VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_572/2021  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 08.03.2022, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_572/2021 vom 10.02.2022
 
[img]
 
 
6B_572/2021
 
 
Urteil vom 10. Februar 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiber Stadler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin A. Kessler,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Verleumdung, eventuell üble Nachrede),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 26. März 2021 (UE200223-O/U/GRO).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
A.________ erstattete am 23. Dezember 2019 gegen insgesamt zwölf Personen Strafanzeige wegen Verleumdung und eventuell übler Nachrede, wobei er die entsprechenden Strafanträge stellte. Er warf den Beschuldigten vor, ihrerseits am 16. November 2018 gegen ihn eine Strafanzeige eingereicht und ihn darin wider besseres Wissen des Betrugs und der Urkundenfälschung beschuldigt zu haben. In dieser Strafanzeige vom 16. November 2018 machten die Beschuldigten geltend, A.________ habe im Zeitraum von mindestens Februar 2014 bis April 2016 Aktien der B.________ AG schweizweit verkauft und dabei die Anleger über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und den Wert der Aktien getäuscht.
2
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich nahm die Strafanzeige von A.________ am 9. Juni 2020 nicht anhand.
3
B.
4
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 26. März 2021 die von A.________ gegen die Nichtanhandnahmeverfügung erhobene Beschwerde ab.
5
C.
6
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben und die Sache an das Obergericht des Kantons Zürich zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie an die Staatsanwaltschaft II (recte: III) des Kantons Zürich zur Eröffnung einer Untersuchung zurückzuweisen.
7
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die Privatklägerschaft (vgl. Art. 118 Abs. 1 StPO) ist zur Beschwerde in Strafsachen indes nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Zivilforderungen im Sinne dieser Bestimmung sind unmittelbar aus der Straftat resultierende und vor den Zivilgerichten geltend zu machende Ansprüche, in erster Linie solche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1).
8
Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft im Strafverfahren nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche geltend gemacht. Sie muss im Verfahren vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, welche Zivilforderungen in Frage stehen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Wird der Zivilanspruch mit einer Persönlichkeitsverletzung begründet, so ist in der Beschwerde darzutun, inwiefern sie objektiv und subjektiv schwer wiegt (vgl. Art. 49 Abs. 1 OR). Genugtuungsansprüche aus Persönlichkeitsverletzungen entstehen nur, wenn der Eingriff aussergewöhnlich schwer ist und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigt (Urteil 6B_582/2020 vom 17. Dezember 2020 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 147 IV 47).
9
1.2. Der Beschwerdeführer beansprucht Schadenersatz wegen entgangenen Gewinns sowie eine Genugtuung in bezifferter Höhe wegen widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung. Er legt dar, er habe durch die in der Strafanzeige der Beschuldigten geäusserten ehrenrührigen Vorwürfe Kunden verloren und während der Dauer der Untersuchungshaft nicht arbeitstätig sein können. Zudem sei er für die von den Beschuldigten verursachte unverschuldete Haft sowie dafür, dass ihm die Fähigkeit abgesprochen worden sei, als rechtsschaffende und vertrauenswürdige Person Verwaltungsratsmandate auszuüben bzw. ein vertrauenswürdiger Vertragspartner zu sein, zu entschädigen.
10
Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens kann offenbleiben, ob diese Ausführungen genügen, um die Eintretensvoraussetzung von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG als erfüllt gelten zu lassen, abgesehen davon, dass es sich bei einer Haftentschädigung ohnehin um eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen den Zwangsmassnahmen anordnenden Staat handelt (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO) und hierauf nicht einzutreten ist.
11
2.
12
Der Beschwerdeführer begründet den Anfangsverdacht gegenüber den Beschuldigten wegen Verleumdung, evtl. übler Nachrede, sinngemäss damit, dass die Beschuldigten in ihrer Strafanzeige vom 16. November 2018 zahlreiche ehrverletzende Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätten, obwohl sie gewusst hätten, dass diese nicht der Wahrheit entsprechen oder sie zumindest ohne Weiteres davon Kenntnis hätten erlangen können. Entgegen der Vorinstanz könne ohne Durchführung einer Untersuchung nicht sicher gesagt werden, dass die durch die Beschuldigten angezeigten Geschehnisse ein Ehrverletzungsdelikt eindeutig nicht erfüllten. Zudem schliesse die Vorinstanz mit Verweis auf das pendente Strafverfahren gegen ihn selbst nicht aus, dass die erhobenen Vorwürfe der Beschuldigten unzutreffend und deren Angaben wider besseres Wissen erfolgt seien. Entsprechend sei eine Untersuchung zu eröffnen und das Verfahren bis zum Abschluss des gegen ihn geführten Strafverfahrens zu sistieren.
13
 
3.
 
3.1. Die Staatsanwaltschaft eröffnet namentlich dann eine Strafuntersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Die zur Eröffnung einer Strafuntersuchung erforderlichen tatsächlichen Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen erheblich und konkreter Natur sein. Blosse Gerüchte oder Vermutungen genügen nicht. Der Anfangsverdacht soll eine plausible Tatsachengrundlage haben, aus der sich die konkrete Möglichkeit ergibt, dass eine Straftat begangen worden ist (Urteile 6B_700/2020 vom 17. August 2021 E. 3.3; 6B_472/2020 vom 13. Juli 2021 E. 2.2.1; 6B_553/2019 vom 6. November 2019 E. 3.1; je mit Hinweisen). Dagegen verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO). Eine Nichtanhandnahme darf nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen, so bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt, oder bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen. Im Zweifelsfall ist folglich eine Untersuchung zu eröffnen (BGE 137 IV 285 2.3; Urteile 6B_700/2020 vom 17. August 2021 E. 3.3; 6B_472/2020 vom 13. Juli 2021 E. 2.2.3; 6B_553/2019 vom 6. November 2019 E. 3.1; je mit Hinweisen). Ergibt sich nach durchgeführter Untersuchung, dass kein Straftatbestand erfüllt ist, stellt die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gestützt auf Art. 319 StPO ein (BGE 137 IV 285 2.3).
14
Das Bundesgericht prüft im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme nicht wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern nur, ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausgegangen ist oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" angenommen hat. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor, bzw. wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist (Urteile 6B_700/2020 vom 17. August 2021 E. 3.3; 6B_1282/2020 vom 8. Juli 2021 E. 3; 6B_1039/2020 vom 20. April 2021 E. 1.3; je mit Hinweisen).
15
3.2. Die Ehrverletzungstatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB schützen den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, das heisst, sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Für die Frage, ob eine Äusserung ehrenrührig ist, ist massgebend, welchen Sinn ihr ein unbefangener Adressat unter den konkreten Umständen beimisst (BGE 137 IV 313 E. 2.1.3). Der Vorwurf, jemand habe eine strafbare Handlung begangen, ist grundsätzlich ehrverletzend (vgl. Urteile 1C_690/2017 vom 22. März 2018 E. 3.2.1; 6B_522/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 2.2 mit Hinweis).
16
3.3. Die Vorinstanz verneint einen Anfangsverdacht im Sinne von Art. 174 bzw. Art. 173 StGB. Sie führt aus, der Beschwerdeführer wolle aufzeigen, dass der gegen ihn erhobene Betrugsvorwurf nicht stimme. Diese Frage sei jedoch im fraglichen Strafverfahren gegen ihn selbst zu prüfen. Der Beschwerdeführer habe zudem nicht darlegen können, dass die Staatsanwaltschaft Hinweise auf ein Ehrverletzungsdelikt übersehen hätte. Drei Strafbehörden seien zum Schluss gekommen, dass der Betrugsverdacht gegen ihn zu bejahen sei; somit könne den Beschuldigten - zumindest im jetzigen Verfahrensstadium - nicht vorgeworfen werden, die Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer sei unrechtmässig erfolgt (angefochtener Entscheid S. 7).
17
 
3.4.
 
3.4.1. Die Beschuldigten warfen dem Beschwerdeführer (und einer weiteren Person) in ihrer Anzeige vor, er habe das von ihnen investierte Kapital selbst beansprucht, weil davon ausgegangen werden müsse, dass er Aktien aus eigenen Beständen in ihre Depots übertragen habe, wogegen ihnen vorgespiegelt worden sei, sie würden neu von der Gesellschaft ausgegebene Aktien kaufen (Untersuchungsakten pag. 20101025 ff.). Soweit der Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, diese Behauptung sei offensichtlich falsch, da er nie Aktionär der C.________ S.A. bzw. der B.________ AG gewesen sei, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beschuldigten diese Behauptung wider besseres Wissen getätigt haben sollen, zumal sie sich in ihrer Anzeige u.a. auf einen Businessplan der B.________ AG von Januar 2016 beriefen, wonach die Gründer, darunter der Beschwerdeführer, (direkt oder über persönliche Investmentvehikel) 51% der Aktien an der B.________ AG gehalten haben sollen (vgl. Untersuchungsakten pag. 20101148). Zudem erläuterten die Beschuldigten in ihrer Anzeige, dass die Gesellschaft in der Folge gar keine Kapitalerhöhung durchgeführt hatte. Damit setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Weiter legt er nicht dar, inwiefern allein der Umstand, dass die Beschuldigten nie direkten Kontakt mit ihm gehabt haben sollen, dafür sprechen könnte, dass sie wider besseres Wissen behauptet hätten, der Beschwerdeführer habe die Aktienverkäufer instruiert und mit wahrheitswidrigen Informationen versorgt. Jedenfalls schildern die Beschuldigten in ihrer Strafanzeige, weshalb aus ihrer Sicht der Beschwerdeführer als (damaliger) Verwaltungsrat der B.________ AG über deren Angestellte unter wahrheitswidrigen und täuschenden Angaben Aktien zu massiv übersetzten Preisen verkauft haben soll. So erwähnen sie etwa, dass er fast alle Aktien-Zeichnungsscheine gegengezeichnet und verschiedentlich auch als Absender von Berichten, welche den Investoren über die angeblichen Entwicklungen bei der B.________ AG zugestellt worden seien, gezeichnet haben soll. Auch dies wird vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Dass die den Beschuldigten zugekommenen Informationen über die B.________ AG (teilweise) falsch gewesen sein sollen, bestreitet der Beschwerdeführer nicht substantiiert. Sodann kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten, wenn er vorbringt, die Beschuldigten hätten ihm vorgeworfen, er habe ihnen vorgemacht, die B.________ AG (und nicht deren Töchter) würde das operative Geschäft führen. Wie aus der Anzeige hervorgeht, ging der Vorwurf der Beschuldigten dahin, dass es sich bei der B.________ AG um einen Aktienmantel ohne werthaltige Aktiven gehandelt habe. Auch darauf geht der Beschwerdeführer nicht näher ein. Schliesslich macht er geltend, eine Tochter der B.________-Gruppe habe mit dem D.________ einen Vertrag abgeschlossen, wobei aus diesem Geschäft ein Jahresumsatz von USD 3,6 Mia. resultiere, was von den Beschuldigten verschwiegen worden sei. Inwiefern diese Behauptung für die Begründung einer allfälligen Ehrverletzung herangezogen werden sollte, ist nicht ersichtlich, zumal der Beschwerdeführer in seiner Strafanzeige selber ausführen liess, den Beschuldigten sei zum Zeitpunkt ihrer Strafanzeige nicht bekannt gewesen, dass damals Vertragsverhandlungen stattgefunden hätten (vgl. Untersuchungsakten pag. 20101015).
18
3.4.2. Damit ist die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht von einem fehlenden Tatverdacht ausgegangen. Selbst wenn sich die Vorwürfe der Beschuldigten (im pendenten Verfahren) als unbegründet erweisen sollten, liegen nach dem Gesagten keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass sie wider besseres Wissen bzw. in Kenntnis ihrer Unbegründetheit erhoben worden sind. Mangels Hinweise auf ein Ehrverletzungsdelikt drängt sich demnach auch keine Sistierung des Verfahrens auf.
19
Demnach erweisen sich die weiteren Rügen des Beschwerdeführers, wonach die Nichtanahnahme seiner Strafanzeige eine formelle Rechtsverweigerung darstelle und seinen verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör verletze, als unbegründet.
20
4.
21
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit drauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
22
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Februar 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler
 
© 1994-2022 Das Fallrecht (DFR).