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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 301/02
Urteil vom 16. Dezember 2003
II. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiberin Polla
Parteien
Staatssekretariat für Wirtschaft, Direktion Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung, RDTC, Effingerstrasse31, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
gegen
E.________, 1967, Beschwerdegegner,
Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
(Entscheid vom 31. Oktober 2002)
Sachverhalt:
A.
Der 1967 geborene E.________ war ab 1. März 1993 bis 31. Januar 2001 als Geschäftsführer bei der Firma X.________ tätig. Dem (beglaubigten) Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Zürich vom 21. September 2001 ist zu entnehmen, dass E.________ zudem bis am 27. April 1993 als Präsident der Firma mit Kollektivunterschrift zu zweien amtete und hernach nebst seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bis zum 14. August 2001 Mitglied des Verwaltungsrates war. Nachdem er das Arbeitsverhältnis per 31. Januar 2001 auflöste, meldete er sich am 29. Mai 2001 zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie (GBI), Zürich, setzte daraufhin gemäss den Taggeldabrechnungen vom 1. August 2001 den versicherten Verdienst für die Monate Mai, Juni und Juli 2001 auf Fr. 5'000.-- fest.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher E.________ die Festsetzung des versicherten Verdienstes auf den höchstversicherbaren Betrag von Fr. 8'900.-- beantragte, hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gut (Entscheid vom 31. Oktober 2002).
C.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es seien der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich und die Taggeldabrechnungen der Arbeitslosenkasse für die Monate Mai, Juni und Juli 2001 mangels Anspruchsberechtigung des Versicherten aufzuheben; eventuell seien die Taggeldabrechnungen vom 1. August 2001 mit einem versicherten Verdienst von Fr. 5'000.-- zu bestätigen.
Während die Arbeitslosenkasse in der Vernehmlassung als Mitinteressierte auf ihre Beschwerdeantwort im vorinstanzlichen Verfahren verweist, erneuert E.________ sein vor kantonalem Gericht gestelltes Rechtsbegehren.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügungen (hier: 1. August 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar.
1.2 Weiter gilt es in formell-rechtlicher Hinsicht festzuhalten, dass die Vorinstanz zu Recht auf die Beschwerde des Versicherten eingetreten ist. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt festgestellt hat, kommt der hier im Streit liegenden Taggeldabrechnungen der Arbeitslosenkasse trotz Fehlens formeller Entscheidmerkmale in materieller Hinsicht Verfügungscharakter zu, so dass diese in Rechtskraft erwachsen, wenn sie nicht innert angemessener Überlegungs- und Prüfungsfrist angefochten werden (BGE 129 V 111 Erw. 1.2.1 f., 125 V 476 Erw. 1, 122 V 368 Erw. 2, 121 V 53 Erw. 1; ARV 1998 Nr. 3 S. 15 Erw. 3c, 1993/1994 Nr. 25 S. 175 mit Hinweisen). Die Dauer dieser Überlegungs- und Prüfungspflicht bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalles, ist aber regelmässig länger als die 30-tägige Beschwerdefrist gegen formelle Verwaltungsverfügungen (Art. 103 Abs. 3 AVIG). Mit der im kantonalen Verfahren eingereichten Beschwerde vom 10. August 2001 (Datum Poststempel) gegen die Abrechnungen vom 1. August 2001 wurde diese Frist zweifellos eingehalten.
2.
Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob der Versicherte aufgrund seiner Organstellung als Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Aktiengesellschaft bis zur Löschung im Handelsregister am 14. August 2001 überhaupt anspruchsberechtigt war. Im angefochtenen Entscheid wurde die Frage der Höhe des versicherten Verdienstes geprüft. Der Beschwerdeführer rügt letztinstanzlich indes auch die Anspruchsberechtigung des Versicherten überhaupt. Weil es sich dabei um ein bestimmendes Element des mit der Festsetzung des versicherten Verdienstes festgelegten Rechtsverhältnisses handelt, ist dieser Aspekt grundsätzlich der richterlichen Prüfung zugänglich (BGE 125 V 415 ff. Erw. 2a-c), ohne dass damit eine unzulässige Verfahrensausdehnung vorgenommen würde (BGE 122 V 36 Erw. 2b).
2.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Nach der Rechtsprechung ist der Ausschluss der in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG genannten Personen vom Entschädigungsanspruch absolut zu verstehen. Amtet ein Arbeitnehmer als Verwaltungsrat, so ist eine massgebliche Entscheidungsbefugnis im Sinne der betreffenden Regelung ex lege gegeben, und zwar selbst dann, wenn seine Kapitalbeteiligung klein ist und er nur über die kollektive Zeichnungsberechtigung verfügt (BGE 123 V 237 mit Hinweisen).
Hinsichtlich des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung findet sich in Art. 8 ff. AVIG keine der Regelung bei Kurzarbeit entsprechende Norm. Mit Bezug auf den Anspruch der in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG genannten arbeitgeberähnlichen Personen auf Arbeitslosenentschädigung ist nach der Rechtsprechung indessen eine Überprüfung unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung möglich, wobei verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden sind. Wird ein Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit arbeitgeberähnlicher Stellung gekündigt, kann nicht von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden, wenn der Betrieb geschlossen wird, das Ausscheiden des betreffenden Arbeitnehmers mithin definitiv ist. Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Unternehmen zwar weiter besteht, der Arbeitnehmer aber mit der Kündigung endgültig auch jene Eigenschaft verliert, deretwegen er bei Kurzarbeit aufgrund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wäre. Eine grundsätzlich andere Situation liegt jedoch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach der Entlassung seine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb beibehält und dadurch die Entscheidungen des Arbeitgebers weiterhin bestimmen oder massgeblich beeinflussen kann (BGE 123 V 237 f. Erw. 7b/bb).
2.2 Das seco verneint die Anspruchsberechtigung unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (BGE 123 V 234; ARV 2000 Nr. 15 S. 72. ff. mit Hinweisen), da der Versicherte auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. Januar 2001 bis zum Austrag aus dem Handelsregister aufgrund seiner Organstellung eine arbeitgeberähnliche Funktion im Betrieb innegehabt habe. Somit hätte er auch die Entscheidungen der Aktiengesellschaft bestimmen oder zumindest massgeblich beeinflussen können. Zudem sei der Versicherte bei einer weiteren Firma, der Y.________ GmbH, als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen (Auszug vom 7. November 2002).
2.3 Die vom seco aufgeworfene Rechtsfrage ist hier anders als in den vorstehend zitierten Urteilen zu beantworten. Den beiden publizierten Fällen lag insofern in wesentlichen Punkten ein anderer Sachverhalt zugrunde, als in ARV 2000 Nr. 15 S. 72 ff. der Versicherte einziger unbeschränkt haftender Gesellschafter war, welcher die von der Arbeitslosenversicherung einverlangte Arbeitgeberbescheinigung selber unterzeichnete und auch nach seiner Beendigung des Arbeitsverhältnisses Hauptgesellschafter blieb. In BGE 123 V 234 wiederum war der Versicherte nach der Kündigung, über die er selber entschieden hatte, laut Handelsregistereintrag weiterhin Alleinaktionär und einziger Verwaltungsrat der Firma. Im vorliegenden Fall legt der Beschwerdegegner bezüglich der seit 22. Dezember 1998 im Handelsregister eingetragenen Y.________ GmbH glaubhaft dar, weder entgeltlich noch unentgeltlich für die GmbH gearbeitet zu haben, da diese Firma nie Aktivitäten entwickelte, weil sie dem ursprünglichen Gründungszweck entsprechend nicht tätig werden konnte. Damit erweist sich dieser Einwand des seco hinsichtlich einer Umgehung der Kurzarbeitsbestimmungen nicht als stichhaltig. Mit Blick auf die hier vielmehr interessierende Stellung bei der Firma X.________ steht fest, dass der Beschwerdegegner nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. Januar 2001 - gemäss Handelsregisterauszug - bis 14. August 2001 seine Funktion als Verwaltungsratsmitglied und Geschäftsführer beibehielt, wobei mit Verfügung vom 21. August 2001 der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet wurde. Der dannzumalige Präsident bestätigt am 7. Dezember 2000 gegenüber der Arbeitslosenkasse, dass der Versicherte am 31. Oktober 2000 als Geschäftsführer freigestellt worden und gleichzeitig aus dem Verwaltungsrat ausgetreten ist. Präzisierend führt der Präsident sowie ein Mitglied des Verwaltungsrates am 9. und 10. Januar 2003 im Rahmen des letztinstanzlichen Verfahrens an, dass der Beschwerdegegner nach seiner Kündigung nie mehr als Geschäftsführer der Firma tätig gewesen sei, auch in keiner anderen Funktion weitere Arbeiten für die Firma X.________ geleistet und an keiner Sitzung mehr teilgenommen habe. Man habe es versäumt, den Versicherten im Handelsregister als Geschäftsführer und Verwaltungsratsmitglied umgehend zu streichen, sodass die Eintragungen nicht mehr der aktuellen Situation nach dem 30. Oktober 2000 entsprochen hätten. Der Beschwerdegegner war zudem im zu beurteilenden Zeitraum weder Allein- noch Hauptaktionär. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Versicherte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Januar 2001 endgültig auch jene Eigenschaften verlor, derentwegen er bei Kurzarbeit aufgrund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wäre (BGE 123 V 237 Erw. 7b/bb in fine). Insbesondere behielt er seine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb nicht bei und konnte somit auch die Entscheidungen des Arbeitgebers nicht mehr bestimmen oder massgeblich beeinflussen. Mithin verlor er jegliche unternehmerische Dispositionsfreiheit, womit eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Regelung des Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG auszuschliessen und der Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung in der Zeit vom 29. Mai bis 31. Juli 2001 (BGE 121 V 366 Erw. 1b) zu bejahen ist.
3.
Des weiteren ist die Höhe des der Taggeldabrechnungen zugrunde gelegten versicherten Verdienstes streitig.
3.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Bemessung des versicherten Verdienstes (Art. 23 Abs. 1 AVIG) und die hiefür je nach Sachlage anwendbaren Bemessungszeiträume (Art. 37 Abs. 1-3 AVIV) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.2 Fest steht, dass der Beschwerdegegner gemäss Lohnausweis für die Steuererklärung im Jahr 2000 ein Salär von Fr. 60'000.-- bezog, was sich zudem auch dem Auszug aus dem individuellen Konto entnehmen lässt. Dem beschwerdegegnerischen Einwand, es handle sich dabei um die Summe der Saläre für die Monate Oktober bis Dezember 2000, sodass sich der versicherte Verdienst auf der Basis eines monatlichen Einkommens von Fr. 20'000.-- errechne und er die restlichen neun Monate unbezahlten Urlaub bezogen habe, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist, insbesondere gestützt auf das Schreiben der Arbeitgeberin vom 10. Juli 2001, mit der Arbeitslosenkasse davon auszugehen, dass es sich dabei um ein für das ganze Jahr festgelegtes Einkommen handelt. Wie die zuständige Person für Finanzen und Personal im Schreiben präzisierend ausführt, wurden wegen des schlechten Geschäftsganges die Gehaltsleistungen an den Versicherten vorläufig sistiert und Ende des Jahres aufgrund des sich abzeichnenden Geschäftsergebnisses definitiv auf Fr. 60'000.-- festgelegt. Dass der Beschwerdegegner nicht neun Monate unbezahlten Urlaub genoss, geht zudem auch aus der Arbeitgeberbescheinigung (vom 1. Juni 2001) hervor, welche auch in den Monaten August und September 2000 geleistete Arbeitsstunden aufführt. Entgegen der Vorinstanz ist damit gestützt auf Art. 37 Abs. 1 AVIV nicht von einem Verdienst von Fr. 20'000.-- im letzten Beitragsmonat (Monat Dezember 2000) vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug auszugehen. Bei einem ausgewiesenen Jahressalär von Fr. 60'000.-- ergibt sich im Jahr 2000 - mithin auch im massgebenden Beitragsmonat Dezember 2000 - ein monatliches Einkommen von Fr. 5'000.--, weshalb sich der den Bezügerabrechnungen zugrunde gelegte versicherte Verdienst von Fr. 5'000.-- als rechtens erweist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Oktober 2002 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Zahlstelle 067, Zürich, und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, zugestellt.
Luzern, 16. Dezember 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: