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Informationen zum Dokument  BGer 8C_403/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_403/2020 vom 22.12.2020
 
 
8C_403/2020
 
 
Urteil vom 22. Dezember 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
 
Gerichtsschreiber Nabold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwältin Fiona Carol Forrer,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Mai 2020 (IV.2019.00317).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1966 geborene A.________, gelernter Strassenbauer, arbeitete zuletzt als Geschäftsführer und Einleger von Bodenheizungen der von ihm gegründeten B.________ GmbH. Am 20. Juni 2012 meldete er sich unter Hinweis auf eine Depression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an; die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm mit Verfügung vom 27. Oktober 2014 rückwirkend ab 1. Dezember 2012 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente zu.
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Am 29. August 2014, und damit bereits vor der rentenzusprechenden Verfügung, forderte die IV-Stelle A.________ auf, sich einer regelmässigen psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Im September 2015 leitete sie zudem ein Revisionsverfahren ein, wobei sie insbesondere eine polydisziplinäre Expertise bei der Medas-Stelle Neurologie Toggenburg AG einholte (Gutachten vom 10. Oktober 2018). Daraufhin hob die IV-Stelle die laufende Rente mit Verfügung vom 25. Februar 2019 per Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf.
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B. Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 11. Mai 2020 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, ihm sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides auch weiterhin eine Invalidenrente zuzusprechen, eventuell sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
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In seinen weiteren Eingaben (vom 26. Juni, 24. Juli, 31. Juli, 25. August, 9. Oktober, 20. Oktober und 4. Dezember 2020) hält A.________ an seinen Rechtsbegehren fest.
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Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind grundsätzlich gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).
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1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen; BGE 133 III 545 E. 2.2 S. 550; BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.3. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen).
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1.4. Beweismittel, welche erst nach dem angefochtenen Entscheid entstanden sind, sind im bundesgerichtlichen Verfahren als echte Noven von vornherein unbeachtlich (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 23 mit Hinweisen; vgl. auch Urteile 9C_823/2018 vom 11. Juni 2019 E. 1 und 2C_445/2019 vom 7. August 2019 E. 1.3). Die zahlreichen vom Beschwerdeführer im letztinstanzlichen Verfahren eingereichten, erst nach dem angefochtenen Entscheid entstandenen Berichte der behandelnden Ärzte müssen daher im vorliegenden Verfahren als echte Noven unbeachtet bleiben.
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, als es die Aufhebung der ganzen Rente der Invalidenversicherung bestätigte.
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3. Gegen die Verfügung vom 25. Februar 2019 hat der Beschwerdeführer, bereits damals vertreten durch eine Rechtsanwältin, innerhalb der Beschwerdefrist eine rechtsgenügliche Beschwerde vor kantonalem Gericht eingereicht. Mit Verfügung vom 19. Juni 2019 bewilligte das kantonale Gericht das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung, verzichtete auf die Anordnung eines weiteren Schriftenwechsels und gab den Parteien die Gelegenheit, sich nochmals zur Sache zu äussern und weitere sachbezogene Unterlagen einzureichen. Von dieser Gelegenheit machte der Beschwerdeführer in der Folge dann auch Gebrauch. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt damit entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht vor.
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4.
 
