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Informationen zum Dokument  BGer 5A_642/2020  Materielle Begründung
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BGer 5A_642/2020 vom 03.12.2020
 
 
5A_642/2020
 
 
Urteil vom 3. Dezember 2020
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
 
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Stulz,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Daniela Fischer,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Kindeszuteilung (vorsorgliche Massnahme im Rahmen des Scheidungsverfahrens),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 3. Juli 2020 (LC190025-O/U).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________ (geb. 1984, türkische Staatsangehörige) und B.________ (geb. 1967) heirateten am xx.xx.2010 in U.________. Sie sind die Eltern von C.________ (geb. 2011). Aus einer früheren Beziehung hat B.________ die mündige Tochter D.________. Die Ehegatten leben seit dem 4. März 2015 getrennt.
1
A.b. Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens genehmigte das Einzelgericht des Bezirksgerichts Bülach am 17. April 2015 eine Vereinbarung der Ehegatten über das Getrenntleben. Soweit hier von Belang, einigten sich diese darauf, dass die elterliche Sorge über die Tochter C.________ beiden Eltern gemeinsam und die Obhut der Mutter verbleibe. Der Vater solle seine Tochter an zwei Wochenenden pro Monat, am jeweils darauffolgenden Mittwochabend, am Dienstag- und Donnerstagabend der zweiten und vierten Kalenderwoche sowie während eines Teils der Feiertage zu sich auf Besuch und für drei Wochen jährlich mit sich in die Ferien nehmen können. Ferner wurden durch den Ehemann zu bezahlende Kindes- und Ehegattenunterhaltsbeiträge vereinbart und die Parteien verpflichteten sich dazu, auf Auslandsaufenthalte zu verzichten. Für die gemeinsame Tochter wurde eine Beistandschaft im Sinne von Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB angeordnet.
2
 
B.
 
B.a. Mit Entscheid vom 26. April 2016 wies die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bülach Nord (KESB) einen sinngemässen Antrag der Mutter ab, die Tochter vom 9. Mai bis 19. Juni 2016 in der Türkei betreuen zu lassen. Nichtsdestotrotz reiste die Mutter am 28. April 2016 mit der Tochter in die Türkei. C.________ ist bis heute nicht von dort zurückgekehrt.
3
B.b. Der Vater reichte am 24. Mai 2016 beim Bundesamt für Justiz einen Antrag auf Rückführung der Tochter von der Türkei in die Schweiz ein. Nachdem das zuständige türkische Familiengericht in V.________ am 4. April 2017 die Rückführung der Tochter in die Schweiz angeordnet hatte, hob die Berufungsinstanz diesen Entscheid auf Rechtsmittel der Mutter hin am 20. Dezember 2017 auf und wies die Sache an das Familiengericht zurück. Dieses wies in seinem neuen Urteil vom 28. Dezember 2018 bzw. 11. Januar 2019 das Rückführungsgesuch ab. Die Berufungsinstanz hob am 9. Oktober 2019 auch das zweite Urteil des Familiengerichts auf und ordnete die Rückführung der Tochter in die Schweiz an. Gegen diesen Entscheid ist immer noch eine Beschwerde der Mutter hängig.
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B.c. Der Vater besuchte seine Tochter seit deren Verbringen in die Türkei regelmässig vor Ort. Er musste jeweils jeden Besuch einzeln gerichtlich in der Türkei beantragen und genehmigen lassen.
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C. Auf Abänderungsklage des Ehemanns hin setzte das Einzelgericht mit Urteil vom 19. Mai 2017 die im Eheschutzverfahren vereinbarten Kinderalimente herab und hob seine Pflicht zur Leistung von Ehegattenunterhalt auf. Das Obergericht des Kantons Zürich präzisierte die zu leistenden Unterhaltsbeiträge mit Urteil vom 8. Dezember 2017.
6
 
D.
 
