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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
2A.179/2003 /bie
{T 0/2}
Urteil vom 7. August 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
Parteien
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Galligani, Ruederstrasse 8,
5040 Schöftland,
gegen
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Rathaus, 4500 Solothurn,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, Postfach 157, 4502 Solothurn.
Gegenstand
Familiennachzug,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 17. März 2003.
Sachverhalt:
A.
A.________, geb. 1960, aus dem Kosovo stammend, heiratete 1985 in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien eine Landsfrau, B.________. Mit ihr hat er zwei Kinder, nämlich den Sohn C.________ (geb. 1985) und die Tochter D.________ (geb. 1988). Die Ehe wurde am 13. Mai 1996 geschieden, wobei gemäss Scheidungsurteil die beiden Kinder "zu Erziehung und Betreuung" dem Vater zugesprochen wurden.
Bereits 1996 weilte A.________ als Saisonnier in der Schweiz. Seine beiden Kinder blieben in der Heimat zurück. Am 4. Juli 1997 heiratete A.________ die Schweizer Bürgerin E.________. Aufgrund dieser Heirat erhielt er die Aufenthaltsbewilligung. Seit dem 30. Mai 2002 ist A.________ im Besitz der Niederlassungsbewilligung. Von seiner schweizerischen Ehefrau lebt er getrennt.
B.
Am 15. Juli 2002 stellte A.________ im Kanton Solothurn ein Gesuch um Nachzug seiner beiden Kinder C.________ und D.________. Er machte im Wesentlichen geltend, seine Kinder seien nunmehr auf sich allein gestellt, weil die Grossmutter, welche bisher die Betreuung übernommen habe, gestorben sei.
Nachdem das Amt für öffentliche Sicherheit (Abteilung Ausländerfragen) A.________ verschiedene Fragen zur Beantwortung unterbreitet und u.a. das Einverständnis der schweizerischen Ehefrau zum Familiennachzug eingeholt hatte, wies das Departement des Innern das entsprechende Gesuch mit Verfügung vom 19. Dezember 2002 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn bestätigte diesen Entscheid am 17. März 2003 auf Beschwerde hin.
C.
A.________ führt mit Eingabe vom 21. April 2003 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 17. März 2003 aufzuheben und den Nachzug seiner beiden Kinder C.________ und D.________ zu bewilligen.
Das Amt für öffentliche Sicherheit (Abteilung Ausländerfragen) beantragt für das Departement des Innnern, die Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung beantragt ebenfalls, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichts-beschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheiden die zuständigen Behörden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrages berufen (BGE 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148; 127 II 60 161 E. 1a, S. 164, je mit Hinweisen).
1.2 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder unter 18 Jahren Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammen wohnen. C.________ und D.________ waren im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt (BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262), noch nicht 18 Jahre alt. Da der Beschwerdeführer die Niederlassungsbewilligung besitzt und die nachzuziehenden Kinder bei ihm wohnen sollen, besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf Familiennachzug, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist. Der Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 103 lit. a OG).
1.3 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).
1.4 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichts-beschwerde das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 127 II 264 E. 1b S. 268, mit Hinweisen).
2.
2.1 Zweck des Familiennachzugs ist es, das Leben in der Familiengemeinschaft zu ermöglichen. Der Gesetzeswortlaut (Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG, vgl. E. 2) verdeutlicht, dass die rechtliche Absicherung des Zusammenlebens der Gesamtfamilie angestrebt wird: Verlangt ist ausdrücklich, dass die Kinder mit ihren Eltern (Plural) zusammen wohnen werden. Auch die innere Systematik von Art. 17 Abs. 2 ANAG geht vom Zusammenleben mit Mutter und Vater aus. Die Nachzugsregelung ist mithin auf Familien zugeschnitten, in denen die (leiblichen) Eltern einen gemeinsamen ehelichen Haushalt führen (BGE 129 II 11 E. 3.1.1 S. 14; 126 II 329 E. 2a S. 330, je mit Hinweisen).
2.2 Hinsichtlich der Anerkennung eines Anspruches auf nachträglichen Familiennachzug im Lichte von Art. 17 ANAG unterscheidet die bundesgerichtliche Rechtsprechung daher zwischen zusammenlebenden Eltern und getrennt lebenden Eltern (BGE 126 II 329 ff.). Nach der Rechtsprechung ist der nachträgliche Familiennachzug durch Eltern, die sich beide in der Schweiz niedergelassen haben und einen gemeinsamen ehelichen Haushalt führen, möglich, ohne dass besondere stichhaltige Gründe die beabsichtigte Änderung des Betreuungsverhältnisses rechtfertigen müssen. Innerhalb der allgemeinen Schranken von Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG ist somit der Nachzug von gemeinsamen Kindern grundsätzlich jederzeit zulässig; vorbehalten bleibt einzig das Rechtsmissbrauchsverbot (BGE 126 II 329 E. 3b S. 332). Hingegen ist die Praxis auf Grund der unterschiedlichen familiären Situation wesentlich restriktiver, wenn der nachträgliche Familiennachzug von Kindern getrennter bzw. geschiedener Eltern in Frage steht.
2.3 Sind die Eltern voneinander getrennt oder geschieden und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland auf, kann es nicht um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehen. In solchen Fällen entspricht es dem Gesetzeszweck nicht, einen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug der Kinder anzunehmen (BGE 125 II 585 E. 2a S. 586). Der nachträgliche Nachzug eines Kindes setzt diesfalls voraus, dass eine vorrangige Bindung des Kindes zum in der Schweiz lebenden Elternteil nachgewiesen ist und besondere stichhaltige familiäre Gründe, zum Beispiel eine Änderung der Betreuungsmöglichkeiten, dieses Vorgehen rechtfertigen (BGE 129 II 11 E. 3.1.3 S. 15; 126 II 329 E. 2a und 3b S. 330/332).
Solche Gründe dürfen nicht leichthin bejaht werden. Es gelten hohe Beweisanforderungen (vgl. BGE 124 II 361 E. 4c S. 370/371); an den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland sind - zumal es aus integrationspolitischer Sicht nicht erwünscht ist, dass Jugendliche erst kurz vor Erreichung der Altersgrenze in die Schweiz geholt werden (Urteil 2A.34/2002 vom 22. Mai 2002, E. 3.4) - umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das Kind ist bzw. je grösser die ihm in der Schweiz drohenden Integrationsschwierigkeiten sind.
3.
3.1 Das Verwaltungsgericht hat erwogen, der Beschwerdeführer habe sich bei der Scheidung von seiner ersten Ehefrau zwar das Sorgerecht über seine beiden Kinder übertragen lassen. Er sei aber in die Schweiz gereist, um mit seiner zweiten Ehefrau zusammen zu leben; die Kinder seien bei der Grossmutter geblieben. In der Heimat hätten die beiden Kinder zwei Mal wöchentlich zu ihrer Mutter Kontakt, wogegen der Beschwerdeführer bisher bloss vier Mal in den Kosovo gereist sei. Die engere Beziehung bestehe daher zur Mutter. Daran habe sich auch mit dem Tod der Grossmutter nichts geändert; dies zumal deshalb, weil wohl eher die Kinder die Grossmutter betreut hätten, als umgekehrt. C.________ und D.________ bedürften keiner intensiven Betreuung mehr; sie würden im Kosovo zur Schule gehen und seien dort verwurzelt. Es bestehe kein Anlass, dies zu ändern.
3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, auf den Todesfall der Grossmutter habe er sogleich reagiert und den Nachzug seiner Kinder wegen der Änderung der Betreuungssituation beantragt. Müssten C.________ und D.________ im Kosovo bleiben, so käme als einzig denkbare Betreuungsperson seine Schwägerin in Frage, welche ihrerseits sieben Kinder habe und aufgrund dieser Situation keine adäquate Hilfe bieten könne. In der Schweiz hingegen könnten die Kinder zusammen mit ihm aufwachsen, lebe er doch zusammen mit seiner Schwester, die ihrerseits drei Kinder habe, im gleichen Haushalt. Die sporadischen Kontakte zur Mutter vermöchten keine vergleichbare Lösung darzustellen; der Nachzug sei für das Kindeswohl deshalb erforderlich. Er, der Beschwerdeführer, habe alle seine Ferien bei den Kindern verbracht und ständigen Kontakt zu ihnen gewahrt, wobei er sie auch finanziell unterstützt habe.
