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Original
 
«AZA 7»
U 201/00 Ge
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiberin Helfenstein
Urteil vom 9. Februar 2001
in Sachen
U.________, 1966, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, Bern,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin,
und
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
A.- U.________, in der Türkei wohnhaft, ist die geschiedene Frau des bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versichert gewesenen R.U.________, welcher am 14. April 1998 einen tödlichen Verkehrsunfall erlitt. Am 23. Juni 1998 ersuchte Fürsprecher Ulrich Seiler um Hinterlassenenrenten für sie, im Weiteren für die zweite Ehefrau P.U.________ sowie für die Kinder A.________ und B.________, welche aus der ersten Ehe stammen.
Während die SUVA der zweiten Ehefrau, P.U.________, eine Abfindung in der Höhe des dreifachen Jahresbetrages der Witwenrente zusprach (Verfügung vom 13. August 1998), gelangte sie bezüglich der geschiedenen U.________, nach Abklärungen in Bezug auf die scheidungsrechtlichen Verpflichtungen des verstorbenen Ex-Mannes, zur Auffassung, U.________ erfülle die nach Gesetz und Verordnung erforderlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Hinterlassenenrente nicht. Denn es lägen weder ein rechtskräftiges Gerichtsurteil noch eine gerichtlich genehmigte Scheidungskonvention vor, aus denen sich die Verpflichtung des verstorbenen Versicherten zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an die geschiedene erste Ehefrau ergebe. Daran vermöge auch die Bestätigung des Dorfvorstehers in der Türkei vom 26. September 1998 nichts zu ändern, laut der es nicht den türkischen Sitten und Bräuchen entspreche, Unterhaltsverpflichtungen - da selbstverständlich - im Scheidungsurteil festzuhalten; hingegen seien die Halbwaisen rentenberechtigt (Verfügung vom 7. April 1999).
Die in Bezug auf U.________ eingereichte Einsprache lehnte die SUVA mit Entscheid vom 23. August 1999 ab.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 31. März 2000).
C.- U.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei die SUVA zu verhalten, ihr eine "UVG-Witwenrente" auszurichten; eventualiter sei die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheides an die SUVA zurückzuweisen, damit sie über den Leistungsanspruch neu befinde.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführerin als der geschiedenen ersten Ehefrau des R.U.________ aus dessen bei der SUVA versicherten Unfall vom 14. April 1998 eine Hinterlassenenrente zusteht.
a) Stirbt der Versicherte an den Folgen des Unfalles, so haben der überlebende Ehegatte und die Kinder Anspruch auf Hinterlassenenrenten (Art. 28 UVG). Nach Art. 29 Abs. 1 UVG hat der überlebende Ehegatte Anspruch auf eine Rente oder eine Abfindung. Gemäss Abs. 4 dieser Bestimmung ist der geschiedene Ehegatte der Witwe oder dem Witwer gleichgestellt, sofern der Verunfallte ihm gegenüber zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet war. Art. 39 UVV sieht vor: Die Verpflichtung zu Unterhaltsbeiträgen an den geschiedenen Ehegatten nach Art. 29 Abs. 4 des Gesetzes muss durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil oder eine gerichtlich genehmigte Scheidungskonvention ausgewiesen sein.
b) Art. 23 Abs. 2 AHVG, in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung, stellte die geschiedene Frau nach dem Tode ihres geschiedenen Mannes der Witwe gleich, sofern der Mann ihr gegenüber zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet war (und die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hatte). Zur ersten Voraussetzung, der Verpflichtung zu Unterhaltsbeiträgen, hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht in einer langen und gefestigten Rechtsprechung entschieden, dass aus dem Scheidungsurteil oder der Scheidungskonvention oder aus zusätzlichen Beweismitteln eindeutig hervorgehen muss, dass mit den vom Ehemann erbrachten Leistungen Ansprüche der geschiedenen Frau auf persönliche Unterhaltsbeiträge gemäss den bis 31. Dezember 1999 gültig gewesenen Art. 151 oder 152 ZGB abgegolten wurden (vgl. statt vieler BGE 110 V 242).
Dieses Erfordernis des eindeutigen Nachweises hat das Eidgenössische Versicherungsgericht auch im Bereich von Art. 29 Abs. 4 UVG in Verbindung mit Art. 39 UVV zur Anwendung gebracht (unveröffentlichtes Urteil B. vom 27. Februar 1987, U 3/86). Daran ändert nichts, dass sich dieses Urteil nicht auf den Grundsatz der Anspruchsberechtigung als solchen, sondern auf die Höhe der Hinterlassenenrente (Rentenbetrag) bezieht, ist doch für den letzten masslichen Gesichtspunkt ebenfalls das Vorhandensein geschuldeter Unterhaltsbeiträge erforderlich (vgl. Art. 31 Abs. 2 UVG, wonach die Hinterlassenenrente für den geschiedenen Ehegatten 20 % des versicherten Verdienstes entspricht, höchstens aber dem geschuldeten Unterhaltsbeitrag). Das erwähnte Urteil zeigt im Weitern, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht - unausgesprochen - von der Gesetzeskonformität des Art. 39 UVV ausgegangen ist.
2.- Es fragt sich, ob auf Grund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf diese insoweit eindeutige Rechtslage zurückzukommen ist.
a) Aus materiellrechtlicher Sicht ist dies sicherlich ohne weiteres zu verneinen. Denn der Inhalt von Art. 39 UVV ist, für den Bereich der obligatorischen Unfallversicherung, im Wesentlichen nichts anderes als eine verordnungsmässige Kodifizierung der zu Art. 23 Abs. 2 alt AHVG ergangenen Rechtsprechung. Auf der andern Seite könnte man sich unter dem formellen Aspekt des Gesetzesvorbehalts die Frage stellen, ob der Bundesrat befugt war, das Erfordernis der Unterhaltsverpflichtung nach Art. 29 Abs. 4 UVG in dem in Art. 39 UVV Verordnungstext gewordenen Sinne zu konkretisieren, nachdem es diesbezüglich keine spezielle Delegationsgrundlage gibt. Dennoch ist hier von Weiterungen abzusehen: Wenn es die Rechtsprechung in Auslegung des formellen Gesetzes im AHV-Bereich für richtig befunden hat, die Unterhaltsverpflichtung an einen klaren Nachweis, der allerdings nicht auf Urteil und Konvention beschränkt ist, sondern auch weitere Beweismittel zulässt, zu binden, dann kann dem Bundesrat bei der gleichen formellgesetzlichen Ausgangslage im UV-Bereich nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe in gesetzeswidriger Weise einschränkend legiferiert.
b) Ist somit in rechtlicher Hinsicht von einem eindeutigen Nachweis der Unterhaltsverpflichtung auszugehen, so lässt sich der Einspracheentscheid, welchen das kantonale Gericht bestätigt hat, nicht in Frage stellen. Es mag nach der Aktenlage wohl zutreffen, dass der verstorbene Versicherte seiner ersten Ehefrau mehr oder weniger regelmässig Beträge zukommen liess, welche u.a. für deren Unterhalt bestimmt waren. Selbst wenn es sich aber nach türkischem Recht und Brauch so verhalten sollte, dass Unterhaltsbeiträge an die geschiedene Ehefrau keinen Eingang in Scheidungsurteil oder -vereinbarung finden, kann das Erfordernis der rechtlichen (und nicht nur moralischen) Verpflichtung nicht preisgegeben werden. Eine solche rechtliche Verpflichtung des verstorbenen R.U.________ ist auf Grund der gesamten Aktenlage nicht festzustellen.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 9. Februar 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: