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Informationen zum Dokument  BGer 1B_449/2020  Materielle Begründung
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BGer 1B_449/2020 vom 16.02.2021
 
 
1B_449/2020
 
 
Urteil vom 16. Februar 2021
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Müller, als Einzelrichter,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG in Liq.,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch die Rechtsanwälte
 
Andreas Donatsch und Benjamin Leupi,
 
gegen
 
Bundesanwaltschaft,
 
Guisanplatz 1, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Entsiegelung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonalen
 
Zwangsmassnahmengerichts Bern, Präsident,
 
vom 11. August 2020 (KZM 20 374 BÜH).
 
 
In Erwägung,
 
dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) am 25. Februar 2020 bei der Bundesanwaltschaft (BA) eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen mutmasslichen Widerhandlungen gegen Art. 14 des Güterkontrollgesetzes und Art. 9 der Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung einreichte;
 
dass die BA am 6. März 2020 einige hundert Chiffriergeräte der Firma A.________ AG (in Liquidation) und einer weiteren Gesellschaft sowie Dokumente der Letztgenannten durch die Bundeskriminalpolizei vorsorglich sicherstellen liess und auf Begehren einer Betroffenen bzw. von Amtes wegen versiegelte;
 
dass die BA den Bundesrat am 13. März 2020 ersuchte, über die Erteilung oder Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung zu entscheiden;
 
dass die BA am 25. März 2020 beim Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern (ZMG) vorsorglich das Entsiegelungsgesuch betreffend die sichergestellten Geräte und Dokumente stellte;
 
dass der Bundesrat mit Entscheid vom 23. Juni 2020 die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilte, worauf die BA das Strafverfahren SV.20.0302 gegen Unbekannt förmlich eröffnete;
 
dass das ZMG (Präsident) mit Entscheid KZM 20 374 vom 11. August 2020 das Entsiegelungsgesuch guthiess und die sichergestellten Geräte und Dokumente zur Durchsuchung (und weiteren strafprozessualen Verwendung) an die BA frei gab;
 
dass die Firma A.________ AG (in Liquidation) den Entsiegelungsentscheid, soweit er sie betraf, mit Beschwerde vom 1. September 2020 beim Bundesgericht anfocht;
 
dass die BA die Strafuntersuchung SV.20.0302 mit rechtskräftiger Verfügung vom 8. Dezember 2020 einstellte und mit Eingabe vom 21. Dezember 2020 an das Bundesgericht beantragt, das Beschwerdeverfahren sei abzuschreiben, unter Kostenfolgen zulasten des Bundes;
 
dass das Bundesgericht der Beschwerdeführerin und der Vorinstanz am 14. Januar 2021 mitteilte, dass es in Aussicht nehme, die Beschwerdesache infolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben, unter den gesetzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen;
 
dass das Bundesgericht die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz gleichzeitig (fakultativ) einlud, sich bis am 25. Januar 2021 zur in Aussicht genommenen Verfahrenserledigung zu äussern bzw. eine allfällige Kostennote einzureichen;
 
dass die Beschwerdeführerin sich mit Eingabe vom 21. Januar 2021 mit der Verfahrenserledigung per Abschreibung infolge Gegenstandslosigkeit der Beschwerde ausdrücklich einverstanden erklärte;
 
dass die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht eine Kostennote über insgesamt Fr. 62'956.50 unterbreitet und beantragt, es seien in dieser Höhe "die Kosten der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht sowie für das Verfahren der Bundesanwaltschaft und vor dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern zu erstatten";
 
dass die Beschwerdeführerin eventualiter beantragt, falls das Bundesgericht nicht in der Lage wäre, einen entsprechenden Entschädigungs-Entscheid zu fällen, sei "die Sache an das Kantonale Zwangsmassnahmengericht Bern zurückzuweisen, damit dieses Gericht über die Entschädigung für das Verfahren vor der Bundesanwaltschaft und vor dem Zwangsmassnahmengericht entscheiden kann";
 
dass die Vorinstanz am 18. Januar 2021 auf eine Stellungnahme zur vorgesehenen Verfahrenserledigung ausdrücklich verzichtete;
 
dass die BA dem Bundesgericht am 19. Januar 2021 eine Kopie ihrer Einstellungsverfügung vom 8. Dezember 2020 einreichte;
 
dass das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos geworden abzuschreiben ist und der Instruktionsrichter als Einzelrichter darüber entscheidet (Art. 32 Abs. 2 BGG);
 
dass über die Kostenfolgen aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes mit summarischer Begründung zu entscheiden ist (Art. 72 BZP i.V.m. Art. 71 BGG);
 
dass die BA die Strafuntersuchung am 8. Dezember 2020 einstellte, weil angesichts des erfüllten Rechtfertigungsgrundes von Art. 14 StGB kein Tatverdacht eines rechtswidrigen und tatbestandsmässigen Deliktes mehr erhärtet gewesen sei;
 
dass die vorliegende Beschwerde gegen den Entsiegelungsentscheid daher mangels hinreichenden Tatverdachtes (Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO) voraussichtlich gutzuheissen gewesen wäre;
 
dass folglich für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben sind (Art. 66 Abs. 4 BGG);
 
dass der Beschwerdeführerin keine vorinstanzlichen Gerichtskosten auferlegt worden sind und der angefochtene Entscheid nicht geändert wird, weshalb darüber nicht neu zu entscheiden ist (Art. 67 BGG);
 
dass die BA in ihrem rechtskräftigen Endentscheid vom 8. Dezember 2020 (Einstellungsverfügung) über die Verfahrenskosten (Art. 422 f. StPO) der Strafuntersuchung SV.20.0302 entschieden hat (Dispositivziffer 2);
 
dass die Beschwerdeführerin von der Sicherstellung und Entsiegelung unmittelbar betroffen und insofern als Partei ("beschwerte Dritte") zu behandeln ist (Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO);
 
dass über Entschädigungsansprüche von Dritten für das Strafverfahren im Endentscheid zu befinden ist (Art. 434 Abs. 2 StPO);
 
dass das mit einer akzessorischen Beschwerde gegen einen Entsiegelungsentscheid des ZMG befasste Bundesgericht somit nicht zuständig ist zum erstinstanzlichen Entscheid über eine Parteientschädigung der Beschwerdeführerin in der rechtskräftig eingestellten Strafuntersuchung SV.20.0302 der BA (Art. 434 Abs. 2 i.V.m. 421 Abs. 1 und Art. 416 StPO), weshalb auf das betreffende Entschädigungsbegehren nicht einzutreten ist;
 
dass auch die Vorinstanz nicht zuständig ist zum Entscheid über eine Parteientschädigung der Beschwerdeführerin im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren SV.20.0302 vor der BA, weshalb der betreffende Teil-Eventualantrag um Überweisung an das ZMG abzuweisen ist;
 
dass die Vorinstanz der Beschwerdeführerin (angesichts des damaligen Verfahrensausganges) keine Parteientschädigung für das Entsiegelungsverfahren KZM 20 374 zugesprochen hat;
 
dass der Beschwerdeführerin - aufgrund des oben erörterten voraussichtlichen Verfahrensausgangs vor Eintritt des Erledigungsgrundes - eine Parteientschädigung sowohl für das vorinstanzliche Entsiegelungsverfahren KZM 20 374 als auch für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht zuzusprechen ist;
 
dass das Bundesgericht über die vorinstanzliche Parteientschädigung neu entscheiden kann, falls es den angefochtenen Entscheid ändert (Art. 67 BGG);
 
dass das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid nicht ändert, da er mit der Verfahrenseinstellung gegenstandslos geworden ist und die BA die Sicherstellungen der Geräte und Dokumente (laut Einstellungsverfügung) förmlich aufgehoben und die Rückgabe an die Betroffenen verfügt hat;
 
dass das Bundesgericht im vorliegenden Fall auch nicht in der Lage wäre, den Aufwand der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Entsiegelungsverfahren KZM 20 374 und die Schwierigkeit der sich im vorinstanzlichen Verfahren stellenden spezifischen Tat- und Rechtsfragen allein aufgrund der vorinstanzlichen Akten ausreichend abzuschätzen;
 
dass das Bundesgericht daher feststellt, dass die Beschwerdeführerin für das vorinstanzliche Verfahren KZM 20 374 angemessen zu entschädigen ist, und dass es die vorinstanzlichen Akten (im Sinne des Teil-Eventualantrages der Beschwerdeführerin) an die Vorinstanz weiterleitet zur Bemessung der Höhe der vorinstanzlichen Parteientschädigung zu Lasten der Schweizerischen Eidgenossenschaft;
 
dass die Beschwerdeführerin in ihrer Kostennote vom 21. Januar 2021 für das Verfahren vor dem Bundesgericht (Zeitraum ab 11. August 2020: "Studium des Entscheids des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts Bern vom 11. August 2020") eine Parteientschädigung von insgesamt ca. Fr. 33'000.-- beantragt;
 
dass bei ca. Fr. 15'000.-- dieser in Rechnung gestellten Leistungen (nämlich Fr. 9'672.65 und Fr. 5'250.75 für den Zeitraum "02.03. bis 31.12.2020") nicht ersichtlich ist, welches Honorar auf das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht (ab August 2020) entfällt, und die Beschwerdeführerin insofern nicht zwischen Leistungen für die Strafuntersuchung SV.20.0302 der BA, für das Entsiegelungsverfahren KZM 20 374 vor dem ZMG bzw. für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht differenziert;
 
dass der für das bundesgerichtliche Verfahren deklarierte Aufwand zudem in einem Missverhältnis zur Bedeutung der Beschwerdesache (Entsiegelung und Durchsuchung von Beweismitteln im Untersuchungsverfahren, Art. 246-248 StPO) steht;
 
dass hier ein relativ komplexer Entsiegelungs-Beschwerdefall anhängig war und die Parteientschädigung der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht in Anwendung des Reglementes vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht (SR 173.110.210.3, Art. 1 und Art. 2 i.V.m Art. 4, 6, 8, 11 und 12) auf Fr. 6'000.-- (pauschal, inkl. MWST) festgelegt wird;
 
dass Verfügungen des Instruktionsrichters nach Art. 32 BGG nicht anfechtbar sind (Art. 32 Abs. 3 BGG),
 
 
erkennt der Einzelrichter:
 
1. Das Beschwerdeverfahren wird zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt abgeschrieben.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Die Schweizerische Eidgenossenschaft (Kasse der Bundesanwaltschaft) hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 6'000.-- (pauschal, inkl. MWST) zu entrichten.
 
4. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auch für das vorinstanzliche Verfahren KZM 20 374 angemessen zu entschädigen ist, und die vorinstanzlichen Akten werden an die Vorinstanz weitergeleitet zur Bemessung der Höhe der Parteientschädigung im Verfahren KZM 20 374 zu Lasten der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Kasse der Bundesanwaltschaft).
 
5. Es wird festgestellt, dass weder das Bundesgericht noch die Vorinstanz dafür zuständig sind, über eine Parteientschädigung der Beschwerdeführerin in der rechtskräftig eingestellten Strafuntersuchung SV.20.0302 der Bundesanwaltschaft zu entscheiden.
 
6. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern, Präsident, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. Februar 2021
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Einzelrichter: Müller
 
Der Gerichtsschreiber: Forster
 
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