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Original
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 230/01
Urteil vom 13. Februar 2003
III. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Signorell
Parteien
Staatssekretariat für Wirtschaft, Abteilung Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung, Bundesgasse 8, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
gegen
I.________, 1969, Beschwerdegegner,
Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
(Entscheid vom 22. Mai 2001)
Sachverhalt:
A.
Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen stellte den 1969 geborenen I.________ mit Verfügung vom 17. März 1999 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für die Dauer von 38 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Juli 2000 gut. Im Wesentlichen mit der Begründung, eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei nur dann möglich, wenn der Versicherte ein vorsätzliches oder eventualvorsätzliches Verhalten an den Tag gelegt habe und damit eine Kündigung in Kauf genommen habe, was vorliegend nicht zutreffe.
Mit Urteil vom 26. Januar 2001 hob das Eidgenössisches Versicherungsgericht den kantonalen Entscheid auf und wies die Sache an die Vorinstanz zurück, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Beschwerde neu entscheide.
Nachdem sich das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Schreiben vom 7. März 2001 mit einem Fragenkatalog an den ehemaligen Arbeitgeber gewandt und dieser am 9. März 2001 geantwortet hatte, hiess es die Beschwerde mit Entscheid vom 22. Mai 2001 erneut gut.
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) die Aufhebung des kantonalen Entscheides.
I.________ und die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Versicherte Personen, die durch eigenes Verschulden arbeitslos werden, sind in der Anspruchsberechtigung einzustellen (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG). Gemäss Art. 44 Abs. 1 AVIV (in der seit 1. Januar 1997 gültigen Fassung) liegt selbstverschuldete Arbeitslosigkeit u.a. vor, wenn der Versicherte durch sein Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (lit. a). Im vorliegenden Zusammenhang ist sodann die Bestimmung der Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 (nachfolgend: Übereinkommen; SR 0.822.726.8) zu beachten, welches für die Schweiz seit dem 17. Oktober 1991 in Kraft steht (vgl. BGE 124 V 234). Danach ist eine Einstellung dann zulässig, wenn die zuständige Stelle festgestellt hat, dass der Betreffende vorsätzlich zu seiner Entlassung beitragen hat. Dies ist bei der Anwendung von Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV zu berücksichtigen (Urteil M. vom 17. Oktober 2000 [C 53/00]). Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene ATSG modifiziert diese Rechtslage nicht und ist im Übrigen intertemporalrechtlich nicht anwendbar.
2.
2.1 I.________ trat am 1. März 1995 ein bis zum 1. März 1996 befristetes Arbeitsverhältnis als Hilfskoch im Restaurant Z.________ an. Dabei wurde mit Vertrag vom 8. März 1995 u.a. vereinbart, dass die Ferien (5 Wochen) im Frühling und Spätherbst gewährt würden. Am 25. Februar 1996 schlossen die Parteien einen unbefristeten Vertrag, der über den Ferienbezug keine Regelung mehr enthielt. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1999 unterbreitete der Arbeitgeber einen neuen Vertrag mit der Bestimmung, dass in den Monaten Juli, August und September keine Ferien bezogen werden können. Da es zu keiner Unterzeichnung kam, löste der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der einmonatigen Kündigungsfrist per 31. Januar 1999 auf. Am 2. Februar 1999 meldete sich I.________ bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug ab 1. Februar 1999 an. Mit Verfügung vom 17. März 1999 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons St. Gallen ihn mit Wirkung ab 1. Februar 1999 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 38 Tage in der Anspruchsberechtigung ein.
2.2 Die Verwaltung ging davon aus, dass dem Versicherten eine Ferienregelung angeboten worden sei, die jener des ersten befristeten Arbeitsvertrags vom 8. März 1995 entsprochen habe. Eine Unzumutbarkeit der Arbeitsstelle sei deshalb nicht nachzuweisen, weshalb ein Verbleib an der bisherigen Stelle bis zum Finden einer anderen Anstellung zumutbar gewesen sei. Das Verschulden wiege schwer und sei mit einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung für 38 Tage zu sanktionieren.
Die Vorinstanz erwog demgegenüber zusammengefasst, der Arbeitgeber habe in seiner Stellungnahme vom 9. März 2001 ausdrücklich erklärt, im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen sei nie von einer Kündigung gesprochen worden. Man habe aber den Eindruck gehabt, der Arbeitnehmer habe die Vertragsverweigerung dazu benutzt, den Betrieb verlassen zu können. Dieser Darstellung widerspreche jedoch seine weitere Aussage, unter den Vertragsparteien habe ein gutes Verhältnis geherrscht, die Leistungen des Arbeitnehmers seien gut gewesen (Lohnerhöhung) und aus Goodwill seien 1995 und 1996 Ferien im Sommer bewilligt worden. Dem nachvollziehbaren Wunsch, gelegentlich ein freies Wochenende zu haben, sei konkret nicht mit einer Kündigungsandrohung begegnet worden. Auch wenn dem Versicherten habe klar sein müssen, dass seine Anwesenheit in bestimmten Zeiten für den reibungslosen Ablauf des Geschäftsganges notwendig sei, habe er im Hinblick auf die Situation in den Vorjahren nicht von einer bindenden oder ausnahmslos zu beachtenden Regelung des Ferienbezuges im Vertrag ausgehen müssen. Unter diesen Umständen sei nicht erstellt, dass der Arbeitnehmer mit seiner Weigerung, den neuen Vertrag diskussionslos zu unterzeichnen, eine Kündigung eventualvorsätzlich in Kauf genommen habe. Einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung stehe das Übereinkommen entgegen.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht das seco geltend, gemäss Art. 329C OR habe der Arbeitgeber das Recht, unter Rücksichtnahme auf die Wünsche des Arbeitnehmers den Zeitpunkt der Ferien zu bestimmen. Die Tatsache, dass der Zeitpunkt des Ferienbezugs im Vertrag hätte geregelt werden sollen, offenbare das Gewicht, das der Arbeitgeber einer verbindlichen Regelung zugemessen habe. Dass der Versicherte zudem als Vertreter des Chefs amtete, unterstreiche die Bedeutung der beabsichtigten Regelung. Gerade einer Person, deren Anwesenheit in bestimmten Zeiten für einen reibungslosen Geschäftsablauf unabdingbar sei, müsse klar sein, dass eine diesbezügliche explizite Regelung aus betriebsspezifischen Gründen notwendig sei und darauf nicht verzichtet werden könne. Dem Versicherten seien drei Vorschläge zur Regelung unterbreitet worden, die er schliesslich alle abgelehnt habe. Wer aber mehrere Vorschläge ablehne, der müsse mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen. Die Argumentation der Vorinstanz, dass vorgängig nie eine Kündigung in Aussicht gestellt worden sei, sei unbehelflich. Denn auch ohne eine solche habe er damit rechnen müssen. Damit liege ein eventualvorsätzliches Handeln vor, was eine Sanktion wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit zulasse.
3.
3.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend festgestellt hat, stand der Vertragsentwurf mit dem Gesetz und dem Gesamtarbeitsvertrag im Einklang, weshalb die Neuregelung des Arbeitsverhältnisses zumutbar war. Dessen Nichtannahme war einziger Grund für die Kündigung. Diesbezüglich wird auf die Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid verwiesen.
3.2 Die Vorinstanz ging davon aus, der Ferienbezug sei bis anhin stets im Einvernehmen, nach Absprache, geregelt und dem Arbeitnehmer sei nicht in Aussicht gestellt worden, dass eine Verweigerung der neuen Ferienregelung zwingend zur Entlassung führen werde. Damit sei aber ein (eventual-)vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Bereits während der Geltung des ersten (befristeten) Vertrags (1995/96) konnten Ferien nur im Frühling oder Spätherbst bezogen werden. Im anschliessenden (unbefristeten) Vertrag vom 25. Februar 1996 fand der Ferienbezug keine ausdrückliche Regelung mehr. Auf den 1. Januar 1999 unterbreitete der Arbeitgeber sämtlichen Angestellten einen neuen, dem LGAV 98 angepassten Arbeits- und Verpflegungsvertrag. I.________ wurde einerseits eine Lohnerhöhung angeboten. Andererseits sollte der Bezug der Ferien (Sperre für die Monate Juli und August) wieder schriftlich fixiert werden. Der laufende Vertrag hatte sich diesbezüglich aus der Sicht des Betriebsinhabers offenbar nicht bewährt. Dem Versicherten konnte während seiner dreijährigen Tätigkeit nicht verborgen bleiben, dass die Sommermonate und die Wochenenden die umsatzstärksten Betriebszeiten waren und dass er als einziger Betriebsangehöriger während der Hochsaison Ferien beziehen wollte und konnte. Daraus erhellt ohne weiteres die Bedeutung der Vertragsanpassung für den Arbeitgeber. Wenn dem Beschwerdegegner drei Vorschläge unterbreitet wurden, so verdeutlicht dies einerseits seine Wertschätzung als Angestellter, unterstreicht aber andererseits die erhebliche Bedeutung dieses Vertragspunktes. Umso mehr überrascht, dass er das Gespräch über diesen offenen Punkt nicht suchte. Unter diesen Umständen musste I.________ sich bewusst sein, dass bei Ablehnung eines angepassten Vertrages eine Kündigung erfolgen könnte, was er in Kauf nahm. Damit ist ein zumindest eventualvorsätzliches Verhalten gegeben.
3.3 Bezüglich der Dauer der Einstellung hat die Verwaltung in ihrer Verfügung vom 17. März 1999 ein schweres Verschulden (Art. 45 Abs. 4 AVIV) angenommen und im hiefür geltenden Rahmen von 31 bis 60 Tagen (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV in der seit 1. Januar 1997 gültigen Fassung) die Sanktion an der unteren Grenze auf 38 Tage festgesetzt.
Der Beschwerdegegner war während seiner Anstellung klaglos und zur Zufriedenheit des Arbeitgebers tätig. Die Vertragsauflösung erfolgte denn auch aus dem einzigen Grund, dass über die zeitliche Situierung des Ferienbezuges keine Einigung erzielt werden konnte. Er muss sich vorwerfen lassen, das Gespräch über diesen zentralen, offenen Punkt nicht gesucht und Hand zu einer für den Arbeitgeber akzeptablen Lösung geboten zu haben. Der Beschwerdegegner hat seinen Wert für den Arbeitgeber (der durch eine Lohnerhöhung und die Unterbreitung von Varianten dokumentiert worden war) über- und die Gegebenheiten des Arbeitsmarktes unterschätzt. Dieses Verhalten war fehlerhaft, bedeutet indessen bei den gegebenen Umständen kein schweres Verschulden. Gerechtfertigt und angemessen ist daher eine erheblich geringere Einstellung in der Anspruchsberechtigung.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Mai 2001 und die Verfügung der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen vom 17. März 1999 insoweit abgeändert, als der Beschwerdegegner für die Dauer von 19 Tagen in der Anspruchsberechtigung eingestellt wird.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen und dem Amt für Arbeit, St. Gallen, zugestellt.
Luzern, 13. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: