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Informationen zum Dokument  BGer 2C_960/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_960/2020 vom 08.12.2020
 
 
2C_960/2020
 
 
Urteil vom 8. Dezember 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichter Beusch,
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kantonales Steueramt Zürich,
 
Dienstabteilung Recht, Bändliweg 21, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich, Steuerperiode 2016,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 28. September 2020 (SB.2020.00091).
 
 
Erwägungen:
 
1. 
 
1.1. Die Steuerverwaltung des Kantons Zürich (KStA/ZH; nachfolgend: die Veranlagungsbehörde) setzte mit Veranlagungsverfügung vom 26. März 2019 die Staats- und Gemeindesteuern einer zuvor verstorbenen Person für die Steuerperiode 2016 (1. Januar bis 13. Juli) fest. Dagegen wurde Einsprache erhoben. In der Folge brachte A.________ im Einspracheverfahren weitere Einwendungen vor. Mit der Begründung, dass allem Anschein nach ein Zivilprozess unter den Erben hängig sei, dessen Ausgang es abzuwarten gelte, sistierte die Veranlagungsbehörde das Einspracheverfahren mit Brief vom 8. Juli 2020. Das Schreiben enthält keine Rechtsmittelbelehrung und trägt den Titel "Sistierung Einspracheverfahren Steuerperiode 01.01.2016-13.07.2016". A.________ wandte sich dagegen am 7. August 2020 an das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich. Dieses trat am 25. August 2020 auf das Rechtsmittel nicht ein, da kein taugliches Anfechtungsobjekt - konkret (noch) kein Einspracheentscheid - vorliege und das Steuerrekursgericht zur Beurteilung von Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerden unzuständig sei.
 
1.2. Am 24. September 2020 erhob A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gegen den Entscheid vom 25. August 2020 Beschwerde. Die 2. Abteilung des Verwaltungsgerichts wies das Rechtsmittel mit einzelrichterlichem Entscheid SB.2020.00091 vom 28. September 2020 ab, soweit darauf einzutreten war. Das Verwaltungsgericht erwog, der angefochtene Rechtsmittelentscheid sei nach den Regeln über einen Zwischenentscheid zu beurteilen, weswegen ein nicht wieder gutzumachender Nachteil erforderlich sei, damit auf die Sache eingetreten werden könnte. Wie es sich damit verhalte, könne letztlich offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin abzuweisen sei. Zur Beurteilung von Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerden sei die Finanzdirektion zuständig (§ 111 Abs. 1 StG/ZH). Deren Entscheid könne anschliessend an den Regierungsrat und zuletzt an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich weitergezogen werden (§ 111 Abs. 2 StG/ZH), was einen wirksamen Rechtsschutz erlaube.
 
1.3. Mit Eingabe vom 23. November 2020 erhebt A.________ (nachfolgend: der Beschwerdeführer) beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs ("durch verkürzte Rechtsmittelfrist") aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei der angefochtene Entscheid wegen Verletzung des Steuerharmonisierungsrechts und des kantonalen Verfahrensrechts aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventuell sei der angefochtene Entscheid wegen Unzuständigkeit des Einzelrichters aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung - inklusive des Begehrens um "vorfrageweise Kontrolle von vier Regelungsgehalten in der aussenwirksamen regierungsrätlichen Verwaltungsverordnung vom 12. August 2009 (SR 631.32), in Fünferbesetzung", an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
1.4. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere von einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen.
 
2. 
 
2.1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 73 StHG [SR 642.14]) liegen grundsätzlich vor.
 
 
2.2.
 
2.2.1. Ein Entscheid, mit welchem eine Gerichtsbehörde auf die vor ihr eingereichte Beschwerde nicht eintritt, stellt im bundesgerichtlichen Verfahren einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG dar, dies aber nur, falls die Hauptsache damit erledigt ist (BGE 145 II 168 E. 2 S. 168). Wenn bloss über einen prozessualen Nebenaspekt entschieden (Ausstand, unentgeltliche Rechtspflege, aufschiebende Wirkung usw.) und lediglich diesbezüglich ein Rechtsmittel ergriffen worden war, handelt es sich beim Entscheid der Rechtsmittelbehörde grundsätzlich um einen Zwischenentscheid, da die Hauptsache weiterhin unentschieden ist. Bei einem Zwischenentscheid bleibt es auch, wenn die Rechtsmittelbehörde auf die Beschwerde gegen den Nebenaspekt nicht eintritt, da die Hauptsache weiterhin offen ist (Einheit des Verfahrens; BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 46 f.).
 
2.2.2. Beschwerden gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide sind vor Bundesgericht nur zulässig, falls sie entweder die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG) oder - alternativ - einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von lit. a muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für die beschwerdeführende Person günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann. Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass das Bundesgericht sich mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2 S. 479; 144 III 253 E. 1.3 S. 253 f.; je mit Hinweisen).
 
2.2.3. Der Streitgegenstand kann vor Bundesgericht, verglichen mit dem vorinstanzlichen Verfahren, zwar eingeschränkt (minus), nicht aber ausgeweitet (plus) oder geändert (aliud) werden (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.1 S. 22). Wenn der Vorinstanz ein Nichteintretensentscheid zur Prüfung vorgelegt worden war, so konnte die Vorinstanz nur prüfen, ob die Unterinstanz zutreffend auf die Sache nicht eingetreten sei. Folglich ist der Streitgegenstand auch im bundesgerichtlichen Verfahren auf die Frage des Nichteintretens beschränkt.
 
2.3. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.2 S. 92) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241).
 
2.4. Im Unterschied zum Bundesgesetzesrecht geht das Bundesgericht der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) und des rein kantonalen und kommunalen Rechts nur nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Person hat daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 146 I 62 E. 3 S. 65). Auf bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik an einem vorinstanzlichen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 92).
 
2.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118).
 
3. 
 
3.1. Die Vorinstanz scheint mit der Unterinstanz davon auszugehen, dass die Eingabe vom 7. August 2020 (vorne E. 1.1) als Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde entgegenzunehmen sei, weshalb die Unterinstanz rechtsfehlerfrei auf die Sache nicht eingetreten sei.
 
 
3.2.
 
3.2.1. Gemäss § 10 Abs. 1 VRG des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (des Kantons Zürich) vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2) sind schriftliche Anordnungen zu begründen und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, die das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist bezeichnet. Dem angefochtenen Entscheid lässt sich nicht entnehmen, dass die Veranlagungsbehörde am 8. Juli 2020 eine formelle Verfügung oder einen Einspracheentscheid erlassen habe oder erlassen wollte. Weder findet sich eine Rechtsmittelbelehrung noch sind andere Elemente ersichtlich, die auf die Existenz einer formellen Verfügung hinweisen könnten. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, dass er am 23. Juni 2020 die Veranlagungsbehörde um einen "begründeten rekursfähigen Einspracheentscheid" ersucht habe (Ziff. 3.3.2). Dies ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen, welche das kantonale Verfahrensrecht an eine Verfügung stellt, fehlen.
 
3.2.2. Damit ist es jedenfalls nicht verfassungsrechtlich unhaltbar, wenn die Vorinstanz davon ausgeht, dass es sich beim Schriftstück vom 8. Juli 2020 um eine Sistierungsverfügung gehandelt habe, gegen welche eine Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde nicht beim Steuerrekursgericht, sondern bei der Finanzdirektion zu erheben sei. Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde sind im harmonisierten Steuerrecht von Bund, Kantonen und Gemeinden nicht geregelt worden (Silvia Hunziker, in: Martin Zweifel/ Michael Beusch [Hrsg.], Kommentar StHG, 3. Aufl. 2017, N. 11b zu Art. 50 StHG). Gemäss § 111 Abs. 1 des Steuergesetzes (des Kantons Zürich) vom 8. Juni 1997 (StG/ZH; LS 631.1) gilt: "Gegen pflichtwidrige Amtsführung, Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung durch Verwaltungs- und Einschätzungsbehörden kann innert 30 Tagen nach Entdeckung des Grundes Beschwerde 
 
3.2.3. Vor diesem Hintergrund sind die Überlegungen der Vorinstanz, jedenfalls unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, nicht zu beanstanden, zumal der Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren nicht darlegt, dass und inwiefern die Auslegung und Anwendung von § 111 Abs. 1 StG/ZH verfassungsrechtlich unhaltbar sei (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorne E. 2.4). Er wirft der Vorinstanz zwar eine Reihe von Verfassungsverletzungen vor, so insbesondere Verstösse gegen Art. 8 Abs. 1, Art. 9, Art. 29 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 BV. Dass und weshalb es verfassungsrechtlich unhaltbar, insbesondere willkürlich sei, ihn in das Verfahren vor der Finanzdirektion zu verweisen, ist indes nicht ersichtlich. Insbesondere qualifiziert das Schreiben vom 8. Juli 2020 entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers klarerweise nicht als Nichteintretensentscheid, stellt die Veranlagungsbehörde darin doch ausdrücklich in Aussicht, das Einspracheverfahren nach Abschluss des Zivilprozesses weiterzuführen.
 
3.2.4. Der Beschwerdeführer rügt sodann, das Verwaltungsgericht habe gehörsverletzend entschieden, indem es die innert der Rechtsmittelfrist eingereichte Beschwerdeergänzung nicht zur Kenntnis genommen habe. Indessen legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern diese Eingabe am Ergebnis etwas geändert hätte. Weiter beanstandet er, dass das Verwaltungsgericht unzulässigerweise einzelrichterlich entschieden habe. Diese Rüge beruht freilich auf der unzutreffenden Ansicht, dass das Verwaltungsgericht materiell über einen generell-abstrakten Erlass zu entscheiden gehabt hätte (§ 38a VRG/ZH). Auch diese Rüge ist unbegründet. Soweit der Beschwerdeführer sich schliesslich zu inhaltlichen Fragen äussert, insbesondere zur Bewertung der Stockwerkeigentumseinheiten, liegt dies von vornherein ausserhalb des Streitgegenstandes; darauf ist nicht einzutreten (vorne E. 2.2.3)
 
3.2.5. Bei diesem Ergebnis ist nicht zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer durch den Brief vom 8. Juli 2020 überhaupt ein nicht wieder gutzumachender 
 
3.3. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
 
4.
 
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Dem Kanton Zürich, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Entschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Steueramt Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Dezember 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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