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Informationen zum Dokument  BGer 6B_256/2022  Materielle Begründung
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BGer 6B_256/2022 vom 21.03.2022
 
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6B_256/2022
 
 
Urteil vom 21. März 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiberin Lustenberger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt,
 
An der Aa 4, 6300 Zug,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme, verspätete Beschwerde,
 
Beschwerde gegen die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, vom 8. Februar 2022 (BS 2021 108).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
A.________ erstattete am 21. Oktober 2021 Strafanzeige gegen eine Kantonsrichterin und einen Oberrichter wegen Amtsmissbrauchs. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug nahm die Strafuntersuchung mit Verfügung vom 5. Dezember 2021 nicht an die Hand. Auf eine gegen die Nichtanhandnahme erhobene Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Zug am 8. Februar 2022 wegen Verspätung nicht ein.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ vor Bundesgericht, die Präsidialverfügung vom 8. Februar 2022 sei aufzuheben und auf seine Beschwerde sei einzutreten.
 
 
2.
 
2.1. Die Frist für die Beschwerde gemäss Art. 393 ff. StPO beträgt zehn Tage (Art. 396 Abs. 1 StPO) und beginnt am Tag nach der Mitteilung des angefochtenen Entscheids zu laufen (Art. 90 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 91 Abs. 2 StPO müssen Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben werden. Die Aufgabe bei einer ausländischen Post hat keine fristwahrende Wirkung. In einem solchen Fall ist auf den Tag abzustellen, an dem die Eingabe von der Schweizerischen Post zur Weiterbeförderung in Empfang genommen wird (Urteile 6B_522/2021 vom 6. September 2021 E. 1.1; 6B_640/2017 vom 21. August 2017 E. 2.3; 4A_399/2014 vom 11. Februar 2015 E. 2.2 [zu Art. 143 Abs. 1 ZPO]; je mit Hinweisen). Die beschwerdeführende Partei, die sich dafür entscheidet, ihre Beschwerde bei einer ausländischen Post aufzugeben, muss somit deren rechtzeitigen Eingang bei der Beschwerdeinstanz sicherstellen, indem sie die Sendung früh genug abschickt (Urteil 6B_225/2021 vom 15. Juli 2021 E. 3 [zu Art. 48 Abs. 1 BGG]). Eine strikte Anwendung dieser Regel drängt sich aus Rechtsgleichheitsgründen auf und ist nicht überspitzt formalistisch (BGE 125 V 65 E. 1; Urteil 6B_737/2017 vom 27. Juni 2017 E. 1 [zu Art. 48 Abs. 1 BGG]).
 
Der allgemeine Grundsatz von Art. 8 ZGB, wonach derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache beweisen muss, der aus ihr Rechte ableitet, ist auch im Prozessrecht massgeblich. So trägt der Rechtsuchende die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung, die mit Gewissheit feststehen und nicht bloss überwiegend wahrscheinlich sein muss (BGE 119 V 7 E. 3c; Urteile 6B_11/2021 vom 17. Juni 2021 E. 2.1; 6B_154/2020 vom 16. November 2020 E. 3.1.1; je mit Hinweisen).
 
2.2. Der angefochtenen Präsidialverfügung ist zu entnehmen, dass die Nichtanhandnahmeverfügung dem Beschwerdeführer am 17. Dezember 2021 zugestellt wurde. Seine Beschwerde wurde am 23. Dezember 2021 der ungarischen Post übergeben und ging am 30. Dezember 2021 bei der Vorinstanz ein. Diese führt dazu aus, der Beschwerdeführer habe den Nachweis der Rechtzeitigkeit für die Übergabe der Sendung an die Schweizerische Post nicht erbracht. Die Beschwerde sei als verspätet anzusehen.
 
2.3. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, er habe seine Beschwerde bei der ungarischen Post als Express-Sendung aufgegeben. Solche Sendungen von Ungarn in die Schweiz seien normalerweise innert zwei bis drei Tagen vor Ort. Bedingt durch die Weihnachtstage und das Corona-Virus habe die Post grosse Verzögerungen gehabt, es sei das Faktum "Höhere Gewalt" gegeben. Den vom Obergericht verlangten Nachweis der Rechtzeitigkeit für die Übergabe der Sendung an die Schweizerische Post könne er nicht erbringen, da die Express-Sendung über keine Tracking-Nummer verfüge. Ausserdem sei Art. 91 StPO nicht anwendbar, da er die Sendung nicht an die "Strafbehörde Zug", sondern an das "Obergericht Zug" geschickt habe.
 
2.4. Vorab ist festzuhalten, dass Art. 91 Abs. 2 StPO nicht nur bei Eingaben an Strafverfolgungsbehörden anwendbar ist, sondern auch Gerichte als zuständige Behörde im Sinne dieser Bestimmung gelten können. Da die Vorinstanz für die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers zuständig war, greift somit Art. 91 Abs. 2 StPO.
 
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass seine Beschwerde fristgerecht der Schweizerischen Post übergeben wurde, sondern macht lediglich geltend, nicht in der Lage zu sein, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Das Risiko der rechtzeitigen Zustellung einer im Ausland aufgegebenen Sendung trägt jedoch der Absender. Die als Express-Sendung aufgegebene Beschwerde traf am 30. Dezember 2021 bei der Vorinstanz ein. Gewöhnliche "schnelle Sendungen" wie A-Post oder eingeschriebene Sendungen werden in der Schweiz am nächsten Werktag zugestellt. Dies legt die Vermutung nahe, dass die fragliche Beschwerde erst am 29. Dezember 2021 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist der Schweizerischen Post übergeben wurde. Den Beweis für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeeinreichung hat der Beschwerdeführer jedenfalls nicht erbracht, womit die Vorinstanz zu Recht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist.
 
Soweit sich der Beschwerdeführer auf "Höhere Gewalt" und damit fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis beruft, ist er darauf hinzuweisen, dass ein allfälliges Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist bei der Vorinstanz einzureichen wäre (Art. 94 Abs. 1 und 2 StPO).
 
3.
 
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren ebenfalls abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdeführer sind reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. März 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger
 
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