BGer 6S.22/2005
 
BGer 6S.22/2005 vom 04.05.2005
Tribunale federale
{T 0/2}
6S.22/2005 /gnd
Urteil vom 4. Mai 2005
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Briw.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecherin Dr. Franziska Ryser-Zwygart,
gegen
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern.
Gegenstand
Missbrauch von Händlerschildern (Art. 24 VVV),
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Ober-gerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom
22. Dezember 2004.
Sachverhalt:
A.
Die Kantonspolizei stellte am 6. April 2004 anlässlich einer Verkehrsüberwachung fest, dass X.________ mit seinem mit Händlerschildern versehenen Lastwagen in Y.________/BE aus dem Areal einer Recycling AG fuhr. X.________ erklärte, er habe sechs alte Schrottfahrzeuge abgeladen. Diese stammten aus seinem Betrieb in Z.________/SO. Für diese Fahrzeuge habe er weder Geld erhalten noch bezahlt. Die Fahrstrecke sei von Z.________/SO nach Y.________/BE gewesen. Nach Ansicht der Polizei hatte X.________ einen (unzulässigen) Sachentransport mit Händlerschildern ausgeführt (Anzeige vom 7. April 2004). Im Einspracheverfahren machte X.________ geltend, die Fahrt sei eine Kontrollfahrt im Zusammenhang mit der Entkalkung des Kühlsystems gewesen. Dazu sei er von Z.________/SO nach Zweisimmen-Gstaad und über das Greyerz gefahren (Urteil des Strafeinzelgerichts, S. 2).
B.
Das Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland verurteilte X.________ mit Strafmandat vom 19. Mai 2004 wegen missbräuchlicher Verwendung von Händlerschildern zu Fr. 200.-- Busse. Diese Verurteilung wurde im Einspracheverfahren vom Strafeinzelgericht des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen am 18. August 2004 bestätigt.
Das Obergericht des Kantons Bern (1. Strafkammer) erkannte im Appellationsverfahren am 22. Dezember 2004 X.________ schuldig der missbräuchlichen Verwendung von Händlerschildern und verur-teilte ihn in Anwendung von Art. 24 Abs. 4 und 60 Ziff. 2 VVV sowie von Art. 63 und 106 StGB ebenfalls zu einer Busse von Fr. 200.--.
C.
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und an dieses zurückzuweisen und ihn von der missbräuchlichen Verwendung von Händlerschildern freizusprechen; der Staat habe ihm eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche, das obergerichtliche und das bundesgerichtliche Verfahren auszurichten und die Verfahrenskosten vor erster Instanz, vor Obergericht und dem Bundesgericht zu bezahlen.
Das Obergericht des Kantons Bern verzichtet auf Gegenbemerkungen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 24 Abs. 3 lit. b der Verkehrsversicherungsverordnung (VVV; SR 741.31) dürfen Händlerschilder verwendet werden zum Überführen und Erproben von Fahrzeugen im Zusammenhang mit dem Fahrzeughandel, mit Reparaturen oder Umbauten am Fahrzeug. Gemäss Art. 24 Abs. 4 lit. b VVV dürfen mit Händlerschildern versehene schwere Motorfahrzeuge für das Mitführen von Ballast in den Fällen nach Abs. 3 lit. b - e verwendet werden. Gemäss Art. 60 Ziff. 2 VVV wird mit Haft oder Busse bestraft, wer ein mit Händlerschildern versehenes Fahrzeug zu Fahrten verwendet, die nach dieser Verordnung nicht gestattet sind.
1.1 Das Strafeinzelgericht führte aus, der Beschwerdeführer mache geltend, er habe mit dem Lastwagen eine Reparaturfahrt gemacht und Autos aus seinem Entsorgungsbetrieb als Ballast abgeladen. Es stelle sich die Frage, weshalb er der Polizei gemäss Anzeige andere Angaben gemacht habe (vgl. oben Bst. A). Es müsse jedoch zugunsten des Beschwerdeführers auf seine nicht widerlegbaren Aussagen abgestellt und davon ausgegangen werden, dass er mit dem Lastwagen eine Reparaturfahrt zwecks Entstopfung des Kühlsystems gemacht und die genannte Strecke über Zweisimmen-Gstaad befahren habe. Als er aber die als Ballast mitgeführten Autos abgeladen habe, habe es sich um eine normale Lieferung gehandelt, ob entgeltlich oder unentgeltlich sei nicht von Bedeutung. Zweck der Bestimmungen sei es, dass mit Händlerschildern keine kommerziellen Fahrten durchgeführt werden sollen. Es sei genau umschrieben, welche Fahrten erlaubt seien. Der Verordnungstext sei klar und unmissverständlich: Bei einer Reparaturfahrt sei der Ballast bis zum Ende der Fahrt mitzuführen. Es gehe nicht an, unterwegs die Reparaturfahrt als beendet zu erklären und mit dem Ballast eine Warenlieferung vorzunehmen (angefochtenes Urteil S. 7).
Die Vorinstanz schliesst sich dieser Würdigung an. Der Beschwerdeführer habe die sechs Schrottfahrzeuge abladen lassen. Das sei grundsätzlich eine Handlung im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit, auch wenn er dadurch keinen direkten Ertrag erzielt habe. Zu seinem Argument, er habe nach der Entladung die Prüfung des Fahrzeugs ohne Ballast fortsetzen wollen, sei zu sagen, dass er sich durch das vorzeitige Abladen einen Vorteil verschafft habe, welcher mit Art. 24 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. b VVV nicht konform sei. Er habe sich damit weitere Kosten für die Kontrollfahrt sparen können, die er gehabt hätte, wenn er die Autos zuerst in Z.________/SO abgeladen und von dort aus die Kontrollfahrt weitergeführt hätte (angefochtenes Urteil S. 8 f.).
1.2 Der Beschwerdeführer wendet ein, nach dem Abladen des Ballastes sei die Reparaturfahrt ohne Ballast weitergeführt worden, wie es Art. 24 Abs. 3 lit. b VVV erlaube. Dem Gesetzeswortlaut sei keineswegs zu entnehmen, dass der Ballast wieder zum Ausgangspunkt mitgenommen werden müsse. Aus der systematischen Einordnung von Art. 24 Abs. 4 lit. b im Verhältnis zu Art. 24 Abs. 3 lit. b VVV ergebe sich, dass Reparaturfahrten mit und ohne Ballast vorgenommen werden dürften. Diese Ausnahmebestimmung trage nach Sinn und Zweck der Tatsache Rechnung, dass Reparaturfahrten keine Sachentransporte seien und deshalb Händlerschilder verwendet werden dürften. Wo das Auf- und Abladen geschehe, sei unerheblich. Diese Frage müsse entsprechend der Lebenswirklichkeit und der Vernunft beantwortet werden. Er habe entsprechend der Lebenswirklichkeit den Ballast in Y.________/BE und nicht bei sich zu Hause abgeladen.
1.3 Die Regelung in Art. 24 Abs. 4 VVV betreffend zulässige Sachentransporte durch mit Händlerschildern versehene schwere Motorfahrzeuge ist restriktiv auszulegen (Urteil des Bundesgerichts 6S.223/2004 vom 23. Sept. 2004, E. 2.4). In diesem den Beschwerdeführer betreffenden Entscheid hat der Kassationshof ausgeführt, der erforderliche Zusammenhang zwischen den Transporten von Fahrzeugteilen und den Reparaturen oder Umbauten sei nur gegeben, wenn die Transporte im Hinblick auf konkret anstehende Fahrzeugreparaturen oder -umbauten erfolgten. Hingegen fehle es am notwendigen Zusammenhang, wenn der Inhaber der Werkstatt Fahrzeugteile transportiere, um sie zu lagern und bei Bedarf für Fahrzeugreparaturen oder -umbauten zu verwenden. Der Transport von vier Abbruchautos falle daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 4 lit. a VVV (a.a.O., E. 2.3.2). Der Kassationshof hat ferner ausgeführt, dass als Probefahrt, bei der das Fahrzeug ausnahmsweise nicht in allen Teilen den Vorschriften entsprechen muss, nur die zum Zwecke der Abklärung des Defektes und der Kontrolle der Behebung von Mängeln notwendige Fahrt gilt (BGE 115 IV 144 E. 2b).
1.4 Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer die als Ballast mitgeführten sechs Schrottfahrzeuge unterwegs bei einem Verwertungsbetrieb abgeladen. Das gleiche Ergebnis hätte nur mit einem weiteren, ordentlichen Transport erreicht werden können, der durch dieses Vorgehen eingespart wurde. Die Reparaturfahrt diente somit gleichzeitig dem Transport von Schrottautos an einen Verwertungsbetrieb. Deshalb geht es hier entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers nicht um die Frage, wo der mitgeführte Ballast abgeladen werden darf, sondern um die Frage, ob es sich in diesem Fall noch um einen gemäss Art. 24 Abs. 4 lit. b VVV zulässigen Sachentransport gehandelt hat. Das ist zu verneinen. Als unter den erwähnten Voraussetzungen von Art. 24 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. b VVV in der vorliegenden Konstellation zulässiger Sachentransport gilt einzig das Mitführen von Ballast zur Erprobung von Fahrzeugen im Zusammenhang mit Reparaturen. Mit der Reparaturfahrt und dem mitgeführten Ballast dürfen keine anderen Zwecke verfolgt werden. Die Verbindung von Reparaturfahrt und Warenlieferung ist nach dem klaren Wortlaut von Art. 24 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Abs. 4 lit. b VVV unzulässig und stellt eine Umgehung dieser Vorschrift dar.
2.
Die nicht begründeten Anträge hinsichtlich der kantonalen Verfahrenskosten und Parteientschädigungungen betreffen nicht Fragen des Bundesrechts. Der Beschwerdeführer erhebt sie nur für den Fall der Gutheissung der Beschwerde (vgl. Beschwerde S. 10). Die Beschwerde ist indessen abzuweisen. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1 BStP).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Straf-kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Mai 2005
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: