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Original
 
[AZA 0/2]
5P.43/2001/RTN/bnm
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
15. März 2001
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Meyer und
Gerichtsschreiber von Roten.
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In Sachen
Z.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin Dr. Verena Büchler-Tschudin, Malerweg 2, Postfach 1053, 3601 Bern,
gegen
Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecherin Barbara Egger-Jenzer, Brunngasse 36, 3000 Bern 7,Appellationshof (II. Zivilkammer) des Kantons Bern,
betreffend
Art. 29 Abs. 1 BV
(Kostenvorschusspflicht unter Ehegatten),
wird im Verfahren nach Art. 36a OG
festgestellt und in Erwägung gezogen:
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1.- Im Eheschutzverfahren der Parteien stellte der Gerichtspräsident 1 im Kreis XII A.________ fest, dass der gemeinsame Haushalt der Parteien seit dem 1. Januar 1996 aufgehoben ist (Ziffer 1), und bestimmte den von Y.________ an Z.________ zu bezahlenden Unterhaltsbeitrag (Ziffer 2). Er wies ihr Gesuch um Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch Y.________ ab (Ziffer 3), auferlegte den Parteien die Gerichtskosten je zur Hälfte (Ziffer 4) und verpflichtete Z.________ zu einem Beitrag an die Parteikosten von Y.________ (Ziffer 5 des Entscheids vom 22. November 2000).
Z.________ erhob gegen den Eheschutzentscheid Appellation mit dem Rechtsbegehren, die Ziffern 3-5 aufzuheben, die Gerichtskosten Y.________ aufzuerlegen, ihn zur Leistung eines Parteikostenbeitrags in gerichtlich zu bestimmender Höhe an sie zu verpflichten und die übrigen Parteikosten wettzuschlagen. Den Antrag auf Festsetzung der vom Ehemann zu leistenden Prozesskostenvorschüsse stellte sie auch für das oberinstanzliche Verfahren. Der Appellationshof (II. Zivilkammer) des Kantons Bern trat auf die Appellation nicht ein (Entscheid vom 4. Januar 2001).
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV (formelle Rechtsverweigerung) beantragt Z.________ dem Bundesgericht, den Nichteintretensentscheid des Appellationshofs aufzuheben. Ihr Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist abgewiesen worden (Präsidialverfügung vom 7. Februar 2001). Y.________ und der Appellationshof haben auf Vernehmlassung verzichtet.
2.- Die Prozesskostenvorschusspflicht unter Ehegatten hat ihre Rechtsgrundlage im Zivilgesetzbuch. In der Lehre ist lediglich umstritten, ob der entsprechende Anspruch des einen Ehegatten gegen den andern herzuleiten ist aus der Beistandspflicht (Art. 159 ZGB; so Bräm, Zürcher Kommentar, N. 130 ff.
zu Art. 159 ZGB) oder der Unterhaltspflicht (Art. 163 ZGB; so Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, N. 38 und N. 38a zu Art. 159 und N. 15 zu Art. 163 ZGB; Hasenböhler, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 163 ZGB; Stettler/Germani, Droit civil: Effets généraux du mariage (art. 159-180 CC), 2.A.
Fribourg 1999, S. 65 N. 82; Deschenaux/Steinauer/Baddeley, Les effets du mariage, Bern 2000, S. 220 f. N. 475; vgl. BGE 117 II 127 E. 6 S. 132). Einigkeit herrscht in der Lehre darüber, dass die Prozesskostenvorschusspflicht auch im Rahmen eines Eheschutzverfahrens zum Tragen kommt (vgl. dazu auch die Botschaft, BBl 1979 II 1191 ff., S. 1250 Ziffer 214. 121 und S. 1388 Anm. 155). Die Kosten für ein solches Verfahren zählen zum Unterhalt (Hausheer/Reusser/Geiser, N. 15 zu Art. 163 ZGB; Stettler/Germani, a.a.O.). Von der Natur des Verfahrens her kann ein Vorschuss allerdings nicht wie im Scheidungs- oder Trennungsprozess vorweg in einem Massnahmenverfahren gefordert werden, sondern im Endentscheid wird darüber befunden, wer die durch das Eheschutzverfahren verursachten Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen hat (Bräm, N. 136 zu Art. 159 ZGB, die in diesem Zusammenhang offen lässt, ob diese Kosten als Unterhalts- oder Beistandsleistung aufzufassen sind).