4.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
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4.2. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente nach Art. 17 Abs. 1 ATSG von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (sog. "Rentenrevision").
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5. 
16
5.1. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere aber unter Berücksichtigung des Gutachtens der Neurologie Toggenburg AG vom 10. Oktober 2018 für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit der rentenzusprechenden Verfügung erheblich verbessert hat und dieser nunmehr in der Lage ist, einer angepassten Tätigkeit uneingeschränkt nachzugehen. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die ursprüngliche Rentenzusprache auf einem psychischen Leiden beruhte, welches sich seither erheblich verbessert hat. Er macht jedoch geltend, durch dieses Leiden auch weiterhin zu 50 % in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt zu sein; zudem habe sich seit der Rentenzusprache sein somatischer Gesundheitszustand aufgrund von Degenerationen im Lumbosakralbereich verschlechtert, so dass insgesamt weiterhin von einer vollen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei.
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5.2. Auf ein im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholtes Gutachten ist rechtsprechungsgemäss abzustellen, wenn nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470).
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5.2.1. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das psychiatrische Teilgutachten weise formelle Mängel auf, ist Folgendes festzuhalten: Zwar trifft es zu, dass die versicherte Person im Verfahren nach Art. 44 ATSG vorgängig über die Begutachtung zu informieren, ihr die Fragestellung zu eröffnen und ihr die Möglichkeit zur Einreichung von Zusatzfragen einzuräumen ist (vgl. BGE 137 V 210 E. 3.4.2.9 S. 258). Aus dieser Verfahrensordnung folgte keine Pflicht der Verwaltung, die Begutachtungsanordnung von sich aus auch dem Hausarzt und/oder dem behandelnden Psychiater des Beschwerdeführers zu eröffnen, woran nichts ändert, dass dieser im Zeitpunkt der Anordnung der Begutachtung nicht rechtskundig vertreten war. Auch das fertig erstellte Gutachten kann von der IV-Stelle nicht ohne weiteres den behandelnden Ärzten zur Stellungnahme unterbreitet werden; eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch diesbezüglich nicht vor. Der Gehörsanspruch der versicherten Person wird durch das Vorbescheidverfahren gewährleistet (vgl. Urteil 8C_537/2020 vom 2. November 2020 E. 4.1). In diesem Verfahrensstadium hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, entweder seine Ärzte zu Rate zu ziehen oder die Vertretung durch einen Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen. Mit Blick darauf, dass im Administrativverfahren ein unentgeltlicher Rechtsbeistand nur ausnahmsweise und zwar nur dann bewilligt wird, wenn die Verhältnisse es erfordern (vgl. Art. 37 Abs. 4 ATSG), musste die IV-Stelle den Beschwerdeführer auch nicht auf diese Möglichkeit hinweisen.
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5.2.2. Auch die inhaltliche Kritik des Beschwerdeführers am psychiatrischen Teilgutachten lässt das Abstellen der Vorinstanz auf dieses nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Insbesondere wurde auch vom psychiatrischen Experten die Diagnose eines "möglicherweise vorhanden ADHS in der Kindheit mit guten Copingstrategien (ICD-10: F90.0) " gestellt; die Behauptung, der Gutachter habe diese Diagnose nicht gekannt, ist damit aktenwidrig. Weiter ist festzuhalten, dass die Vorinstanz nicht aufgrund der überholten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den Suchtleiden (vgl. BGE 145 V 215) den gemäss dem Gutachten alkoholinduzierten Beschwerden keine Beachtung schenkte. Das kantonale Gericht hat vielmehr festgestellt, dass der Beschwerdeführer nunmehr abstinent lebt, womit keine auf einen akuten Alkoholkonsum zurückgehende Beschwerden mehr zu erwarten sind.
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5.2.3. Gemäss den gutachterlichen Erörterungen ist der Beschwerdeführer aus somatischer Sicht in einer leidensangepassten Tätigkeit voll arbeitsfähig. Er bringt dagegen vor, die Gutachter hätten bei der Festlegung der Restarbeitsfähigkeit seinen degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule zu wenig Beachtung geschenkt. Wie die Vorinstanz indessen zutreffend erwogen hat, folgt auch nach Ansicht seines behandelnden Arztes aus der Rückenproblematik keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in einer sitzenden Tätigkeit. Somit hat das kantonale Gericht nicht gegen den Untersuchungsgrundsatz verstossen, als es auf weitere Abklärungen zur Wirbelsäulen-Problematik verzichtet hat.
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5.2.4. Durfte das kantonale Gericht, ohne damit Bundesrecht zu verletzen, von einer nunmehr 100%igen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in einer angepassten Tätigkeit ausgehen, so besteht gemäss den unbestrittenen vorinstanzlichen Erwägungen zum Einkommensvergleich kein rentenbegründender Invaliditätsgrad mehr. Damit ist die Rentenaufhebung nicht zu beanstanden.
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5.3. Gemäss verbindlicher vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung sind zur Ausübung der dem Beschwerdeführer offen stehenden Tätigkeiten keine Umschulungsmassnahmen notwendig. Inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig sein sollte, wird vom Beschwerdeführer nicht substanziiert dargelegt, so dass sich Weiterungen hiezu erübrigen.
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6. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - ohne Schriftenwechsel und mit summarischer Begründung (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - erledigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdeführer sind demnach die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 22. Dezember 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold
 
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