BGer C 3/2002
 
BGer C 3/2002 vom 06.02.2003
Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
C 3/02
Urteil vom 6. Februar 2003
II. Kammer
Besetzung
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Polla
Parteien
B.________, 1969, Beschwerdeführerin,
gegen
Arbeitsamt Graubünden, Grabenstrasse 8, 7001 Chur, Beschwerdegegner
Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur
(Entscheid vom 26. Oktober 2001)
Sachverhalt:
A.
Die zuletzt als Zimmermädchen/Lingeriemitarbeiterin tätig gewesene B.________ (geboren 1969) meldete sich am 1. Mai 2001 erneut zum Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung an. Mit Verfügung vom 11. Juli 2001 stellte sie das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) des Kantons Graubünden wegen Ablehnung zumutbarer Arbeit ab 30. Mai 2001 für die Dauer von 20 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 26. Oktober 2001 ab.
C.
B.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Rechtsbegehren um Aufhebung der Einstellung in der Anspruchsberechtigung.
Das KIGA und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Nichtbefolgung der Kontrollvorschriften oder der Weisungen des RAV, namentlich bei Nichtannahme einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit (Art. 30 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 16 AVIG), und die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 und 3 AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
Zu bekräftigen ist, dass gemäss Rechtsprechung der Einstellungstatbestand der Nichtannahme einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit auch dann erfüllt ist, wenn die versicherte Person die Arbeit zwar nicht ausdrücklich ablehnt, es aber durch ihr Verhalten in Kauf nimmt, dass die Stelle anderweitig besetzt wird. Richtig ist auch der vorinstanzliche Hinweis, dass arbeitslose Versicherte bei den Verhandlungen mit künftigen Arbeitgebern klar und eindeutig die Bereitschaft zum Vertragsabschluss zu bekunden haben, um die Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht zu gefährden (BGE 122 V 38 Erw. 3b mit Hinweisen; Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, RZ 704).
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 11. Juli 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls für welche Dauer die Beschwerdeführerin in der Anspruchsberechtigung einzustellen ist. Dabei ist unbestritten und steht nach den Akten fest, dass sie sich auf die vom Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Ilanz am 29. Mai 2001 zugewiesene Stelle als Zimmermädchen/Lingeriemitarbeiterin beim Hotel X.________ telefonisch am 14. Juni (laut Arbeitgeberin am 15. Juni) 2001 beworben hat und gleichentags ein persönliches Bewerbungsgespräch mit der zuständigen Frau S.________ im Hotel X.________ stattfand.
3.
Die Versicherte gab am 18. Juni 2001 zuhanden des RAV an, sie habe sich beim Bewerbungsgespräch nicht wohl gefühlt. Zudem hätte sie weder ein Recht auf ein freies Wochenende im Jahr noch auf gemeinsame Ferien mit ihren schulpflichtigen Kindern gehabt. In der vorinstanzlich eingereichten Beschwerdeschrift gibt sie weiter an, sie hätte die Stelle wegen der verlangten Schichtarbeit und den schlechten Busverbindungen nicht annehmen können. Dazu hat das kantonale Gericht zutreffend erwogen, dass die zugewiesene Arbeit den berufs- und ortsüblichen, insbesondere den gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen der Hotellerie entspreche. Auch sei der Einwand der Schichtarbeit nicht zu hören, da die Arbeitszeiten mit der Angabe "08.00 Uhr bis 17.00 Uhr" klar fixiert gewesen seien.
3.1 Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände vermögen nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Soweit darin die bereits im vorinstanzlichen Verfahren entkräfteten Rügen wiederholt werden, kann vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Der erst letztinstanzlich vorgebrachte Einwand, die Versicherte habe das Gefühl, Frau S.________ hätte sie nicht einstellen wollen, findet in den Akten keine Stütze und ist zudem zu ihren eigenen Aussagen und den Angaben der Arbeitgeberin widersprüchlich, sodass er nicht zu hören ist. Ihr Vorbringen, sie habe die Stelle nicht wegen des zu komplizierten Arbeitsweges abgelehnt, widerspricht ebenfalls ihren Angaben im kantonalen Verfahren. Wie es sich damit verhält, braucht jedoch nicht näher abgeklärt zu werden, denn im Raum stehen bleibt ihre Aussage, sie habe die Arbeit wegen der durch Frau S.________ zugeteilten Ferien und Freitage nicht annehmen können. Der Wunsch der Beschwerdeführerin, einige Sonntage wie auch die Ferien mit ihren schulpflichtigen Kindern verbringen zu wollen, ist zwar verständlich. In der Regel werden Mitarbeiter bei der Festlegung der Ruhetage sowie bei der Ferieneinteilung auch miteinbezogen, und es kann davon ausgegangen werden, dass - soweit möglich - auf deren Familienverhältnisse Rücksicht genommen wird (vgl. auch den Wortlaut des am 17. Dezember 2001 geänderten Art. 16 des allgemeinverbindlich erklärten Landes-Gesamtarbeitsvertrages des Gastgewerbes (L-GAV). Dennoch besteht gemäss Art. 16 L-GAV (in der hier anwendbaren Fassung vom 19. November 1998) ausdrücklich kein Anspruch auf arbeitsfreie Sonntage. Ferien können vom Arbeitgeber (unter Einhaltung gewisser Formvorschriften) angeordnet werden (Art. 17 L-GAV). Im Rahmen der ihr obliegenden Schadenminderungspflicht (Art. 16 Abs. 1 AVIG) wäre die Versicherte somit gehalten gewesen, die zugewiesene zumutbare Stelle anzunehmen, selbst wenn sie nicht genau ihren Vorstellungen entsprach, zumal sie eine Stelle als Zimmermädchen/Lingeriemitarbeiterin suchte und ihr eine solche mit den üblichen Bedingungen der Gastgewerbebranche vermittelt wurde. Es ist demnach davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin durch ihre mangelnde Bereitschaft zum Vertragsabschluss anlässlich des Vorstellungsgesprächs, wie auch durch den Umstand, dass sie sich danach nicht mehr gemeldet hat, den Vertragsabschluss vereitelte.
3.2 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfolgte nach dem Gesagten zu Recht. Die verfügte Einstellungsdauer liegt mit 20 Tagen im Bereich des mittleren Verschuldens (Art. 45 Abs. 2 lit. b AVIV). Aufgrund der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 45 Abs. 3 AVIV ist grundsätzlich von einem schweren Verschulden auszugehen (vgl. ARV 1999 Nr. 33 S. 196 Erw. 3a). Praxisgemäss ist jedoch ein ermessensweises Abweichen nach unten zulässig (ARV 2000 8 S. 41 f. Erw. 2c; Urteil C. vom 10. Januar 2002, C 195/00, je mit Hinweisen), welche Rechtsprechung auch Anwendung findet, wenn es um die Ablehnung einer (nicht amtlich) zugewiesenen zumutbaren Arbeit von bloss befristeter Dauer geht (ARV 2000 Nr. 9 S. 50 Erw. 4b/aa). Insoweit hier - gemäss Verwaltungsverfügung - dem Umstand Rechnung getragen wurde, dass die Stelle lediglich befristet war, lässt sich das im Rahmen der Angemessenheitskontrolle (Art. 132 OG) nicht beanstanden.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 6. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: