BGer 4C.116/2003
 
BGer 4C.116/2003 vom 16.10.2003
Tribunale federale
{T 0/2}
4C.116/2003 /lma
Urteil vom 16. Oktober 2003
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Gelzer.
Parteien
A.________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Dohner,
gegen
B.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg P. Müller.
Gegenstand
Mietverhältnis; Ausweisung,
Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 17. März 2003.
Sachverhalt:
A.
B.________ vermietete mit Vertrag vom 19. April 1999 C.________ auf der Liegenschaft X.________, eine Scheune mit Verkaufsraum sowie zirka zwölf Autoabstellplätze. Der Mietzins betrug Fr. 24'000.-- pro Jahr. In Ziffer 27 des Vertrages wurde festgehalten, dem Mieter sei bekannt, dass es sich bei der Scheune um ein Abbruchobjekt handle.
Mit Vertrag vom 25. April 2000 vermietete der Mieter auf der von ihm gemieteten Liegenschaft A.________ als Untermieter einen Imbissstandplatz zu einem monatlichen Mietzins von Fr. 800.--. Im Untermietvertrag wurde vereinbart, dass er frühestens auf den 1. Mai 2005 kündbar sei und der Untermieter bei einer früheren Auflösung den Mietvertrag mit dem Eigentümer weiterführen könne. Gemäss einer nachträglichen mündlichen Vereinbarung hat der Mieter dem Untermieter für monatlich Fr. 200.-- zusätzlich einen Lagerraum in der Scheune untervermietet.
Am 19. März 2002 kündigte der Vermieter den Mietvertrag mit amtlichem Formular wegen Abbruchs der Scheune und Realisierung eines Neubauprojektes auf den 1. Oktober 2002. Daraufhin kündigte der Mieter am 21. März 2002 dem Untermieter den Untermietvertrag mit amtlichen Formular auf den gleichen Termin.
Der Untermieter focht die Kündigung des Mieters am 23. April 2002 bei der Schlichtungsbehörde von Uster an und stellte dem Sinne nach die Begehren, es sei festzustellen, dass das Untermietverhältnis betreffend den Imbissstandplatz sowie den Lagerraum auf den streitberufenen Vermieter übergegangen sei und es sei die Kündigung des Mieters für ungültig zu erklären; eventualiter sei festzustellen, dass diese Kündigung erst auf den 30. September 2005 gültig sei; subeventualiter sei das Mietverhältnis angemessen zu erstrecken. Zur Begründung machte der Untermieter insbesondere geltend, der Untermietvertrag habe der Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz gedient, weshalb der Vermieter bei der Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Mieter gemäss Art. 273b Abs. 2 OR von Gesetzes wegen an dessen Stelle in den Untermietvertrag eingetreten sei.
Mit Beschluss vom 12. August 2002 wies die Schlichtungsbehörde das Hauptbegehren des Untermieters ab und hiess das Eventualbegehren gut und stellte demnach fest, dass die Kündigung des Mieters erst auf den 30. September 2005 gültig sei. Mit Eingabe vom 30. September 2002 erhob der Untermieter beim Mietgericht des Bezirks Uster gegen den Mieter und den Vermieter Klage, mit der er die bereits vor der Schlichtungsbehörde gestellten Anträge erneuerte.
B.
Ebenfalls mit Eingabe vom 30. September 2002 klagte der Vermieter (nachstehend: Kläger) beim Einzelrichter des Bezirks Uster auf Ausweisung des Untermieters (nachstehend: Beklagter). In diesem Verfahren schlossen die Parteien an der Verhandlung vom 29. Oktober 2002 einen Vergleich ab, der jedoch vom Beklagten mit Eingabe vom 8. November 2000 widerrufen wurde.
Mit Verfügung vom 17. Dezember 2002 hiess der Einzelrichter das Ausweisungsbegehren im summarischen Verfahren gut und befahl dem Beklagten unter Androhung des Zwangsvollzugs im Unterlassungsfall, den Imbissstandplatz und den Lagerraum in der Scheune auf der Liegenschaft X.________, per sofort zu räumen und zu verlassen. Zudem wurde das Stadtammannamt Dübendorf angewiesen, diesen Befehl (nach Eintritt der Rechtskraft) auf erstes Verlangen des Klägers zu vollstrecken, nötigenfalls unter Beizug der Polizei, wobei der Kläger die Vollstreckungskosten vorzuschiessen habe, welche ihm vom Beklagten zu ersetzen seien. Zur Begründung führte der Einzelrichter an, die Kündigungsschutzbestimmungen über Wohn- und Geschäftsräume gelangten nicht zur Anwendung, da der Standplatz als Hauptmietobjekt keine abgeschlossene Räumlichkeit sei. Damit könne offen bleiben, ob ein Umgehungstatbestand gemäss Art. 273b Abs. 2 OR vorliege.
Der Beklagte rekurrierte gegen die Verfügung des Einzelrichters vom 17. Dezember 2002 an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses wies den Rekurs mit Beschluss vom 17. März 2003 ab und bestätigte die angefochtene Verfügung. Das Obergericht ging entgegen der Annahme des Einzelrichters davon aus, die Bestimmungen über die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen kämen zur Anwendung. Es kam jedoch zum Ergebnis, es liege kein Umgehungstatbestand im Sinne Art. 273b Abs. 2 OR vor.
Eine gegen den Beschluss des Obergerichts gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 16. Juli 2003 abgewiesen, soweit es darauf eintrat.
C.
Der Beklagte hat gegen den Beschluss des Obergerichts vom 17. März 2003 auch eine eidgenössische Berufung erhoben. Damit stellt er die Anträge, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht einzutreten; eventuell sei sie abzuweisen.
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen ob und inwieweit auf ein bei ihm eingereichtes Rechtsmittel eingetreten werden kann (BGE 125 I 412 E. 1a S. 414; 125 II 29 E. 1a S. 299)
1.1 In Zivilrechtsstreitigkeiten ist abgesehen von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen (Art. 45 OG) die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 8'000.-- beträgt (Art. 46 OG). Wird die Gültigkeit einer Kündigung bestritten, so berechnet sich der Streitwert aufgrund des Zeitraumes, während dem der Vertrag fortdauern würde, wenn die Kündigung nicht gültig wäre. Dieser Zeitraum erstreckt sich bis zum Zeitpunkt, auf den eine weitere Kündigung ausgesprochen worden ist oder erfolgen könnte (BGE 111 II 384 E. 1 S. 386 E. 1, bestätigt im Urteil des BGer. 4C.258/1993 vom 23. September 1993, E. 1). Der Beklagte als Untermieter widersetzt sich der Ausweisung, weil er von der Möglichkeit der Anfechtung der Kündigung auf den 1. Oktober 2002 Gebrauch machen will und sich dabei auf einen bis zum 1. Mai 2005 unkündbaren Untermietvertrag stützt. Der Streitwert gemäss Art. 46 OG ist damit erreicht, weil sich der Mietzins von monatlich Fr. 1'000.-- im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis zum 1. März 2005 auf Fr. 31'000.-- beläuft. Die übrigen Voraussetzungen für das generelle Eintreten auf die Berufung sind unter dem Vorbehalt der Zulässigkeit einzelner Rügen ohne weiteres gegeben.
1.2 Im Berufungsverfahren hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als wahr und vollständig zu Grunde zu legen, es sei denn, sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen, seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zu Stande gekommen oder bedürften der Ergänzung, weil das Sachgericht in fehlerhafter Rechtsanwendung einen gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend klärte, obgleich ihm entscheidwesentliche Behauptungen und Beweisanträge dazu prozesskonform unterbreitet worden waren (Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG; BGE 123 III 110 E. 2). Eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung des Sachgerichts ist, soweit nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, in der Berufung ausgeschlossen (BGE 120 II 97 E. 2b).
1.3 Erörterungen über die Verletzung kantonalen Rechts sind im Berufungsverfahren unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Auf die Rüge, das Obergericht habe verkannt, dass keine liquiden Verhältnisse im Sinne von Art. 222 Ziff. 2 der Zürcher Zivilprozessordnung vorgelegen hätten, weshalb es die Zulässigkeit des Befehlsverfahrens zu Unrecht bejaht habe, ist daher nicht einzutreten.
1.4 Mit Berufung können keine neuen Tatsachen vorgebracht werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Die Vorbringen des Beklagten, wonach der Untervermieter noch immer im Besitz des Mietobjektes sei und der Nachfolgemieter das Mietverhältnis noch nicht angetreten habe, sind neu und demnach unbeachtlich.
1.5 Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte kann mit der Berufung nicht gerügt werden, da insoweit die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten ist (Art. 43 Abs. 1 OG). Auf die Berufung ist daher nicht einzutreten, soweit der Beklagte implizit eine Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, wenn er ausführt, das Obergericht habe von ihm vorgebrachte Argumente nicht geprüft.
2.
2.1 Der Abschnitt über den Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 271 ff. OR) gilt für die Untermiete grundsätzlich nur, so lange das Mietverhältnis nicht aufgelöst ist (Art. 273b Abs. 1 OR). Dem Untermieter wird jedoch ohne Rücksicht auf das Hauptmietverhältnis Kündigungsschutz gewährt, wenn die Untermiete hauptsächlich die Umgehung der Vorschriften über den Kündigungsschutz bezweckt (Art. 273b Abs. 2 Satz 1). Dies trifft nicht auf jede vertragliche Konstruktion zu, die eine Ausschaltung bestimmter Kündigungsschutzbestimmungen bewirken kann. Erforderlich ist vielmehr, dass die Beseitigung des Kündigungsschutzes der hauptsächliche Zweck einer Umgehungskonstruktion oder -abrede ist (Urteil des BGer. 4C.300/2000 vom 29. März 2001, E. 3c/aa). Trifft dies zu, so tritt der Vermieter, der das Hauptmietverhältnis gekündigt hat, von Gesetzes wegen an Stelle des Mieters in den Vertrag mit dem Untermieter ein (Art. 273b Abs. 2 Satz 2 OR).
2.2 Das Obergericht kam zum Ergebnis, die vom Beklagten angerufenen Umstände liessen nicht darauf schliessen, dass im Zeitpunkt der Begründung des Untermietverhältnisses oder bei dessen Kündigung Abreden zwischen dem Vermieter und dem Mieter hauptsächlich zur Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen gegenüber dem Untermieter getroffen worden seien. Der Kläger sei daher nicht gemäss Art. 273b Abs. 2 OR in den Untermietvertrag des Beklagten eingetreten, weshalb dieser gegenüber dem Kläger keinen Kündigungsschutz beanspruchen könne.
2.3 Der Beklagte rügt, das Obergericht habe Art. 8 ZGB verletzt, da es zu Unrecht angenommen habe, ihn würde bezüglich des Umgehungstatbestandes gemäss Art. 273b Abs. 2 OG eine Beweispflicht treffen. Diese Rüge ist unbegründet, da der Beklagte, der Rechte aus der Umgehungsabsicht des Klägers ableitet, diese Absicht gemäss Art. 8 ZGB zu beweisen hat.
2.4 Alsdann macht der Beklagte dem Sinne nach geltend, das Obergericht habe die Untersuchungsmaxime gemäss Art. 274d Abs. 3 OR verletzt, da es bezüglich der Umgehungsabsicht in tatsächlicher Hinsicht keine tieferen Abklärungen vorgenommen habe.
Für Verfahren bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen schreibt Art. 274d Abs. 3 OR den Schlichtungsbehörden und Gerichten vor, dass sie den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen haben, wobei ihnen die Parteien alle für die Beurteilung des Streitfalls notwendigen Unterlagen vorzulegen haben. Aus dieser Mitwirkungspflicht der Parteien ergibt sich, dass Art. 274d Abs. 3 OR keine umfassende Untersuchungsmaxime vorschreibt. Das Gericht hat lediglich seine Fragepflicht auszuüben, die Parteien auf ihre Mitwirkungspflicht sowie das Beibringen von Beweisen hinzuweisen. Zudem hat es sich über die Vollständigkeit der Behauptungen und Beweise zu versichern, wenn diesbezüglich ernsthafte Zweifel bestehen. Die richterliche Initiative geht insoweit nicht über eine Aufforderung an die Parteien hinaus, Beweismittel zu nennen und beizubringen (BGE 125 III 231 E. 4a S. 238 f.). Dass eine solche Aufforderung erforderlich gewesen sei, macht der Beklagte zu Recht nicht geltend, da er anwaltlich vertreten war und das Obergericht von seiner Sachverhaltsdarstellung ausging. Eine Verletzung von Art. 274d Abs. 3 OR ist daher zu verneinen.
2.5 Weiter macht der Beklagte zusammengefasst geltend, das Obergericht habe aus den unbestrittenen Umständen auf eine Umgehungsabsicht schliessen müssen. Damit übt der Beklagte unzulässige Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung (vgl. E. 1.2). Inwiefern das Obergericht von einem falschen rechtlichen Verständnis von Art. 273 Abs. 2 OR ausgegangen sein soll, legt der Beklagte nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Das Obergericht hat demnach kein Bundesrecht verletzt, wenn es annahm, der Kläger sei nicht gemäss Art. 273 Abs. 2 OR in das Untermietverhältnis eingetreten. Der Beklagte konnte daher nach der Beendigung des Hauptmietverhältnisses als Untermieter keinen Kündigungsschutz beanspruchen, weshalb das definitiv beendigte Untermietverhältnis während des Gerichtsverfahrens nicht gemäss Art. 270e lit. b OR weiterbesehen konnte und sich für den Ausweisungsrichter entgegen der Meinung des Beklagten die Frage der Kompetenzattraktion im Sinne von Art. 274g OR nicht stellte (vgl. Weber, Basler Kommentar, 3. Aufl., N. 5 zu Art. 274g OR).
3.
Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.
3.
Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Oktober 2003
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: