Darstellungen von homosexuellen Personen ermittelten, dagegen nicht oder nicht mit der gleichen Intensität gegen heterosexuelle Pornografie vorgingen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan, wie die angerufene Verfassungsnorm die Auslegung von Art. 197 Ziff. 1 StGB beeinflussen könnte. Auf die erwähnte Verfassungsrüge ist daher nicht einzutreten.
2.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers hat das Bild, das er ins Internet gestellt hat und das einen aus einem Hosenschlitz herausragenden erigierten Penis zeigt, keinen pornografischen Charakter im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB. Die gegenteilige Ansicht der Vorinstanz kritisiert er mit verschiedenen Argumenten als bundesrechtswidrig.
2.1 Im angefochtenen Entscheid wird die fragliche Aufnahme als pornografisch qualifiziert, weil sie das Geschlechtsteil aufdringlich in den Vordergrund rücke und sexuell erregend wirken wolle. Diese Auslegung steht in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wie sie kürzlich bestätigt und verdeutlicht wurde. Danach ist eine Darstellung pornografisch im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB, wenn sie objektiv betrachtet darauf ausgelegt ist, den Betrachter sexuell aufzureizen, und dabei die Sexualität so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Bezügen herausgetrennt wird, dass die jeweilige Person als ein blosses Sexualobjekt erscheint, über das nach Belieben verfügt werden kann (zur Publikation bestimmtes Urteil 6S.345/ 2004 vom 8. März 2005, E. 10.1.1).
Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall diese Praxis bereits wieder in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer verkennt bei seiner Kritik, dass sich die Strafnorm von Art. 197 Ziff. 1 StGB nicht gegen die Darstellung der Sexualität an sich richtet, sondern gegen die Vergröberung und Banalisierung, die sich aus der öffentlichen Präsentation von Sexualität ergibt. Die Sexualität wird dadurch entpersönlicht, und die darstellende Person wird für den Betrachter zum blossen Sexualobjekt erniedrigt (vgl. Matthias Schwaibold/Kaspar Meng, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Art. 197 N. 15). Die Erniedrigung stellt entgegen der Ansicht, die in der Beschwerde vorgebracht wird, jedoch kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar. Vielmehr liegt nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Verwirklichung des Tatbestands von Art. 197 Ziff. 1 StGB selber die Erniedrigung.
Mit Blick auf die genannte Zielsetzung qualifiziert der Gesetzgeber sexuelle Darstellungen mit einem schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert als nicht pornografisch (Art. 197 Ziff. 5 StGB). Die Sexualität wird diesfalls gerade nicht entpersönlicht, sondern in einen grösseren Zusammenhang gerückt (vgl. auch Schwaibold/Meng, a.a.O., Art. 197 N. 16 und 63). Der Beschwerdeführer macht daher zu Unrecht geltend, die Sonderklausel von Art. 197 Ziff. 5 StGB erfordere eine möglichst restriktive Umschreibung des Pornografiebegriffs. Es lässt sich auch nicht sagen, dass die Strafnorm von Art. 197 Ziff. 1 StGB dem Jugendschutz, d.h. der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, nicht zu dienen vermöchte. Der Beschwerdeführer begründet seine gegenteilige Auffassung denn auch nicht näher. Unter diesen Umständen verstösst Art. 197 Ziff. 1 StGB in der erwähnten Auslegung auch nicht gegen die Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Art. 10 EMRK, zumal dem nationalen Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in diesem Bereich ein weites Ermessen zukommt (vgl. BGE 128 IV 201 E. 1.4.3 S. 208). Daran ändert auch nichts, dass es - wie der Beschwerdeführer nicht ohne Grund hervorhebt - schwierig ist, den Jugendschutz im Internet vollumfänglich sicherzustellen.
2.2 Der Beschwerdeführer rügt ebenfalls die Anwendung der dargelegten Rechtsprechung auf das Bild, das er ins Internet gestellt hat. Er macht geltend, diese Aufnahme sei nicht darauf ausgelegt, sexuell aufzureizen, weil er mit seiner Kontaktanzeige einen Menschen suche und nicht pornografisches Konsumgut liefern wolle. Diese Argumentation überzeugt nicht. Wohl will er über das Internet einen menschlichen Kontakt suchen, doch will er zu diesem gerade mit einer sexuell aufreizenden Aufnahme gelangen. Ebenso wenig kann seiner Auffassung gefolgt werden, das ins Internet hochgeladene Bild sei einem Live-Gespräch gleichzustellen, das nach der Praxis von Art. 197 Ziff. 1 StGB nicht erfasst wird (BGE 124 IV 109 E. 2c S. 116 ff.). Der Wortlaut der genannten Norm erwähnt ausdrücklich Bildaufnahmen, worunter ohne weiteres auch solche im Internet fallen (vgl. auch zur Publikation bestimmtes Urteil 6S.345/2004 vom 8. März 2005, E. 10.2.1).
2.3 Die Rüge, das inkriminierte Bild sei nicht pornografischer Natur im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB, erweist sich demnach als unbegründet.
3.
Umstritten ist ebenfalls, ob der Beschwerdeführer das inkriminierte pornografische Bild Personen unter 16 Jahren zugänglich machte.
3.1 Wie das Bundesgericht im bereits erwähnten Entscheid festgehalten hat, erfasst Art. 197 Ziff. 1 StGB sämtliche privaten und öffentlichen Handlungen, durch die unter 16-jährigen Personen bewusst die Möglichkeit eingeräumt wird, in Kontakt mit Pornografie zu kommen, sei es auch durch deren eigenes Zutun. Ob der Jugendliche vom pornografischen Inhalt tatsächlich Kenntnis nimmt, ist irrelevant. Das Angebot an einen unbestimmten Personenkreis genügt, sofern nicht wirksame Massnahmen getroffen werden, um auszuschliessen, dass auch unter 16-Jährige davon Gebrauch machen können. Bei einem Angebot im Internet stellt ein blosser Warnhinweis, der durch Anklicken zum Verschwinden gebracht werden kann, keine wirksame Barriere dar, um unter 16-Jährigen den Zugriff auf pornografische Webinhalte zu verunmöglichen (zur Publikation bestimmtes Urteil 6S.345/ 2004 vom 8. März 2005, E. 10.1.2 und 10.3).
3.2 Die Vorinstanz legt im Einzelnen dar, dass das fragliche Bild des Beschwerdeführers auch von Personen unter 16 Jahren, die auf dem Internet surften, angesehen werden konnte. Es gab keine Vorrichtung, die sie daran gehindert hätte, die massgebliche Seite anzuklicken und die pornografische Aufnahme zu Gesicht zu bekommen. Wohl bestanden Hinweise, wonach das "Eintreten" in die Website durch Weiterklicken nur mindestens 18 Jahre alten Personen gestattet sei und war das fragliche Bild erst nach einer Registrierung als erwachsener Benutzer abrufbar. Doch fand keinerlei Überprüfung statt, ob die sich anmeldende Person ihr tatsächliches Geburtsdatum eingab, ja es war nicht einmal eine Eingabe von Name und Adresse nötig. Unter diesen Umständen bestand nach Ansicht der Vorinstanz keine wirksame Vorkehrung, um unter 16-Jährige vom Abrufen der inkriminierten Aufnahme abzuhalten.
Diese Beurteilung steht mit den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung im Einklang. Der Beschwerdeführer erhebt zum grossen Teil die gleichen Einwände, die er bereits im vorinstanzlichen Verfahren vortrug. Sie sind im angefochtenen Entscheid in überzeugender Weise widerlegt worden, so dass auf die entsprechenden Erwägungen verwiesen werden kann. Der Beschwerdeführer bezieht sich ausserdem auf die "Guidelines zur Rechtsprechung der UBI" zum Jugendschutz und macht geltend, diese seien im vorliegenden Fall eingehalten worden. Die Richtlinien sehen vor, dass für Kinder und Jugendliche nicht geeignete Radio- und Fernsehsendungen erst ab ca. 23 Uhr ausgestrahlt werden sollen. Sie enthalten aber keinerlei Anhaltspunkte, wie der Begriff des Zugänglichmachens im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB zu konkretisieren ist. Sie können sich zudem nur auf Sendungen ohne pornografische Gegenstände oder Vorführungen der genannten Strafnorm erstrecken, denn die Ausstrahlung Letzterer ist unabhängig vom Zeitpunkt - allerdings unter Vorbehalt der Ausnahmeklausel von Art. 197 Ziff. 5 StGB - strafbar.
Die Vorinstanz sieht daher den objektiven Tatbestand von Art. 197 Ziff. 1 StGB zu Recht als erfüllt an.
4.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz bejahe auch den subjektiven Tatbestand zu Unrecht und verletze dadurch Art. 18 StGB.
Im angefochtenen Entscheid wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer auf Grund des eigenen Besuchs und der eigenen Anmeldung auf der Website www.gaynet.ch das Fehlen einer wirksamen Zugangskontrolle für Personen unter 16 Jahren bewusst war. Mit dem in der Beschwerde erhobenen Einwand, er habe die Tatbestandsverwirklichung nicht ernsthaft für möglich gehalten, weicht er vom verbindlich festgestellten Sachverhalt ab. Im Übrigen führt die Vorinstanz an anderer Stelle zu Recht aus, dass Jugendliche ebenso gut wie Erwachsene diese Website auffinden und zum inkriminierten Bild gelangen könnten. Dies konnte auch dem Beschwerdeführer nicht entgangen sein. Schliesslich war die Vorinstanz nicht gehalten, zu dem im mündlichen Plädoyer eher beiläufig erwähnten Rechtsirrtum nähere Ausführungen zu machen, da die Voraussetzungen eines solchen vorliegend offensichtlich nicht erfüllt sind (vgl. dazu BGE 129 IV 6 E. 4.1 S. 18).
Die Beschwerde erweist sich daher auch in diesem Punkt als unbegründet.
5.
Aus diesen Erwägungen ist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juni 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: