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Informationen zum Dokument  BGer 4A_506/2020  Materielle Begründung
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BGer 4A_506/2020 vom 22.12.2020
 
 
4A_506/2020
 
 
Urteil vom 22. Dezember 2020
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
 
Gerichtsschreiber Widmer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ LTD,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Roger Staub,
 
Oliver Kunz und Manuel Bigler,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtigerklärung einer Marke; Ausstand; Nichtbezahlung des Kostenvorschusses,
 
Beschwerde gegen das Urteil und den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 17. August 2020 (HG190069-O).
 
 
In Erwägung,
 
dass die A.________ LTD eine Private Limited Company englischen Rechts ist, die am 20. Juli 2018 durch ihren in der Schweiz wohnhaften Director, C.________, U.________, gegründet wurde;
 
dass die A.________ LTD Inhaberin der Schweizer Marke Nr. xxx "Y.________" ist, die für die Klassen 3 und 14 im schweizerischen Markenregister eingetragen wurde;
 
dass das Handelsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 17. August 2020 auf Antrag der B.________ AG feststellte, dass die genannte Schweizer Marke "Y.________" für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen nichtig sei; die Marke sei ohne Gebrauchsabsicht und unter Verstoss gegen Art. 2 UWG hinterlegt worden;
 
dass das Handelsgericht mit gleichzeitig gefälltem Beschluss das Gesuch der A.________ LTD um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abwies;
 
dass die A.________ LTD gegen das Urteil und den Beschluss vom 17. August 2020 mit Eingabe vom 27. September 2020 Beschwerde in Zivilsachen erhob;
 
dass sie gleichzeitig das Gesuch stellte, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und es sei der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 64 BGG für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, unter Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands in der Person von Rechtsanwalt Dr. D.________, V.________;
 
dass die Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz mit Verfügung vom 1. Oktober 2020 eingeladen wurden, zum Gesuch um aufschiebende Wirkung Stellung zu nehmen;
 
dass der Beschwerdegegnerin auf deren Verlangen mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 die Beschwerdebeilagen zugestellt wurden, mit Ausnahme der mit einem Vermerk "nur für das Gericht bestimmt" versehenen Beilage 2;
 
dass das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren vom Bundesgericht mit Verfügung vom 8/12. Oktober 2020 abgewiesen und die Beschwerdeführerin aufgefordert wurde, spätestens am 27. Oktober 2020 einen Kostenvorschuss von Fr. 5'000.-- einzuzahlen;
 
dass zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, die Beschwerdeführerin sei eine juristische Person, die ihren Teilhabern eine beschränkte Haftung ermögliche, und die nach ihrer Darstellung mit einem Eigenkapital von bloss 1 GBP ausgestattet wurde und als einziges Aktivum über die streitgegenständliche Marke verfüge, die mit dem Hauptbestandteil ihres Gesellschaftsnamens übereinstimme; eine in dieser Weise konstituierte Gesellschaft sei von allem Anfang an in finanzieller Hinsicht nicht in der Lage, ihr einziges Aktivum, bestehend in einer registrierten Marke, im Fall einer Auseinandersetzung über die Rechtsbeständigkeit derselben aus eigener Kraft zu verteidigen und müsse dazu von vornherein die unentgeltliche Rechtspflege beantragen, wenn auch die an ihr beteiligten Gesellschafter und Organe mittellos seien, wie hier geltend gemacht werde; es entspreche jedoch nicht dem Zweck des Instituts der unentgeltlichen Rechtspflege, einem derartigen Vehikel, dessen tatsächlicher Zweck offensichtlich einzig im Halten einer Marke bestehe, was auch die Verteidigung derselben gegen Angriffe von Drittparteien umfassen müsse, indessen von ihrem Gründer von Beginn weg nicht mit den dafür erforderlichen Mitteln ausgestattet worden sei, ausnahmsweise die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und die Kosten für die Wahrung der Markenrechte dem Staat zu überlassen;
 
dass die Vorinstanz mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 auf eine Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung verzichtete;
 
dass die Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 22. Oktober 2020 auf Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung schloss, soweit dieses die Kosten- und Entschädigungsfolgen des angefochtenen Urteils betrifft, und auf eine Stellungnahme zum Gesuch verzichtete, soweit es um die festgestellte Nichtigkeit der streitgegenständlichen Marke geht;
 
dass sie gleichzeitig darum ersuchte, die Beschwerdeführerin sei zur Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 15'000.-- zu verpflichten;
 
dass das Schreiben der Vorinstanz vom 12. Oktober 2020 und die Eingabe vom 22. Oktober 2020 der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 26. Oktober 2020 zur Kenntnisnahme zugestellt wurden;
 
dass die Sendungsverfolgung bei der Post für die Kostenvorschussverfügung vom 12. Oktober 2020 fehlschlug, weshalb die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 2. November 2020 erneut aufgefordert wurde, einen Kostenvorschuss von Fr. 5'000.-- einzuzahlen, wofür ihr eine Frist bis zum 17. November 2020 angesetzt wurde;
 
dass die Beschwerdeführerin mit Eingaben vom 2. und vom 5. November 2020 zur Antwort der Beschwerdegegnerin zum Gesuch um aufschiebende Wirkung replizierte und zum Sicherstellungsgesuch der Beschwerdegegnerin Stellung nahm;
 
dass der Beschwerdeführerin, da der Kostenvorschuss innerhalb der angesetzten Frist nicht eingegangen war, mit neuer Verfügung vom 18. November 2020 eine nicht erstreckbare Nachfrist zur Vorschussleistung bis zum 3. Dezember 2020 angesetzt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Bundesgericht bei Säumnis auf das Rechtsmittel nicht eintreten werde (Art. 62 Abs. 3 BGG);
 
dass beim Bundesgericht am 19. November 2020 ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 17. November 2020 einging, mit dem diese "aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit" ihres Directors um Aussetzung "der Fristen" ersuchte, bis der Director wieder definitiv arbeitsfähig sei;
 
dass dieses Gesuch mit Schreiben vom 23. November 2020 abgelehnt wurde, mit der Begründung, es sei fraglich, ob sich eine Gesellschaft überhaupt darauf berufen könne, Fristen aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ihres einzigen Organs nicht wahrnehmen zu können; jedenfalls gehe aus dem beigelegten Arztzeugnis, das eine Arbeitsunfähigkeit vom 11. November bis zum 10. Dezember 2020 bescheinigte, nicht hervor, dass Herr C.________ krankheitsbedingt nicht in der Lage wäre, die Zahlung eines Kostenvorschusses vorzunehmen oder wenigstens eine Drittperson mit der Zahlung des Kostenvorschusses zu beauftragen; eine Abnahme der einzig laufenden, nicht erstreckbaren Nachfrist zur Leistung eines Kostenvorschusses sei daher ausgeschlossen;
 
dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 3. Dezember 2020 das Begehren stellte, die Präsidentin der I. zivilrechtlichen Abteilung, Bundesrichterin Christina Kiss, und die Bundesrichterinnen Hohl und May Canellas sowie Gerichtsschreiber Thomas Widmer, d.h. die Gerichtspersonen, die an der Verfügung betreffend unentgeltliche Rechtspflege vom 8. Oktober 2020 mitwirkten, hätten in den Ausstand zu treten; die abgelehnten Personen hätten sich der Verkündung weiterer Verfügungen, vorbereitender, prozessfördernder Massnahmen sowie Entscheidungen zu enthalten;
 
dass sie zur Begründung ihres Ausstandsbegegehrens u.a. vorbringt, sie erfülle alle formalen Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege und diese werde von den abgelehnten Gerichtspersonen dennoch aus "unsachlichen, parteiischen und niedrigen Motiven, verbunden mit abfälligen, despektierlichen Äusserungen", in diskriminierender Weise abgelehnt; aus den Äusserungen ihr gegenüber müsse sie befürchten, dass die abgelehnten Personen ihr gegenüber voreingenommen seien und nicht unparteiisch urteilen würden;
 
dass sie sich dabei hauptsächlich daran stösst, dass sie in der Begründung der Verfügung vom 8. Oktober 2020 als "Vehikel" mit "bloss" einem englischen Pfund Eigenkapital bezeichnet werde, obwohl es sich bei der "Private Limited Company by Shares" nach englischem Recht um eine anerkannte, stark verbreitete und gleichberechtigte Gesellschaftsform ohne gesetzliches Mindeststammkapital handle, die nichts Rechtsmissbräuchliches in sich habe; es gebe kein Gesetz, das vorsehe, dass ein Unternehmen für sein Eigentum eine bestimmte Summe bereithalten müsse, "für den (hypothetischen) Fall, dass ein Räuber/Dieb das Eigentum einmal in der Zukunft" stehle;
 
dass Ausstandsbegehren, die primär mit früheren, zuungunsten der Partei ausgefallenen Entscheiden, an denen die abgelehnte Gerichtsperson mitgewirkt hat, oder sonstwie mit nicht nachvollziehbaren bzw. untauglichen Motiven begründet werden, unzulässig sind und die abgelehnten Gerichtspersonen am Entscheid darüber mitwirken können, ohne dass gemäss Art. 37 BGG vorzugehen wäre (Urteil 2F_12/2008 vom 4. Dezember 2016 E. 2.1; vgl. dazu auch BGE 114 Ia 278 E. 1; Art. 105 Ib 301 E. 1c S. 204 zu Art. 26 des Ende 2006 ausser Kraft gesetzten Bundesrechtspflegegesetzes [OG], welcher im Wesentlichen mit Art. 37 BGG übereinstimmt).
 
dass die Beschwerdeführerin nicht darlegt und nicht ersichtlich ist, inwiefern die angeblichen Unterstellungen und beanstandeten Formulierungen in der Verfügung vom 8. Oktober 2020 derart krass sein sollen, dass daraus auf eine Absicht der Benachteiligung der Beschwerdeführerin geschlossen werden könnte, sondern bloss in frei gehaltenen, kaum nachvollziehbaren Ausführungen die Begründung der Verfügung als willkürlich kritisiert;
 
dass sie insbesondere auch nicht nachvollziehbar aufzeigt, inwiefern darin, dass die Beschwerdeführerin in der Verfügung aufgrund ihrer konkreten tatsächlichen Konstituierung und Verwendung als "Vehikel" mit einem Eigenkapital von "bloss" 1 GBP bezeichnet wurde, oder inwiefern aufgrund von anderen angeblichen "Abfälligkeiten" oder despektierlichen Äusserungen in der Begründung der Verfügung darauf geschlossen werden müsste, dass die mitwirkenden Gerichtspersonen ihr gegenüber - objektiv betrachtet - befangen seien;
 
dass die Beschwerdeführerin auch ansonsten keine tauglichen Ausstandsgründe gegen die an der Verfügung vom 8. Oktober 2020 beteiligten Gerichtspersonen geltend macht, weshalb auf das Ausstandsgesuch nicht einzutreten ist, worüber nach der zitierten Rechtsprechung die vom Ablehnungsbegehren (mit) betroffenen Gerichtspersonen entscheiden können;
 
dass eine Partei, die den Ausstand einer Gerichtsperson verlangen will, ein schriftliches dahingehendes Begehren einzureichen hat, sobald sie vom Ausstandsgesuch Kenntnis erhalten hat (Art. 36 BGG);
 
dass sie den Anspruch auf spätere Anrufung des Ausstandsgrundes verwirkt, wenn sie nicht unverzüglich ein entsprechendes Gesuch stellt, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat (BGE 143 V 66 E. 4.3; 139 III 120 E. 3.2.1; 134 I 20 E. 4.3.1; 132 II 485 E. 4.3, je mit Hinweisen);
 
dass auf das vorliegende, praktisch ausschliesslich mit Äusserungen in der Verfügung vom 8. Oktober 2020 begründete Ausstandsgesuch auch aus dem Grund nicht eingetreten werden kann, da es nicht unverzüglich gestellt wurde, nachdem die Verfügung der Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2020 zugestellt wurde, sondern mehr als einen Monat später, und der Anspruch auf Ablehnung damit verwirkt ist;
 
dass das Ausstandsgesuch unabhängig vom Ausgeführten zudem gegenstandslos wird, soweit es die an der Verfügung vom 8. Oktober 2020 beteiligten Bundesrichterinnen betrifft, die beim vorliegenden Entscheid, mit dem das bundesgerichtliche Verfahren erledigt wird, nicht mitwirken;
 
dass die Beschwerdeführerin den ihr auferlegten Kostenvorschuss auch innerhalb der mit Verfügung vom 18. November 2020 angesetzten Nachfrist nicht geleistet hat, weshalb gestützt auf Art. 62 Abs. 3 BGG auf die Beschwerde nicht einzutreten ist, worüber durch die Präsidentin der I. zivilrechtlichen Abteilung im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG zu entscheiden ist;
 
dass damit die Beschwerdeführerin kostenpflichtig ist (Art. 66 Abs. 1 BGG);
 
dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin für deren Aufwand im Zusammenhang mit dem bundesgerichtlichen Verfahren angemessen zu entschädigen hat, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Beschwerdegegnerin nur zur Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung eingeladen wurde und sie ihr Sicherstellungsgesuch (erst) gleichzeitig mit der Einreichung der Stellungnahme zur aufschiebenden Wirkung, jedoch vor der Ansetzung einer richterlichen Frist zur Beschwerdeantwort, stellte (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG);
 
dass die Gesuche um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung mit diesem verfahrensabschliessenden Entscheid gegenstandslos werden;
 
 
erkennt die Präsidentin:
 
1. Auf das Ausstandsgesuch wird nicht eingetreten.
 
2. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Dezember 2020
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Kiss
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer
 
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