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Informationen zum Dokument  BGE 1 I 143 - Geometer Ammann  Materielle Begründung
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BGE 1 I 95 - Eherecht trotz liederlichen Lebenswandels

Sachverhalt
A.
B.
C.
D.
E.
F.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Erwägung 1
Erwägung 2
Erwägung 3
Erwägung 4
Erwägung 5
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Loic Stucki, A. Tschentscher  
 
BGE 1 I, 143 (143)37. Urtheil
 
vom 29. Oktober 1875 in Sachen Ammann.  
 
Sachverhalt
 
 
A.
 
Geometer Ammann aus dem Thurgau, wohnhaft in Olten, hatte die Aufnahme geometrischer Arbeiten an der Linie Bellinzona nach dem Monte Cenere übernommen. Zur Ausführung derselben besaß er ein technisches Bureau in Tessin; dagegen hielt er sich selbst nur vorübergehend dort auf, indem er die Arbeiten hauptsächlich durch zwei Unterangestellte, C. Schmid von Reiden und Geometer Kronauer von Winterthur besorgen ließ.
1
 
B.
 
Am 10. Juli 1875 wirkte Schmid, welcher behauptete, an Ammann eine Restanzforderung von 210 Fr. zu haben, beim Friedensrichteramte Giubiasco auf einen dort liegenden Theodoliten des Ammann Arrest aus, wovon dem Letzteren durch Kronauer Kenntniß gegeben wurde. Und am 19. Juli 1875 ließ sodann C. Schmid, gestützt auf den gelegten Arrest, den Geometer Ammann in der Person seines Angestellten, Geometer Kronauer, welchen ihm Ammann schon früher als seinen Stellvertreter bezeichnet habe, vor das genannte Friedensrichteramt laden, mit dem Begehren um Anerkennung der Forderung von 210 Fr. sammt Kosten.
2
 
C.
 
O. Kronauer nahm diese Citation an und erklärte vor Friedensrichteramt, die Forderung des C. Schmid sei eine gerechte, weßwegen er sich derselben nicht widersetze, jedoch Aufschub der Versteigerung des sequestrirten Theodoliten um zehn Tage verlange. Diesem Begehren wurde entsprochen, ein förmliches Urtheil über die Existenz der Forderung vom Friedensrichteramte aber nicht ausgefällt.
3
 
D.
 
Mit Eingabe vom 3. August d.J. verlangt nun A. Ammann Aufhebung des Arrestes und des ganzen Verfahrens, gestützt auf Art. 59 der Bundesverfassung, indem er seinen ordentlichen Wohnsitz in Olten habe und daher als aufrechtstehender Schweizerbürger für persönliche Ansprachen in Olten belangt werden müsse.
4
 
E.
 
C. Schmid verlangt Abweisung des Rekurses, weil:
5
a) Geometer Ammann die Verträge, durch welche er die ArBGE 1 I, 143 (143)BGE 1 I, 143 (144)beiten seinen Unterangestellten übertragen, im Kanton Tessin abgeschlossen habe, ferner dieselben auch dort beidseitig zu erfüllen seien und daher der Gerichtsstand des Vertrages begründet erscheine;
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b) der Vertreter des Rekurrenten, O. Kronauer, sowohl den Sequester als die Forderung vor Friedensrichteramt Giubiasco anerkannt habe.
7
 
F.
 
Aus einem seitens des Instruktionsrichters von dem Sektionsbureau der Gotthardbahn in Lugano eingezogenen Berichte ergibt sich, daß:
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1. Der Vertrag der Bauleitung mit Geometer Ammann in Art. 6 die Bestimmung enthält, daß der Geometer während der ganzen Dauer des Vertragsvollzuges auf irgend einem Punkte der Strecke von Bellinzona nach Lugano seinen Wohnsitz zu nehmen oder sich durch einen der Bauleitung zu bezeichnenden Geometer vertreten zu lassen habe;
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2. Ammann am 25. Juni 1874 der Bauleitung während seiner Abwesenheit den Geometer Nußbaumer bezeichnet hat; und
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3. der Bauleitung über die Stellvertretungsangelegenheit nichts Weiteres bekannt ist.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
 
Erwägung 1
 
1. Es handelt sich im vorliegenden Falle um eine persönliche Ansprache, für welche gemäß Art. 58 der Bundesverfassung Ammann, als aufrechtstehender Schweizerbürger, an seinem Wohnsitze Olten gesucht werden muß und auf Vermögen desselben außer dem Kanton Solothurn kein Arrest gelegt werden darf, sofern derselbe nicht auf diesen verfassungsmäßigen Gerichtsstand verzichtet hat.
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Erwägung 2
 
2. Ein solcher Verzicht liegt auch dann vor, wenn ein Schuldner durch Vertrag sich einem andern als seinem ordentlichen Gerichsstande unterworfen hat.
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Erwägung 3
 
3. Im vorliegenden Falle bezeichnet nun aber die Arrestverfügung des Friedensrichteramtes Giubiasco selbst lediglich Olten als Wohnsitz des Ammann und enthält nichts davon, daß derselbe Giubiasko als Vertragsdomizil gewählt habe.BGE 1 I, 143 (144)
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BGE 1 I, 143 (145)Erwägung 4
 
4. Ebensowenig ergibt sich letzteres aus dem Inhalte der übrigen Akten, denn:
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a) daraus, daß der Vertrag über die von Schmid übernommenen Arbeiten im Kanton Tessin abgeschlossen worden ist und nach der Meinung der Kontrahenten dort zu erfüllen war, folgt nicht, daß Ammann für die durch den Vertrag begründeten Verbindlichkeiten den tessinischen Gerichsstand anerkannt habe, vielmehr bedürfte es zur Annahme eines solchen Vertragsdomizils einer bezüglichen ausdrücklichen Vereinbarung, welche im vorliegenden Falle nicht bewiesen ist;
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b) durch den, vom Rekursbeklagten übrigens nicht einmal angerufenen, Art. 6 des zwischen der Bauleitung und Ammann abgeschlossenen Vertrages hat letzterer nur gegenüber der Bauleitung und nicht auch gegenüber Dritten sich verpflichtet, im Kanton Tessin Domizil zu nehmen oder sich durch einen dortigen Geometer vertreten zu lassen. Zudem scheint derselbe die Wahl im letzteren Sinne getroffen zu haben und wird nicht einmal behauptet, daß er der Bauleitung Giubiasco als sein Domizil bezeichnet habe.
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Erwägung 5
 
5. Endlich ist auch die vor Friedensrichteramt Giubiasko erfolgte Anerkennung des Arrestes und der Forderung des C. Schmid durch O. Kronauer deßhalb ohne Bedeutung, weil nicht bewiesen ist, daß Ammann den Kronauer zu seinem Stellvertreter erwählt habe. Die eigene Erklärung des Kronauer vermag diesen Beweis nicht zu erbringen und etwas Weiteres liegt nicht vor. Der Bauleitung ist von Ammann nicht Kronauer, sondern Nußbaumer als sein Stellvertreter bezeichnet worden.
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Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
 
Die Beschwerde ist begründet und demnach der vom Friedensrichteramte Giubiasco auf den dem Rekurrenten gehörigen Theodoliten gelegte Arrest sammt dem weitern vor jener Behörde stattgehabten Verfahren aufgehoben.BGE 1 I, 143 (145)
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