Die Beschwerdeführerin hatte in ihrem Eheschutzgesuch ausdrücklich die Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch den Beschwerdegegner verlangt und focht auch die ihr Rechtsbegehren abweisende Ziffer 3 - nebst der Kostenauflage gemäss den Ziffern 4 und 5 - des erstinstanzlichen Entscheids mit Appellation an. Gegenstand der Appellation hat - wie von
der Beschwerdeführerin dargelegt und soeben näher ausgeführt - gebildet, was bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts für die Dauer des Getrenntlebens im Sinne von Art. 176 ZGB antragsgemäss hätte geregelt werden sollen, nämlich die Prozesskostenvorschuss- und Kostenpflicht des Beschwerdegegners als Teil der "Geldbeträge, die der eine Ehegatte dem andern schuldet" (Abs. 1 Ziffer 1). Es greift deshalb zu kurz, wenn im angefochtenen Entscheid die Zulässigkeit der Appellation einzig betreffend "eine in einem Urteil enthaltene oder durch Verfügung des Gerichtspräsidenten gemäss Artikel 68 vorgenommene Kostenbestimmung" (Art. 69 Abs. 1 ZPO/BE) beurteilt worden ist und nicht nach dem vorliegend einschlägigen Art. 336 ZPO/BE, demzufolge gegen "Massnahmen und Verfügungen auf Grundlage des Zivilrechtes" unter anderem im - hier gegebenen - Falle von Art. 176 ZGB (Regelung des Getrenntlebens) appelliert werden kann (Abs. 2), und dies unabhängig von der Erreichung eines bestimmten Streitwertes (Leuch/Marbach/Keller-hals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern,
5. A. Bern 2000, N. 3a zu Art. 336 ZPO/BE).
Der Nichteintretensentscheid des Appellationshofs erweist sich aus den dargelegten Gründen als sachlich nicht vertretbar (Art. 9 BV; BGE 126 I 168 E. 3a S. 170), womit freilich nichts über die Begründetheit der unbeurteilt gebliebenen Appellationsbegehren gesagt ist. Die Verfassungsrüge der Beschwerdeführerin und damit ihre staatsrechtliche Beschwerde müssen gutgeheissen werden: Indem der Appellationshof auf die ihm unterbreiteten Begehren, namentlich auf dasjenige um Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch den Beschwerdegegner, nicht eingetreten ist, obschon er darüber hätte entscheiden müssen, hat er eine formelle Rechtsverweigerung begangen (BGE 117 Ia 116 E. 3a S. 117; 125 III 440 E. 2a S. 441), die als Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV geltend gemacht werden kann (vgl. zur Massgeblichkeit der
zu Art. 4 aBV ergangenen Rechtsprechung: Botschaft, BBl 1997 I 1 ff., S. 181 f.).
3.- Bei diesem Verfahrensausgang hat die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Nachdem der Beschwerdegegner weder Antrag auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde gestellt hat, noch den nunmehr aufzuhebenden Nichteintretensentscheid im kantonalen Verfahren selbst veranlasst hat, können ihn keine Kosten- und Entschädigungsfolgen treffen. Unter diesen Umständen hat der Kanton Bern die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen; kostenpflichtig wird er hingegen nicht (Art. 156 Abs. 2 OG; Urteil des Bundesgerichts vom 3. Dezember 1984, E. 3, in: Praxis 74/1985 Nr. 97 S. 272; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 35 bei und in Anm. 19 daselbst mit weiteren Nachweisen).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Appellationshofs (II. Zivilkammer) des Kantons Bern vom 4. Januar 2001 wird aufgehoben.
2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.- Der Kanton Bern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof (II. Zivilkammer) des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 15. März 2001
Im Namen der II. Zivilabteilung des
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: