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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1128/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_1128/2021 vom 31.03.2022
 
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6B_1128/2021
 
 
Urteil vom 31. März 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Gerichtsschreiberin Unseld.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Amtsmissbrauch, Nötigung); Ausstand; Nichteintreten,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 15. Juli 2021 (BES.2021.57).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer erstattete am 26. November 2019 Strafanzeige gegen zwei Polizeibeamtinnen wegen Amtsmissbrauchs und Nötigung. Er warf diesen vor, sie hätten ihn am 21. November 2019 in Basel nach dem Nacktbaden im Rhein aufgefordert, sich anzuziehen, dies obschon Nacktbaden in Basel nicht verboten sei. Die Staatsanwaltschaft erliess am 8. April 2021 eine Nichtanhandnahmeverfügung. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde am 15. Juli 2021 ab. Das Ausstandsgesuch gegen die fallführende Staatsanwältin wies es ebenfalls ab. Auf die Erhebung von Verfahrenskosten verzichtete es.
 
Dagegen gelangt der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht.
 
2.
 
Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Es geht dabei in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1). Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 146 IV 76 E. 3 mit Hinweisen).
 
Gemäss § 3 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 17. November 1999 über die Haftung des Staates und seines Personals (Haftungsgesetz, HG/BS; SG 161.100) haftet der Staat für den Schaden, den sein Personal in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt. Gegenüber dem fehlbaren Personal steht der geschädigten Person kein Anspruch zu (§ 3 Abs. 2 HG/BS). Bei den angezeigten Personen handelt es sich um Polizeibeamtinnen des Kantons Basel-Stadt. Allfällige Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche, welche der Beschwerdeführer im Übrigen nicht geltend macht, beurteilen sich daher ausschliesslich nach dem kantonalen Haftungsgesetz und sind öffentlich-rechtlicher Natur. Da dem Beschwerdeführer keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen die Polizeibeamtinnen zustehen, ist er in der Sache nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert. Von vornherein nicht einzutreten ist auf die Beschwerde daher, soweit der Beschwerdeführer in Bezug auf die exakte Örtlichkeit, an welcher er sich nackt aufhielt, sowie die Frage, wer die Polizei alarmierte, eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung rügt. Gleiches gilt für die Rügen, die Vorinstanz habe ein strafbares Verhalten zu Unrecht verneint und sich mit dem von ihm angerufenen Regierungsratsbeschluss vom 21. Januar 2014, welcher Nacktschwimmen im Rhein ausdrücklich erlaube, nicht auseinandergesetzt, da auch diese Einwände auf eine Prüfung in der Sache hinauslaufen.
 
3.
 
Ungeachtet der Legitimation in der Sache kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zulässig sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen).
 
4.
 
Die Vorinstanz verneint entgegen der Kritik des Beschwerdeführers auch den Tatbestand der Nötigung. Sie erwägt, ein solcher Schuldspruch scheitere am fehlenden Vorsatz. Die beanzeigten Beamtinnen hätten zudem unzweifelhaft in ihrer amtlichen Funktion gehandelt, weshalb eine in diesem Rahmen begangene Nötigung im Tatbestand des Amtsmissbrauchs aufgehen würde (angefochtener Entscheid S. 6). Damit zielt auch die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe den Tatbestand der Nötigung nicht geprüft, nicht auf eine Gehörsverletzung, sondern auf eine unzulässige Prüfung in der Sache ab, weshalb darauf nicht einzutreten ist.
 
5.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, da die Staatsanwaltschaft ihm vor dem Erlass der Nichtanhandnahmeverfügung den beigezogenen Polizeirapport sowie die weiteren beigezogenen Akten nicht bekannt gegeben habe, was die Vorinstanz nicht geprüft habe. Sie habe einzig erwogen, eine allfällige Gehörsverletzung sei im Rechtsmittelverfahren geheilt worden, dies obschon er Anspruch darauf habe, dass die Rechtsmitteleinstanz eine Gehörsverletzung feststelle. Angesichts des Aktenbeizugs, von welchem er erst anlässlich der Akteneinsicht vom 20. Mai 2021 Kenntnis erlangt habe, hätte die Staatsanwaltschaft gar keine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen dürfen.
 
Zutreffend ist, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Aktenbeizug als Untersuchungshandlung im Sinne von Art. 194 StPO gilt, die grundsätzlich ein eröffnetes Strafverfahren voraussetzt, weshalb nach einem Aktenbeizug keine Nichtanhandnahmeverfügung im Sinne von Art. 310 StPO mehr ergehen kann (Urteile 6B_791/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 2.4; 6B_875/2018 vom 15. November 2018 E. 2.2.2; 1B_731/2012 vom 8. Februar 2013 E. 2). Gemäss Art. 318 Abs. 1 StPO kündigt die Staatsanwaltschaft den Parteien mit bekanntem Wohnsitz schriftlich den bevorstehenden Abschluss der Untersuchung an und teilt ihnen mit, ob sie Anklage erheben oder das Verfahren einstellen will. Eine Einstellungsverfügung hat - anders als eine Nichtanhandnahmeverfügung (vgl. BGE 144 IV 81 E. 2.3.3; Urteil 6B_435/2020 vom 23. Juli 2020 E. 8) - daher grundsätzlich nicht unangekündigt zu ergehen. Wie es sich damit vorliegend verhält, kann offenbleiben, da eine allfällige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im kantonalen Beschwerdeverfahren geheilt worden wäre. Im Ergebnis rügt der Beschwerdeführer daher keine Gehörsverletzung, sondern er verlangt lediglich, es sei explizit festzustellen, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör im Verfahren vor der Staatsanwaltschaft verletzt und die Gehörsverletzung erst im kantonalen Beschwerdeverfahren geheilt wurde. Darauf ist nicht einzutreten. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht rechtsgenügend dar, woraus er einen solchen Feststellungsanspruch herleitet, zumal die Vorinstanz im kantonalen Beschwerdeverfahren auf eine Kostenauflage verzichtete.
 
6.
 
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde mangels einer hinreichenden Begründung (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) zudem, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines Ausstandsbegehrens gegen die Staatsanwältin wendet. Der Beschwerdeführer begründet die angebliche Befangenheit der Staatsanwältin ausschliesslich mit den von dieser begangenen Verfahrensfehlern. Damit verkennt er, dass prozessuale Rechtsfehler im Rechtsmittelverfahren zu rügen sind und sich damit nur ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Umstände, eine Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters begründen lässt (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; 138 IV 142 E. 2.3). Solche Umstände macht der Beschwerdeführer nicht gelten.
 
7.
 
Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. März 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld
 
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