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Informationen zum Dokument  BGer 9C_16/2022  Materielle Begründung
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BGer 9C_16/2022 vom 21.03.2022
 
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9C_16/2022
 
 
Urteil vom 21. März 2022
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Dr. A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Schmid Kistler,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. CSS Kranken- V ersicherung AG,
 
Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern,
 
2. Aquilana Versicherungen,
 
Bruggerstrasse 46, 5400 Baden,
 
3. CONCORDIA Schweizerische Kranken- und
 
Unfall versicherung AG, Bundesplatz 15,
 
6002 Luzern,
 
4. Atupri Gesundheitsversicherung,
 
Zieglerstrasse 29, 3000 Bern,
 
5. KPT Krankenkasse AG,
 
Wankdorfallee 3, 3014 Bern,
 
6. ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG,
 
Bahnhofstrasse 13, 7302 Landquart,
 
7. Vivao Sympany AG, Peter Merian-Weg 4,
 
4052 Basel,
 
8. Kolping Krankenkasse AG,
 
c/o Sympany Services AG, Peter Merian-Weg 4,
 
4052 Basel,
 
9. KLuG Krankenversicherung,
 
Gubelstrasse 22, 6300 Zug,
 
10. EGK Grundversicherungen AG,
 
Birspark 1, 4242 Laufen,
 
11. Genossenschaft K RANKENKASSE SLKK,
 
Hofwiesenstrasse 370, 8050 Zürich,
 
12. Stiftung Krankenkasse Wädenswil,
 
Industriestrasse 15, 8820 Wädenswil,
 
13. SWICA Krankenversicherung AG,
 
Römerstrasse 38, 8400 Winterthur,
 
14. Visana Versicherungen AG,
 
Weltpoststrasse 19, 3015 Bern,
 
15. sana24 AG,
 
Weltpoststrasse 19, 3015 Bern,
 
16. Arcosana AG,
 
Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern,
 
17. vivacare AG,
 
Weltpoststrasse 19, 3015 Bern,
 
alle handelnd durch tarifsuisse ag,
 
Römerstrasse 20, 4502 Solothurn,
 
und diese vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Vincent Augustin,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Krankenversicherung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Schiedsgerichts Graubünden nach eidgenössischem Sozialversicherungsrecht vom 9. November 2021 (SVR 20 1).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Dr. A.________ ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin. In seiner Arztpraxis führte er u.a. Behandlungen mit humanidentischen Hormonen nach der sogenannten "Rimkus-Methode" resp. einer daran angelehnten eigenen Methode durch. Weil 23 Krankenversicherer davon ausgingen, dass es sich dabei nicht um Pflichtleistungen nach KVG handle, stellten sie bei der Überkantonalen Paritätischen Vertrauenskommission für die Kantone AI, AR, GL, GR, SG, SH und TG (nachfolgend: PVK) ein Schlichtungs- resp. Vermittlungsgesuch betreffend eine entsprechende Rückforderung. Die PVK schrieb das Verfahren mit "Verfügung" vom 8. Mai 2020 ab. Dabei hielt sie fest, Dr. A.________ habe den von ihr unterbreiteten Vergleichsvorschlag abgelehnt und beide Parteien hätten auf die Weiterführung des Vermittlungsverfahrens verzichtet; ihnen stehe nunmehr der direkte Rechtsweg an das kantonale Schiedsgericht nach Art. 89 KVG offen.
2
B.
3
Mit Klage vom 8. Juni 2020 beantragten 20 der am Vermittlungsverfahren beteiligten Krankenversicherer (heute: die 17 im Rubrum genannten), Dr. A.________ sei zu verpflichten, ihnen für den Abrechnungszeitraum Mai 2016 bis April 2020 einen Betrag von Fr. 198'742.70, eventuell einen Betrag nach richterlichem Ermessen, zurückzuzahlen. Das Schiedsgericht Graubünden nach eidgenössischem Sozialversicherungsrecht hiess die Klage mit Urteil vom 9. November 2021 teilweise gut. Es verpflichtete Dr. A.________, den Krankenversicherern (insgesamt) Fr. 108'802.95 zu bezahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab, soweit es darauf eintrat.
4
C.
5
Dr. A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, das Urteil vom 9. November 2021 sei aufzuheben und die Rückforderungsklage vom 8. Juni 2020 sei vollumfänglich abzuweisen. Ferner sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
6
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Die Vorinstanz ist auf die Klage vom 8. Juni 2020, soweit die damit geltend gemachte Rückforderung das Abrechnungsjahr (resp. Januar bis April) 2020 betrifft, nicht eingetreten. Sinngemäss beantragt der Beschwerdeführer (vgl. zur Auslegung der Rechtsbegehren im Lichte der Beschwerdebegründung BGE 147 V 369 E. 4.2.1; Urteil 8C_62/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2.2, nicht publ. in: BGE 144 V 418) die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage nur insoweit, als diese gutgeheissen wurde.
7
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
8
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat. Solche Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen; Urteil 9C_752/2018 vom 12. April 2019 E. 1.2).
9
2.
10
Die Leistungen nach den Art. 25-31 KVG müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein (Art. 32 Abs. 1 KVG). Eine nach KVG dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Art. 89 Abs. 3 der Versicherer resp. im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer (Art. 56 Abs. 2 Satz 2 KVG).
11
Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern entscheidet ein Schiedsgericht (Art. 89 Abs. 1 KVG). Das Schiedsgericht ist auch zuständig, wenn die versicherte Person die Vergütung schuldet (System des Tiers garant, Art. 42 Abs. 1); in diesem Fall vertritt ihr Versicherer sie auf eigene Kosten (Art. 89 Abs. 3 KVG). Der Kanton regelt das Verfahren; dieses muss einfach und rasch sein. Das Schiedsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei (Art. 89 Abs. 5 KVG). Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Gerichts, schriftlich eröffnet (Art. 89 Abs. 6 KVG).
12
 
3.
 
3.1. Das Schiedsgericht hat vorab eine Verjährung resp. Verwirkung der Rückforderung (betreffend den Zeitraum von Mai 2016 bis Dezember 2019) verneint. Sodann hat es erwogen, die Behandlung von Wechseljahrbeschwerden bei Frauen mit dem umstrittenen Behandlungskonzept (d.h. mit humanidentischen Hormonen nach der sogenannten "Rimkus-Methode" resp. nach einer daran angelehnten eigenen Methode des Beschwerdeführers) werde mit dafür zugelassenen Arzneimitteln durchgeführt und sei weder der Komplementär- noch der Alternativmedizin zuzuordnen. Sie sei grundsätzlich wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich. Sie falle daher unter die aus Art. 33 KVG abgeleitete Pflichtleistungsvermutung (vgl. dazu BGE 129 V 167 E. 3.2; 136 V 84 E. 2.1). Dass in bestimmten Einzelfällen Anlass bestehe, von dieser Vermutung abzuweichen, sei weder behauptet worden noch ersichtlich. Für die Behandlungen von Wechseljahrbeschwerden bei Frauen falle daher eine Rückforderung ausser Betracht.
13
Hingegen sei die im Fokus stehende Methode für die Behandlung anderer Beschwerden (als Wechseljahrbeschwerden bei Frauen) nicht schulmedizinisch resp. wissenschaftlich anerkannt, weshalb sie in solchen Fällen von vornherein nicht von der Leistungspflicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) erfasst werde. Solche Behandlungen seien eben auch erfolgt.
14
Diesbezüglich hat die Vorinstanz festgestellt, aus den aktenkundigen 17 Patientendossiers ("Stichprobenfälle") ergebe sich, dass rund 50 % aller vom Beschwerdeführer durchgeführten Behandlungen auf die umstrittenen Hormonbehandlungen entfallen seien. In der "Hormonfälletherapiekontrolle 2011-2017" seien für den Zeitraum von Mai 2016 bis Oktober 2017 insgesamt 230 Fälle dokumentiert; davon beträfen 16 klimakterische Beschwerden bei Männern und 40 andere Diagnosen. Daraus lasse sich ableiten, dass rund 24 % der durchgeführten Hormontherapien nicht OKP-pflichtig seien, weil sie nicht der Behandlung von Wechseljahrbeschwerden bei Frauen dienten. Dies lasse den Schluss zu, dass rund 12 % aller Vergütungen zu Unrecht bezogen worden seien. Bei den Beschwerdegegnerinnen seien für den Zeitraum von Mai 2016 bis Dezember 2019 durch den Beschwerdeführer fakturierte Kosten ("Bruttoumsatz") von insgesamt Fr. 906'691.10 abgerechnet worden. Folglich hat das Schiedsgericht für 12 % dieses Betrags, mithin Fr. 108'802.95, eine Rückerstattungspflicht bejaht.
15
3.2. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob Vergütungen im Umfang von Fr. 108'802.95 zu Unrecht an den Beschwerdeführer bezahlt worden waren.
16
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, von den 17 Patientendossiers hätten die Beschwerdegegnerinnen nur fünf als Hormonbehandlungsfälle behauptet. Die Vorinstanz gehe diesbezüglich "wie aus heiterem Himmel" von 9 solchen Fällen aus. Die zusätzlich berücksichtigten Fälle 3, 4, 6 und 13 beträfen gar nicht die umstrittene Behandlungsmethode, und die anderen fünf Fälle ständen alle im Zusammenhang mit Wechseljahrbeschwerden bei Frauen, wie sich aus den Patientenakten ergebe. Auch sei die vorinstanzliche Annahme, dass er selber die 17 Patientendossiers ausgesucht habe, so von den Beschwerdegegnerinnen nicht vorgebracht worden, und sie treffe auch nicht zu. Betreffend die Unterscheidung zwischen Wechseljahrbeschwerden bei Frauen und anderen Beschwerden habe die Vorinstanz willkürlich eine Behauptung durch die Beschwerdegegnerinnen unterstellt. Diese hätten solches aber in den Rechtsschriften nicht vorgetragen. Der Untersuchungsgrundsatz gemäss Art. 61 lit. c ATSG dürfe nicht derart weit verstanden werden, dass die Mitwirkungspflicht der Parteien vollständig ausgehebelt werde. Die Vorinstanz hätte nur die fünf behaupteten Fälle beurteilen dürfen, die sie schliesslich als OKP-pflichtig qualifiziert habe; folglich hätte sie die gesamte Klage abweisen müssen. Sodann kritisiert der Beschwerdeführer die "pauschale Hochrechnung". Er habe die 17 Patientendossiers nicht selber ausgesucht; die darauf abstützende Berechnungsmethode verletze daher das Wllkürverbot. Indem die Vorinstanz 56 (der insgesamt 230 berücksichtigten) Hormonbehandlungsfälle - ohne diese konkret zu benennen - nicht Wechseljahrbeschwerden bei Frauen zugeordnet habe, habe sie nicht nur seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, sondern auch Art. 61 lit. c ATSG, weil die Beschwerdegegnerinnen diesbezüglich nichts behauptet hätten. Schliesslich sei in Bezug auf die gesamthaft fakturierten Kosten von Fr. 906'691.10 (resp. auf die diesem Betrag zugrundeliegende Tabelle) nicht klar, ob sie nur die direkten Kosten des Beschwerdeführers oder auch durch diesen veranlasste Kosten anderer Leistungserbringer enthielten; auch in diesem Zusammenhang fehlten differenzierte Behauptungen der Beschwerdegegnerinnen.
17
 
4.
 
 
4.1.
 
4.1.1. Soweit der Beschwerdeführer in Bezug auf die entscheidenden vorinstanzlichen Feststellungen (vgl. vorangehende E. 3.1 Abs. 2) Willkür rügt, leitet er diese im Wesentlichen aus der (behaupteten) Verletzung bundesrechtlicher Prozessmaximen ab.
18
4.1.2. Massgeblich ist diesbezüglich nicht Art. 61 ATSG (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. e KVG i.V.m. Art. 2 ATSG), sondern Art. 89 Abs. 5 KVG. Danach ist das Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht - im Rahmen des zu überprüfenden Rechtsverhältnisses (vgl. dazu und zum Begriff des Streitgegenstandes BGE 144 I 11 E. 4.3; 125 V 413 E. 1a und 1b) - vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Urteil K 124/03 vom 16. Juni 2004 E. 6.2.2). Ausserdem gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen ("iura novit curia"; vgl. Urteil 8C_285/2017 vom 21. November 2017 E. 4.3, nicht publ. in: BGE 143 V 451). Sodann kommt auch im Verfahren nach Art. 89 KVG anlässlich der freien Beweiswürdigung grundsätzlich der im gesamten Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zum Tragen (vgl. BGE 144 V 427 E. 3.2; SVR 2022 KV Nr. 2 S. 7, 9C_656/2020 E. 4.5.1; 2008 KV Nr. 4 S. 11, K 70/06 E. 6.4).
19
Die (den Untersuchungsgrundsatz einschränkende) Mitwirkungspflicht der Parteien erstreckt sich auf sämtliche für den Entscheid wesentlichen Tatsachen und umfasst auch die Pflicht der Partei zur Edition von Urkunden, welche sich in ihren Händen befinden. Sie gilt insbesondere für Tatsachen, welche die Behörde ohne die Mitwirkung der Partei gar nicht oder nicht mit vernünftigem Aufwand erheben könnte. In dem als Klageverfahren ausgestalteten Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht gemäss Art. 89 KVG kommt der Mitwirkungspflicht - nicht nur der Versicherer, sondern auch des betroffenen Arztes - eine weitgehende Bedeutung zu, weil die Parteien am ehesten in der Lage sind, zur Feststellung des massgebenden Sachverhalts beizutragen (SVR 2005 KV Nr. 4 S. 13, K 150/03 E. 5.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 130 V 377; Urteil 9C_567/2007 vom 25. September 2008 E. 1.3).
20
4.1.3. Anders als der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, impliziert die Mitwirkungspflicht der Parteien im Verfahren nach Art. 89 KVG nicht, dass das Schiedsgericht nur (rechtserhebliche) Tatsachen feststellen darf, die exakt so von den Krankenversicherern vorgetragen wurden. Sie geht auch weniger weit als der in Art. 55 Abs. 1 ZPO statuierte Verhandlungsgrundsatz.
21
Die Krankenversicherer hatten sämtliche Behandlungen mit humanidentischen Hormonen als nicht OKP-pflichtig und deshalb als zurückzuerstattende unrechtmässige Leistungen erachtet und Unterlagen zur Untermauerung ihrer Auffassung eingereicht. Es oblag dem Beschwerdeführer, gegen die Rückerstattungspflicht sprechende Beweismittel vorzulegen resp. entsprechende Umstände vorzubringen. Die Vorinstanz hat somit keine Prozessmaxime verletzt, wenn sie die Unrechtmässigkeit der Leistungen im Lichte des KVG anhand der aktenkundigen Unterlagen überprüft hat. Dabei durfte sie mit Blick auf Art. 32 Abs. 1 KVG - in Rechtsanwendung von Amtes wegen - unterscheiden, welchem Zweck die Behandlungen nach der umstrittenen Methode gedient hatten. Sie hat die Grenzen des Streitgegenstandes eingehalten, als sie für einen Teil der betreffenden Leistungen (Behandlung von Wechseljahrbeschwerden bei Frauen) die Rechtmässigkeit bejaht und für den anderen (Behandlung anderer Beschwerden) verneint hat. Weiter leuchtet nicht ein, weshalb das Schiedsgericht die als unrechtmässig erachteten Leistungen nicht auf der Grundlage der von den Parteien eingereichten Akten hätte quantifizieren dürfen. Von einer "vollständigen Aushebelung" der Mitwirkungspflicht oder Verletzung eines anderen Prozessgrundsatzes in diesem Zusammenhang kann keine Rede sein.
22
 
4.2.
 
4.2.1. Was die 17 Patientendossiers angeht, so reicht der Beschwerdeführer u.a. eine "Zusammenstellung bzw. Übertragung handschriftliche Dokumentation auf Computer ausgedruckt der Fälle 3, 4, 6 und 13" ein. Diese besteht im Wesentlichen darin, dass den genannten Dossiers eine neue "Beurteilung" vorangestellt und sie durch eine Literaturliste ergänzt werden. Die "Beurteilungen" enthalten Informationen, die sich in den Dossiers nicht finden; beispielsweise betrifft dies in den Fällen 3 resp. 13 die Bemerkung " (k) lassische schulmedizinische Patientin" resp. " (a) bsolut typisches schulmedizinisches Vorgehen". Inwieweit die neuen "Beurteilungen" resp. die entsprechenden Behauptungen zulässig sind (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG), kann indessen offenbleiben. Damit werden die vorinstanzlichen Feststellungen nicht substanziiert in Abrede gestellt.
23
4.2.2. Die Vorinstanz hat zu den 17 Patientendossiers - wovon die Fälle 14 und 15 den gleichen Patienten betreffen - festgestellt, nicht nur die Fälle 1, 2, 7, 10 und 11 enthielten "komplementärmedizinische Elemente". Auch in den Fällen 3, 4 und 13 seien Hormone und im Fall 6 entsprechende Informationen abgegeben worden. Diese Feststellungen bleiben für das Bundesgericht verbindlich (vgl. vorangehende E. 1.2) : Insbesondere enthalten die Dossiers 3, 4 und 13 klare Hinweise auf Leistungen im Zusammenhang mit (humanidentischen) Hormonen (Fall 3: "[E]rträgt Hormone recht gut [...]"; Fall 4: "Labor: B2 + P passt für weitere 3 M → B2/P 0,80/80 200 St."; Fall 13: trotz beeinträchtigter Lesbarkeit der Akte ist das Wort "Hormone" drei mal erkennbar; ausserdem wurde in den Fällen 4 und 13 eine Hormonanalyse durchgeführt). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die 17 Patientendossiers (allenfalls) nicht selber ausgesucht, sondern auf konkrete Anfrage der Krankenversicherer vorgelegt hatte, ist nicht von entscheidender Bedeutung, zumal er selbst nicht darlegt (e), dass die Auswahl der Dossiers nicht repräsentativ sein soll. Vor diesem Hintergrund ist der vorinstanzliche Schluss, dass rund 50 % aller durch den Beschwerdeführer erbrachten Leistungen auf die umstrittene Methode entfallen seien, nicht offensichtlich unrichtig.
24
4.3. Dass die Behandlung "anderer Beschwerden" mit der umstrittenen Hormontherapie in die Leistungspflicht der OKP fallen soll, macht der Beschwerdeführer auch nicht ansatzweise geltend. Diesbezügliche Weiterungen erübrigen sich.
25
4.4. Das Schiedsgericht ist davon ausgegangen, dass die vom Beschwerdeführer erstellte "Hormonfälletherapiekontrolle 2011-2017" alle Hormonbehandlungsfälle enthält. Es hat ausgeführt, welche der 230 berücksichtigten Fälle es nicht Wechseljahrbeschwerden bei Frauen zugeordnet hat, nämlich jene, die klimakterische Beschwerden bei Männern ("Klimakterium virile") oder "andere Diagnosen" (als Wechseljahrbeschwerden) betreffen. Ein Blick in die "Hormonfälletherapiekontrolle 2011-2017" ergibt, dass mit Letzterem etwa "Adipositas, PMS", "sekundärer Hypogonadismus, DM Typ II, Melanom" oder "Migräne" gemeint sind. Auch wenn die Vorinstanz dies nicht ausgeführt und weder Fallnummern noch Patientennamen genannt hat, liegt darin keine Verletzung der Begründungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 89 Abs. 6 KVG; Art. 29 Abs. 2 BV) : Diesbezüglich war eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids ohne Weiteres möglich (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 mit Hinweisen; Urteil 8C_491/2021 vom 20. Dezember 2021 E. 6.2).
26
Eine offensichtliche Unrichtigkeit (vgl. vorangehende E. 1.2) der Feststellung, wonach rund 24 % der durchgeführten Hormontherapien resp. 12 % aller Leistungen des Beschwerdeführers nicht OKP-pflichtig seien, wird nicht substanziiert dargelegt.
27
4.5. Was schliesslich die gesamthaft fakturierten Kosten von Fr. 906'691.10 anbelangt, so hat das Schiedsgericht festgestellt, die diesem Betrag zugrunde liegende Tabelle beruhe auf dem Datenpool der SASIS AG, die für Krankenversicherer statistische Daten erhebe, und entspreche der ZSR-Nummer des Versicherten. Diese Feststellung wird nicht in Abrede gestellt. Auf dem Dokument selber ist ausgeführt, dass die Tabelle nur "direkte Kosten inkl. abgegebene Medikamente und Analysen, fakturiert durch Dr. A.________ (...) " enthält. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Vorinstanz darüber hinaus durch den Beschwerdeführer veranlasste Kosten anderer Leistungserbringer berücksichtigt haben soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgebracht.
28
4.6. Nach dem Gesagten bleiben die entscheidenden vorinstanzlichen Feststellungen für das Bundesgericht verbindlich (vgl. vorangehende E. 1.2). Das Schiedsgericht hat kein Recht verletzt, indem es Vergütungen im Umfang von Fr. 108'802.95 als unrechtmässig betrachtet und eine entsprechende Rückerstattungspflicht des Beschwerdeführers bejaht hat.
29
Dass - insbesondere bei diesem Ergebnis - die Vorinstanz bei der Festlegung der Parteientschädigung in Willkür verfallen sein soll, wird nicht substanziiert gerügt; darauf ist nicht weiter einzugehen. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.
30
5.
31
Mit diesem Urteil wird das Gesuch de s Beschwerdeführer s um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
32
6.
33
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
34
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 5000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht Graubünden nach eidgenössischem Sozialversicherungsrecht und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 21. März 2022
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann
 
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