D.a. Am 28. April 2017 erhob der Ehemann beim Einzelgericht die Scheidungsklage. Für die Dauer des Scheidungsverfahrens beantragte er am 27. Oktober 2017 den Erlass vorsorglicher Massnahmen.
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D.b. Das Einzelgericht entschied über die vorsorglichen Massnahmen mit Verfügung vom 2. Juli 2019. Es stellte die Tochter der Parteien unter die alleinige elterliche Sorge und Obhut des Vaters und hielt fest, die Mutter könne keine Kindesunterhaltsbeiträge für die Tochter leisten. Sodann verpflichtete es die Mutter dazu, dem Vater umgehend sämtliche gültigen türkischen und schweizerischen Reisepässe bzw. Identitätskarten der Tochter auszuhändigen und zu bestätigen, dass der Vater berechtigt sei, alleine mit der Tochter zu reisen.
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D.c. Gleichentags schied das Einzelgericht die Ehe der Parteien und regelte die Nebenfolgen der Scheidung. Mit Bezug auf die elterliche Sorge, Obhut, Unterhaltsbeiträge und Reisedokumente der Tochter urteilte es im Sinne der vorsorglichen Massnahmen und räumte der Mutter ein Ferienrecht von acht Wochen während der Schweizer Schulferien ein, welches auf Schweizer Territorium auszuüben und mindestens drei Monate im Voraus anzukündigen sei.
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E. Sowohl gegen die Verfügung betreffend vorsorgliche Massnahmen als auch gegen das Scheidungsurteil vom 2. Juli 2019 erhob die Mutter jeweils Berufung an das Obergericht. Dieses vereinigte die Verfahren und wies die Berufungen mit Urteil vom 3. Juli 2020 ab, welches der Mutter am 9. Juli 2020 zugestellt wurde.
10
 
F.
 
 
F.a.
 
F.a.a. Mit Beschwerde vom 10. August 2020 ficht A.________ (Beschwerdeführerin) den Berufungsentscheid über die vorsorglichen Massnahmen beim Bundesgericht an. Sie beantragt in Aufhebung des erst- und zweitinstanzlichen Urteils die Rückweisung der Sache an die erste Instanz. Eventualiter sei ihr das alleinige Sorge- und Obhutsrecht über die Tochter zuzusprechen und B.________ (Beschwerdegegner) zur Bezahlung von Kindesunterhalt in der Höhe von mindestens Fr. 1'340.-- (davon Fr. 506.-- Barunterhalt) zu verpflichten. Ferner seien die Umstände und die Rechtmässigkeit der vom Obergericht ausgestellten Rechtskraftbescheinigung vom 10. Juli 2020 zu ermitteln, falls notwendig die entsprechenden Massnahmen zu erlassen und es sei die ausgestellte Bescheinigung superprovisorisch für ungültig zu erklären und zu berichtigen. Das Beschwerdeverfahren sei so lange zu sistieren, bis ein rechtskräftiger Entscheid der türkischen Gerichte vorliege, und der Beschwerde sei vorsorglich die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Schliesslich beantragt die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor allen Instanzen die unentgeltliche Rechtspflege.
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F.a.b. Der Präsident der urteilenden Abteilung wies mit Verfügung vom 12. August 2020 das Gesuch um Verfahrenssistierung und mit Verfügung vom 31. August 2020 jenes um aufschiebende Wirkung ab. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, jedoch keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt. Der Beschwerdegegner beantragte am 20. August 2020 für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege.
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F.b. Am 9. September 2020 hat die Beschwerdeführerin auch gegen das zweitinstanzliche Scheidungsurteil Beschwerde beim Bundesgericht erhoben (Verfahren 5A_729/2020), wobei sie hier keine aufschiebende Wirkung beantragte. Über diese zweite Beschwerde wird mit separatem Urteil entschieden werden.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG; BGE 134 III 426 E. 2.2 S. 431 f. mit Hinweisen) einer letzten kantonalen Instanz, welche auf Rechtsmittel hin (Art. 75 BGG) und in Abänderung eines Eheschutzurteils über vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens befunden hat (Art. 276 Abs. 1 und 2 ZPO). Streitig sind sowohl vermögensrechtliche als auch nicht vermögensrechtliche Aspekte, sodass für diese Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) insgesamt kein Streitwerterfordernis gilt (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG) und hat diese rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 2 BGG).
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1.2. Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte bestreitet die Beschwerdeführerin nicht grundsätzlich. Vielmehr will sie das türkische Rückführungsverfahren und das schweizerische Scheidungs- und Massnahmeverfahren koordiniert wissen. Demnach sei die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte erst gegeben, wenn das türkische Verfahren abgeschlossen sei. Wie bereits in der Verfügung vom 12. August 2020 (vgl. Sachverhalt lit. F.a.b) ausgeführt, bleiben die schweizerischen Gerichte trotz des im Ausland hängigen Rückführungsverfahrens für die Beurteilung des Sorgerechts und der Obhut zuständig (Art. 3 Abs. 1 lit. a, Art. 7 Abs. 1 lit. b, Art. 16 und Art. 19 des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung [SR 0.211.230.02]). Da die internationale Zuständigkeit im Übrigen keinen Anlass zu Bemerkungen gibt, ist auf die Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausführungen einzutreten.
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1.3. Mit ihrem Rechtsbegehren Ziff. 7 verlangt die Beschwerdeführerin eine Überprüfung bzw. Aufhebung der von der Vorinstanz über den angefochtenen Entscheid ausgestellten Rechtskraftbescheinigung. Diese bildet indessen kein zulässiges Anfechtungsobjekt (vgl. Art. 90 ff. BGG), sodass auf das Begehren nicht einzutreten ist. Ebenfalls unzulässig ist das Rechtsbegehren Ziff. 1, soweit damit die Aufhebung des Urteils des Einzelgerichts beantragt wird, denn Anfechtungsobjekt vor Bundesgericht bildet allein der vorinstanzliche Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.2 S. 156 mit Hinweis).
16
 
2.
 
2.1. Massnahmenentscheide, die gestützt auf Art. 276 ZPO ergehen, unterstehen Art. 98 BGG (BGE 133 III 393 E. 5.2 S. 397; Urteil 5A_670/2015 vom 4. Februar 2016 E. 2). Demnach kann vorliegend nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Auch die Anwendung von Bundesgesetzen prüft das Bundesgericht im Rahmen von Art. 98 BGG nur auf die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) hin (Urteil 5A_367/2020 vom 19. Oktober 2020 mit Hinweis). In Verfahren nach Art. 98 BGG kommt zudem eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen nur in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat (BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368). Dies setzt voraus, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Wird eine solche Rüge nicht vorgebracht, kann das Bundesgericht eine Beschwerde selbst dann nicht gutheissen, wenn eine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten tatsächlich vorliegt (BGE 141 I 36 E. 1.3 
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2.2. Soweit die Beschwerdeführerin einen von den vorinstanzlichen Feststellungen abweichenden Sachverhalt vorträgt, ohne diesbezüglich Willkür zu rügen (namentlich Beschwerde, Rz. 25 ff. S. 10 f.; Rz. 41 S. 14; Rz. 90 S. 27; Rz. 95 S. 28 f.; Rz. 99 S. 29), ist auf ihre Ausführungen nicht einzugehen. Mit Bezug auf das Besuchsrecht und die Verpflichtung, dem Beschwerdegegner die Reisedokumente der Tochter auszuhändigen, beschränkt sich die Beschwerdeführerin darauf, den Begriff "Willkür" im Titel des jeweiligen Textabschnittes zu verwenden und anschliessend ohne Bezugnahme auf Erwägungen des angefochtenen Entscheids ihre eigene Sichtweise darzulegen, was keine substanziierte Verfassungsrüge darstellt. Ebenso wenig genügt die Beschwerdeführerin ihrer Rügepflicht mit der pauschalen Behauptung, die Vorinstanz habe die Untersuchungs- und Offizialmaxime "wiederholt missachtet" und sei dadurch in Willkür verfallen. Dasselbe gilt hinsichtlich ihres Vorwurfs, die Vorinstanz habe das Willkürverbot, ihren Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt, indem das Einzelgericht einige ihrer erstinstanzlichen Anträge und Einwände unbeantwortet gelassen oder abgewiesen und die Vorinstanz die diesbezüglichen Rügen nicht behandelt habe. Sie unterlässt es, die fraglichen Anträge, Einwände und Rügen konkret zu benennen. Auch den Vorwand, die Vorinstanzen hätten willkürlich "die gesetzlich geforderten Abklärungen" nicht vorgenommen, präzisiert die Beschwerdeführerin nicht weiter. Sodann kommt das blosse Aufwerfen der Frage, wie eine bestimmte Argumentation der Vorinstanz mit Art. 5 Abs. 2, Art. 8 und Art. 29 BV vereinbar sein soll, nicht einer substanziierten Verfassungsrüge gleich. Wo die Beschwerdeführerin eine Gehörsverletzung geltend macht, da die Vorinstanz auf Rügen im Zusammenhang mit dem Kindesvertreter bzw. der Herausgabe von Reisedokumenten nicht eingegangen sei, unterlässt sie es aufzuzeigen, an welcher Stelle in ihrer Berufungsschrift sie die entsprechenden Rügen erhoben haben will. Auch geht sie auf die von der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Ernennung des Kindesvertreters thematisierte Heilung einer Gehörsverletzung nicht ein. Ebenfalls ungenügend ist der integrale Verweis auf Aktenstücke (etwa auf das türkische Gutachten oder den Gegenantrag von Oberrichterin E.________), ohne bestimmte Aktenstellen zu bezeichnen. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, in den kantonalen Akten nach einschlägigen Aktenstellen zu forschen und zu prüfen, ob diese den Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin stützen (Urteil 5A_917/2018 vom 20. Juni 2019 E. 4.5 mit Hinweisen).
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3. Die in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Verfassungsrügen werden den Rügeanforderungen kaum gerecht. Soweit die Beschwerdeführerin mit ihren Beanstandungen überhaupt ihrer Rügepflicht genügt, ist der Beschwerde aus den nachfolgenden Gründen kein Erfolg beschieden.
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3.1. Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass das Einzelgericht seinen Entscheid über die vorsorglichen Massnahmen erst rund 20 Monate nach Gesuchseinreichung und zeitgleich mit dem Scheidungsurteil fällte, sollen doch die vorsorglichen Massnahmen gerade dazu dienen, die Rechtslage für die Dauer des Scheidungsprozesses vorübergehend zu regeln. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin sodann darauf hin, Sinn und Zweck von vorsorglichen Massnahmen sei, dass darüber in einem raschen Verfahren entschieden werde. Damit tut sie indessen noch nicht dar, inwiefern der angefochtene Entscheid im Ergebnis willkürlich sein oder ihren Gehörsanspruch verletzt haben soll. Sie begründet ihre Willkürrüge nicht damit, die Vorinstanz hätte mangels Vorliegens eines neuen Abänderungsgrundes überhaupt keine vorsorglichen Massnahmen hinsichtlich der elterlichen Sorge und Obhut treffen bzw. bestätigen dürfen, da die Eheschutzmassnahmen bereits am 8. Dezember 2017 (vgl. vorne Sachverhalt lit. C) und unter Berücksichtigung derselben veränderten Verhältnisse wie im vorliegenden Verfahren abgeändert worden seien. Ebenso wenig erläutert sie, weshalb es willkürlich sein soll, dass nicht erst bzw. nur im Scheidungsurteil über das Sorgerecht und die Obhut entschieden wurde, wenn im Massnahmengesuch doch Anträge dazu gestellt wurden. Es genügt nicht, hierzu lediglich allgemein auszuführen, Obhuts- und Sorgerechtsumteilungen seien ausschliesslich im ordentlichen Verfahren zu entscheiden, wo das Kindeswohl umfassend berücksichtigt werde. Die Bedeutung der vorsorglichen Massnahmen ist ferner mit dem Erlass des Scheidungsurteils nicht weggefallen, zumal das Verfahren über die Nebenfolgen der Scheidung weiterhin andauert (vgl. Art. 276 Abs. 3 ZPO und vorne Sachverhalt lit. F.b).
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3.2. Sodann vermag die Beschwerdeführerin den angefochtenen Entscheid nicht als willkürlich auszuweisen, soweit sie bemängelt, es habe keine umfassende Kindesanhörung durch eine Fachperson stattgefunden und trotz Geltung der Offizial- und Untersuchungsmaxime werde dieser Umstand ihr angelastet. Sie setzt sich mit der ausführlichen Begründung der Vorinstanz zu dieser Thematik nicht auseinander. Namentlich erläutert sie nicht, inwiefern es willkürlich sein soll, wenn die Vorinstanz ihre Rüge als treuwidrig einstufte, nachdem die Beschwerdeführerin vor Einzelgericht zuerst erklärte, eine Befragung der Tochter in der Schweiz erscheine nicht notwendig, daraufhin der angesetzten Kindesanhörung nicht Folge leistete und schliesslich trotz zuvor angebotener Videokonferenz mit der Tochter für eine solche nicht erreichbar war. Ebenso wenig zeigt sie substanziiert auf, weshalb die Vorinstanz vor diesem Hintergrund die gegenüber dem Kindesvertreter gemachten Aussagen der Tochter nicht in ihre Entscheidfindung hätte einfliessen lassen dürfen. Hierzu ist es nicht ausreichend, über mehrere Paragraphen hinweg ihre Sichtweise darzulegen und am Ende den angefochtenen Entscheid als willkürlich bzw. gehörsverletzend zu bezeichnen, ohne detailliert an den vorinstanzlichen Erwägungen anzusetzen. Namentlich erläutert sie nicht, inwiefern es willkürlich sein soll, dass die Vorinstanz das Hinterfragen der Qualifikation des Kindesvertreters erst im zweiten Vortrag anlässlich der Hauptverhandlung als verspätet erachtete. Die Vorinstanz wies darauf hin, dass die Parteien nach der Bestellung des Kindesvertreters Gelegenheit erhielten, sich hierzu zu äussern, und dass das Einzelgericht auf die Kritik der Beschwerdeführerin zur Person des Kindesvertreters ohnehin eingegangen sei.
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3.3. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin berücksichtigte die Vorinstanz zudem das Gutachten, welches im Rahmen des türkischen Verfahrens am 18. September bzw. 26. Oktober 2018 erstellt wurde, sehr wohl. Die Gutachterin empfahl, von einer Rückführung des Kindes in die Schweiz abzusehen, da die Trennung vom gewohnten Umfeld ein Risiko für seine psychologische Entwicklung darstelle. Der blosse Umstand, dass die Vorinstanz daraus nicht wie die Beschwerdeführerin folgert, die Alleinsorge und Obhut müsse ihr zugeteilt werden, vermag noch keine Willkür zu belegen (BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444 mit Hinweisen). Einerseits entscheidet als Rechtsfrage allein das Gericht darüber, welche rechtlichen Schlüsse aus den Feststellungen und Erkenntnissen im Gutachten zu ziehen sind (Urteil 5A_439/2012 vom 13. September 2012 E. 4.1 mit Hinweisen). Andererseits verwies die Vorinstanz explizit auf das zweite Urteil der türkischen Berufungsinstanz im Rückführungsverfahren (vgl. vorne Sachverhalt lit. B.b), welche in Würdigung des Gutachtens ausführte, es sei kein Beweis oder Umstand vorgetragen worden, wonach die Rückgabe des Kindes an seinen üblichen Wohnort ein ernstes Risiko einer physischen oder psychischen Gefahr darstelle oder sonst ein nicht wieder gutzumachender Zustand eintreten könne. Der Vorhalt, das nicht rechtskräftige Urteil der türkischen Berufungsinstanz könne keine Bindungswirkung entfalten, vermag keine Willkür darzutun. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf des überspitzten Formalismus wird sodann nicht weiter substanziiert.
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3.4.
 
3.4.1. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das Kriterium der Stabilität der Verhältnisse sei für den Sorgerechts- und Obhutsentscheid "überhaupt nicht geprüft und in Erwägung gezogen worden", geht ihre Willkürrüge ebenfalls fehl. Die Vorinstanz erwog ausdrücklich, die Stabilität der Verhältnisse sei ein Argument für die Zuteilung der Alleinsorge und Obhut an die Beschwerdeführerin. Vorliegend trete dieses Kriterium allerdings infolge der stark beeinträchtigten Bindungstoleranz der Beschwerdeführerin in den Hintergrund. Die Beschwerdeführerin zitiert selbst die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 142 III 1 E. 3.4 
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3.4.2. Sodann bemängelt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz führe nirgends aus, worin die Entlastung der aktuellen Situation im Falle der Alleinzuteilung an den Beschwerdegegner bestehen solle. Auch dieser Vorwurf ist unzutreffend und die damit verbundene Willkürrüge unbegründet. Die Vorinstanz erläuterte nachvollziehbar, dass das Kindeswohl durch die drohende Entfremdung der Tochter vom Vater gefährdet sei und dem mit der Alleinsorge und Obhut des Beschwerdegegners begegnet werde. Eine Entfremdung der Tochter von der Mutter sei nicht zu erwarten, da der Vater bedeutend bindungstoleranter sei. Die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge und Obhut an den Beschwerdegegner vermöge den Loyalitätskonflikt der Tochter zu entschärfen. Inwiefern damit nicht dargetan sein soll, dass die getroffene Regelung die Kindeswohlgefährdung zu beseitigen vermöge, substanziiert die Beschwerdeführerin nicht.
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3.4.3. Stattdessen begründet sie eine "massive Kindeswohlgefährdung" damit, dass es durch den vorsorglich erlassenen Entscheid zu einem sofortigen, internationalen Umzug der Tochter komme. Dies sei für das Kind eine "massive Herausforderung" und im Resultat willkürlich, da es sich infolge der Beschränkung des Besuchsrechts auf das Gebiet der Schweiz von seinem "kompletten Umfeld für immer verabschieden" müsse. Die Vorinstanz hat im Zusammenhang mit einer Landesrückführung eine drohende Kindeswohlgefährdung verneint. Ferner führte sie aus, die Tochter habe die Frage des Kindesvertreters, ob sie sich eine Rückkehr in die Schweiz und ein Leben bei ihrem Vater vorstellen könne, mit einem deutlichen Ja beantwortet und es bestehe die begründete Hoffnung, dass sie beim Beschwerdegegner auch ihre Kontakte zu den türkischen Verwandten der Beschwerdeführerin - wenn auch aus der Distanz - unbefangen werde weiter pflegen können. Dem Verlust des Umfelds bei der Beschwerdeführerin in der Türkei stehe der Gewinn des Umfelds in der Schweiz (namentlich der Halbschwester väterlicherseits) gegenüber. Damit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, sodass sie keine Willkür auszuweisen vermag. Überhaupt mutet es befremdlich an, wenn sie ausführen lässt, es sei "bedenklich, was der neunjährigen C.________ zugemutet werden soll", nachdem sie im Jahre 2016 ihrer damals nicht ganz fünfjährigen Tochter selbst einen "sofortigen, internationalen Umzug" abforderte.
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3.5. Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin die Abweisung ihres Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege in erster Instanz als willkürlich. Ihre Kritik richtet sich gegen das Vorgehen des Einzelgerichts; das erstinstanzliche Urteil ist vorliegend indessen nicht Anfechtungsobjekt (vgl. vorne E. 1.3). Inwiefern die Vorinstanz in Bestätigung des erstinstanzlichen Armenrechtsentscheids in Willkür verfallen sein soll, zeigt die Beschwerdeführerin demgegenüber nicht auf.
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4. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG) und sie hat dem Beschwerdegegner den diesem durch die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung entstandenen Aufwand zu ersetzen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da sich aus dem vorstehend Ausgeführten ergibt, dass ihre Rechtsbegehren von vornherein aussichtslos waren (Art. 64 Abs. 1 BGG). Das entsprechende Gesuch des Beschwerdegegners ist infolge seines Obsiegens hinsichtlich der Gerichtskosten gegenstandslos geworden, nicht jedoch mit Bezug auf die unentgeltliche Verbeiständung, zumal nicht zu erwarten ist, dass er die ihm zugesprochene Parteientschädigung bei der Beschwerdeführerin wird erhältlich machen können. Seine Rechtsvertreterin wird deshalb direkt aus der Gerichtskasse entschädigt (Art. 64 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdegegner wird darauf hingewiesen, dass er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. 
 
2.1. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
2.2. Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, und es wird ihm Rechtsanwältin Daniela Fischer als unentgeltliche Rechtsbeiständin beigegeben.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4. Die Beschwerdeführerin hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 800.-- zu entschädigen. Die Entschädigung wird indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen und Rechtsanwältin Daniela Fischer wird aus dieser eine Entschädigung von Fr. 500.-- ausgerichtet.
 
5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Dezember 2020
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Herrmann
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller
 
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