3.3 Aufgrund des angefochtenen Urteils ist nicht ganz klar, durch wen die beiden Kinder des Beschwerdeführers bisher betreut worden sind. Sie lebten bei ihrer Grossmutter väterlicherseits, welche im Jahre 2002 gestorben ist (vgl. die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 3. September 2002: "Meine Mutter [Grossmutter der Kinder] war alleine im Haus. So musste jemand bei ihr sein. Deshalb blieben die Kinder bei der Grossmutter"). Sie hatten zudem - wie heute auch noch - regelmässigen Kontakt zu ihrer Mutter und zu einer Tante, was der Beschwerdeführer selber zugesteht. Die Feststellung im angefochtenen Urteil, wonach eher die Kinder die Grossmutter betreut haben als umgekehrt, wird in der Beschwerdeschrift (welche einräumt, dass ein Zusammenleben auch anderen Zwecken dienen kann als der Betreuung, [vgl. S. 7]) nicht ernsthaft bestritten. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach der Tod der Grossmutter die Betreuungssituation für die beiden damals 14- bzw. 17-jährigen Kinder nicht entscheidend verändert habe, lässt sich insoweit nicht beanstanden, auch wenn nicht restlos klar ist, durch wen die Betreuung der Kinder in ihrem Heimatland bisher erfolgte und wie sie seit dem Tod der Grossmutter weiterhin wahrgenommen wird bzw. werden kann. Immerhin erwähnt der Beschwerdeführer selber seine Schwägerin als in Frage kommende Betreuungsperson (vgl. S. 6 der Beschwerdeschrift), und er antwortete auf die Frage, ob seine Kinder noch Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter hätten, mit "Ja (2x die Woche)". Dass eine altersgerechte Betreuung von C.________ und D.________ in ihrem Heimatland nicht mehr sichergestellt wäre, ist jedenfalls nicht dargetan. Sache des Beschwerdeführers wäre es gewesen, darzulegen, weshalb die Notwendigkeit eines nachträglichen Familiennachzuges zum ausgewanderten Vater gegeben sein soll. Die Anforderungen an die Stichhaltigkeit der Gründe sind umso höher, je fortgeschrittener das Alter der nachzuziehenden Kinder ist (vgl. E. 2.3). Die kantonale Behörde weist in diesem Zusammenhang im Übrigen zu Recht darauf hin, dass die Integration von C.________ und D.________ aufgrund ihres Alters auf erhebliche Schwierigkeiten stossen dürfte.
Der Schluss des Verwaltungsgerichts, es sei keine Änderung der Betreuungsverhältnisse dargetan, welche den Nachzug der beiden Kinder rechtfertigen könne, lässt sich nach dem Gesagten nicht beanstanden. Dass der Beschwerdeführer seinerzeit formell das Sorgerecht über die Kinder erhalten hatte, kann nicht entscheidend sein, nachdem er die tatsächliche Betreuung während langer Zeit nicht selber wahrgenommen hat.
4.
Art. 8 Ziff. 1 EMRK, der den Schutz des Familienlebens garantiert (vgl. dazu ausführlich BGE 127 II 60 E. 1d/aa S. 64 f., mit Hinweisen), wird zu Recht nicht als verletzt gerügt. Für seinen Sohn, der inzwischen volljährig geworden ist, kann sich der Beschwerdeführer nicht mehr auf die erwähnte Konventionsnorm berufen, da hiefür auf den heutigen Zeitpunkt abzustellen ist (BGE 129 II 11 E. 2 S. 13; 120 Ib 257 E. 1f S. 262). Dass ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorliege, welches dem Sohn nach Erreichen der Volljährigkeit allenfalls einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 8 EMRK verschaffen könnte, wird nicht behauptet. Was schliesslich die noch minderjährige Tochter D.________ betrifft, ist nicht dargetan, dass sie zum Vater die vorrangige familiäre Beziehung unterhält und sich der Nachzug zu deren Pflege als notwendig erweist (was das Nachzugsrecht nach Art. 8 EMRK ebenfalls voraussetzt [vgl. BGE 125 II 629 E. 3a S. 640]).
5.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement des Innern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. August 2003
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: