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Informationen zum Dokument  BGer 6B_710/2020  Materielle Begründung
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BGer 6B_710/2020 vom 16.11.2020
 
 
6B_710/2020
 
 
Urteil vom 16. November 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Gerichtsschreiber Briw.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Burim Imeri,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt, Straf- und Massnahmenvollzug,
 
Spiegelgasse 12, 4051 Basel,
 
2. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Bedingte Entlassung aus der Verwahrung, Änderung der Sanktion, Willkür,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, vom 11. März 2020 (VD.2019.84).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ wurde vom Strafgericht Basel-Stadt am 26. September 2007 wegen mehrfacher Vergewaltigung, mehrfacher einfacher Körperverletzung, mehrfacher Tätlichkeiten, mehrfacher Drohung, Freiheitsberaubung, Sachentziehung und Sozialhilfebetrug zu 4 ˝ Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
1
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte das Urteil am 2. September 2009 und ordnete gestützt auf ein forensisch-psychiatrisches Gutachten vom 19. September 2007 und ein Ergänzungsgutachten vom 18. Mai 2009 die Verwahrung an.
2
 
B.
 
B.a. Die Fachkommission des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit (KoFaKo) beurteilte A.________ am 10. Mai 2010 als gemeingefährlich und erachtete die Voraussetzungen für eine stationäre therapeutische Massnahme als nicht gegeben. Hierauf sowie auf ein Ergänzungsgutachten vom 10. Februar 2011 gestützt verweigerte das Appellationsgericht am 2. März 2011 eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug der Freiheitsstrafe.
3
B.b. Der Straf- und Massnahmenvollzug der Abteilung Strafvollzug des Bereichs Bevölkerungsdienste und Migration (SMV) sah beim Übertritt vom Straf- in den Verwahrungsvollzug wegen fehlender Therapiewilligkeit vom Antrag auf eine stationäre Massnahme ab (Art. 64b Abs. 1 lit. b StGB) und ordnete den Verwahrungsvollzug per 24. Juli 2011 an.
4
B.c. Nach Verlegung von A.________ in die JVA Lenzburg, wo er teilweise in die Hochsicherheitsabteilung eingewiesen werden musste, wurde er am 28. März 2012 in die JVA Pöschwies verlegt, wo er nach physischer Gewaltanwendung in die Sicherheitsabteilung eingewiesen werden musste. Wegen fortbestehender Fremdgefährdung erfolgte in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich eine Krisenintervention.
5
B.d. Die KoFaKo schloss am 6. Mai 2013 weiter auf eine ungünstige Legalprognose, verneinte eine stationäre Massnahme und empfahl den Verzicht auf Vollzugsöffnungen. Nachdem A.________ sich zu einer psycho-pharmakologischen Medikation bereit erklärt hatte, wurde ihm eine leichte Verbesserung des Zustandsbildes attestiert und er in die Integrationsgruppe verlegt.
6
B.e. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2013 des SMV und Rekursentscheid vom 7. Februar 2014 wurde eine bedingte Entlassung verweigert. Der SMV verweigerte am 28. November 2014 eine bedingte Entlassung erneut und veranlasste die Begutachtung hinsichtlich einer allfälligen Änderung der Sanktion.
7
B.f. Nach erneuter Einweisung in die Sicherheitsabteilung ab dem 30. April 2015 wurde A.________ in einer Krisenintervention nach aggressivem Verhalten und Verweigerung der antipsychotischen Medikation im Inselspital Bern und der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich behandelt und am 17. März 2016 in die JVA Pöschwies zurückverlegt.
8
C. Der Gutachter (oben B.e) erstattete am 31. Oktober 2016 das Gutachten und beantwortete mit Datum vom 27. September 2017 Zusatzfragen. Der SMV verweigerte am 4. Juni 2018 die bedingte Entlassung aus der Verwahrung und sah von einer Änderung der Sanktion in eine stationäre therapeutische Massnahme ab. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) wies den Rekurs am 14. März 2019 ab.
9
A.________ rekurrierte beim Regierungsrat. Der Rekurs wurde an das Appellationsgericht überwiesen. Dessen Instruktionsrichter ordnete ein Ergänzungsgutachten an und gab A.________ Gelegenheit, sich zur Person des Gutachters, zu den beabsichtigen Gutachterfragen sowie zu Ergänzungsfragen zu äussern. Der Gutachter erstattete ein Ergänzungsgutachten vom 20. Dezember 2019 (zit. Zweitgutachten) zu den Begutachtungen vom 31. Oktober 2016 und 27. September 2017 (zit. Erstgutachten).
10
Das Appellationsgericht wies den Rekurs am 11. März 2020 ab.
11
D. A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und anstelle der Verwahrung eine stationäre Massnahme anzuordnen, eventualiter die Sache an die erste Instanz, subeventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese anzuweisen, ein Ergänzungsgutachten einzuholen und einen Wechsel in eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen. Es seien die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und die kantonalen Kosten festzulegen sowie eventualiter die Sache zur Neuregelung der Kosten an die Vorinstanz zurückzuweisen.
12
 
Erwägungen:
 
1. Der nach Ablauf der 30-tägigen Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG; Zustellung des Urteils am 14. Mai 2020) beim Bundesgericht am 1. Juli 2020 eingereichte jährliche Therapiebericht vom 9. Juni 2020 ist als echtes Novum unbeachtlich. Dieser Bericht lag der Vorinstanz nicht vor. Dasselbe gilt für das Schreiben des SMV vom 24. Juni 2020 zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, worin der SMV erwägt, den Verwahrungsvollzug gemäss Art. 64 StGB im aktuellen Rahmen fortzuführen.
13
2. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz, vor welcher die Tatsachen erneut frei diskutiert werden könnten (Urteil 6B_86/2020 vom 31. März 2020 E. 1.1). Die beschwerdeführende Partei hat mit ihrer Kritik bei der als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägung der Vorinstanz anzusetzen (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116). Wird eine Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür behauptet, obliegt der Partei eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 9 BV; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.). Anderenfalls ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
14
 
3.
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Willkürverbots gemäss Art. 9 BV. Er macht geltend, das Urteil basiere auf einer offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts sowie einer unhaltbaren Beweiswürdigung. Nach der Vorinstanz sei ein Privatgutachten bloss Bestandteil der Parteivorbringen. Sie verkenne, dass es sich beim Privatgutachter Dr. med. B.________ um einen anerkannten und erfahrenen Psychiater handle. Die Vorinstanz gelange fälschlich zum Schluss, das Zweitgutachten (oben Sachverhalt C) erscheine schlüssig und das Privatgutachten vermöge dieses nicht zu erschüttern. Die vorinstanzliche Annahme eines mechanistischen Therapieverständnisses sei nicht haltbar angesichts der gutachterlich erwähnten Fähigkeit, sich auf eine Gesprächstherapie einzulassen. Die Therapiebereitschaft sei nicht vorgeschoben. Die Vorinstanz verkenne, dass mangelnde Einsicht (betr. Vergewaltigung) zum typischen Krankheitsbild gehöre. Es sei üblich, dass Betroffene gegen die Einnahme von Neuroleptika Widerstand leisteten. Ihm fehle das Verständnis, dass er krank sei. Weiter hätten verschiedene Fachleute keine einheitliche Diagnose stellen können. Dass er durch die Einnahme des Medikaments stabil geworden sei, deute darauf hin, dass der psychotische Anteil überwiege und nicht die Persönlichkeitsstörung. Infolge der grossen Uneinigkeit bezüglich der Diagnose könne nicht ausgeschlossen werden, dass er auf die Therapie im Rahmen einer stationären Massnahme anspreche (Beschwerde S. 14). Nach dem Privatgutachten sei der Therapieerfolg innert der gesetzlichen Fünfjahresfrist möglich. Willkürlich stelle die Vorinstanz einzig auf das Zweitgutachten ab und verkenne, dass an die Therapiewilligkeit im richterlichen Entscheidzeitpunkt keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Ob er therapierbar sei, könne nur bei einem richtigen Therapieversuch schlüssig beantwortet werden.
15
3.2. Auch wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt, darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und muss Abweichungen begründen (BGE 141 IV 369 E. 6.1 S. 272 f.). Und zutreffend nimmt die Vorinstanz an, dass Privatgutachten nach konstanter Praxis des Bundesgerichts nicht den gleichen Stellenwert wie ein Gutachten haben, das von der Untersuchungsbehörde oder von einem Gericht eingeholt wurde. Den Ergebnissen eines im Auftrag des Beschuldigten erstellten Privatgutachtens kommt lediglich die Bedeutung einer der freien Beweiswürdigung unterliegenden Parteibehauptung bzw. eines Bestandteils der Parteivorbringen zu, nicht die Qualität eines Beweismittels (BGE 141 IV 369 E. 6.2 S. 273).
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Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist. Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 92).
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3.3. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind in der Form eines Plädoyers ohne tatsächliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gehalten, erweisen sich damit als appellatorisch und sind nicht geeignet, eine willkürliche Beweiswürdigung darzulegen, sodass darauf unter diesem Titel nicht einzutreten ist. Soweit damit Rechtsfragen aufgeworfen sind, ist darauf nachfolgend einzugehen. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; Urteil 6B_40/2020 vom 17. August 2020 E. 2).
18
 
4.
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze Art. 64a StGB zur bedingten Entlassung und die Art. 56 Abs. 6, Art. 56a, Art. 64b Abs. 1 lit. a und Art. 65 StGB betreffend die Entlassung aus der Verwahrung und die Voraussetzungen der stationären therapeutischen Massnahme. Das Privatgutachten werde nicht angemessen berücksichtigt (Beschwerde S. 3 f.). Die Anordnung der Massnahme müsse zudem verhältnismässig sein (Beschwerde S. 16).
19
Er begründet, nach dem Privatgutachten könne mit einer stationären Massnahme ein besseres Behandlungsergebnis erzielt werden als mit der Verwahrung, wiederholt die erwähnten Ausführungen (oben E. 3.1; Beschwerde S. 17) und erklärt, er wolle an die bereits erreichten Erfolge anknüpfen und weitere Fortschritte erzielen. Es bestünden hinreichende Erfolgsaussichten. Indem die Vorinstanz den Wechsel in die stationäre Massnahme als verhältnismässige (mildeste geeignete) Massnahme verwehre, verletze sie Bundesrecht (Beschwerde S. 18).
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Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Privatgutachten, behauptet Erfolgsaussichten und unterlässt jede effektive Auseinandersetzung mit dem Urteil. Er müsste sich in der Beschwerdeschrift unabdingbar sachbezogen mit der relevanten Erwägung des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (Urteil 6B_52/2020 vom 20. Mai 2020 E. 1.3). Das unterlässt er. Eine derartige Beschwerdeführung taugt nicht zur Darlegung einer Bundesrechtsverletzung (Art. 42 Abs. 2 BGG).
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4.2. Der Verwahrte wird bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt (Art. 64a Abs. 1 StGB). Zuständig ist die Vollzugsbehörde (Art. 64b StGB). Diese und in der Folge die Vorinstanz verweigerten eine bedingte Entlassung. Im Rahmen von Art. 64a StGB (Randtitel: "Aufhebung und Entlassung") geht es um die Frage, ob die Verwahrung unter dem Regime eines bedingten Vollzugs ausserhalb der Institution weitergeführt werden kann. Dies setzt eine günstige Prognose voraus. Der Richter kann eine Entlassung deshalb nur verantworten, wenn er von der Schluss-Tatsache der Erwartung künftigen Legalverhaltens überzeugt ist; verbleibende Zweifel wirken nicht zugunsten des Täters. Die Bewährung ist nach Sinn und Zweck der Regelung so auszulegen, dass die Gefahr weiterer Delikte derjenigen Art zu verneinen ist, die Anlass zur Anordnung der Verwahrung gegeben haben (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N. 3, 12, 14 zu Art. 64a StGB).
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4.3. Art. 64a Abs. 1 StGB setzt die ernsthafte Erwartung voraus, dass sich der Insasse in Freiheit gut verhält ("une forte probabilité"; BGE 136 IV 165 E. 2.1.1 S. 167). Es sind höhere Anforderungen als bei einer Entlassung aus der stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 StGB) zu stellen. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich der Insasse in der Freiheit bewährt (Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [...], BBl 1999 2098), dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB mehr begeht (BGE 136 IV 165 E. 2.1.1 S. 167). Der Massstab für die Entlassung ist sehr streng. Die Prognose hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, von Erfahrungen mit Vollzugslockerungen, dem Vollzugsverhalten, der Verarbeitung der Straftaten und der zukünftigen Lebenssituation. Die Entlassung unmittelbar aus der Verwahrung in die Freiheit ist praktisch kaum denkbar (Urteil 6B_147/2017 vom 18. Mai 2017 E. 3.1).
23
4.4. Das Erstgutachten diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine erheblich ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und paranoiden Zügen (ICD-10: F61.0) mit schwerwiegenden lebenspraktischen Auswirkungen auf dessen Erleben, innere Gefühlswelt und Verhaltensweisen. Nach dem Erstgutachter zeigte sich kaum eine ausreichende Behandlungsmöglichkeit: Eine störungs- oder deliktspezifische Therapie habe aufgrund der vollständig fehlenden Störungseinsicht und der ausgesprochen mangelhaften Kooperationsbereitschaft weder begonnen noch durchgeführt werden können. Es sei auch nicht abzuschätzen, ob sich mit einer konsequent neuroleptischen Medikation eine Therapiemöglichkeit ergebe. Eine substanzielle Reduktion der Rückfallwahrscheinlichkeit durch therapeutische Massnahmen sei nicht ersichtlich (Urteil S. 6 f.).
24
Der Beschwerdeführer machte im kantonalen Verfahren eine wesentliche Veränderung der Ausgangslage hinsichtlich seiner Therapiebereitschaft sowie eine seit Juni 2015 ganz wesentliche Verbesserung seines Zustands geltend (Urteil S. 10). Weil eine wesentliche Veränderung angesichts des Privatgutachtens nicht auszuschliessen war, wurde ein forensisches Zweitgutachten angeordnet (oben Sachverhalt C). Die Vorinstanz setzt sich mit den auf das Privatgutachten gestützten Vorbringen des Beschwerdeführers, mit den diesbezüglichen Stellungnahmen des JSD und insbesondere des Zweitgutachters sowie der Tragweite des Privatgutachtens ausführlich auseinander.
25
Der Zweitgutachter prüfte die Diagnostik mit dem Ergebnis, rein formal lasse sich das Symptombild am ehesten mit einer bipolar affektiven Psychose, gegenwärtig remittiert (ICD-10: F31.7), beschreiben (was er an der Hauptverhandlung bestätigte, Urteil S. 19 f.). Es würden vorbestehende Persönlichkeitsstrukturen verstärkt, sodass schliesslich psychotische Qualitäten erreicht würden. Die wiederkehrend erfolgte Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und paranoiden Anteilen (ICD-10: F61.0, kombinierte Persönlichkeitsstörung) sei zu bestätigen. Bei Wegfall der "geschützten" Umgebung sei hypothetisch von einer erneuten Exazerbation der persönlichkeitsstrukturellen Auffälligkeiten auszugehen. Relevant erscheine das Konstrukt der "psychopathy". Es ergäben sich grosse Schnittflächen zum Konzept der antisozialen Persönlichkeitsstörung (Urteil S. 16 f.).
26
Vor diesem Hintergrund nahm der Zweitgutachter eine Risikoeinschätzung mittels nomothetischer (Psychopathy Checklist-Revised/PCL-R, Violence Risk Appraisal Guide-Revise/VRAG-R), idiographischer und hypothesengeleiteter Konzepte vor. Bei integrativer Gesamtbeurteilung sei hinsichtlich der Rückfallgefahr für Gewaltdelikte von einer insgesamt ungünstigen Prognose auszugehen. Bei fehlender Weiterbehandlung und Betreuung sei von einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit für Körperverletzungsdelikte und andere Delikte über der Basisrate auszugehen (Urteil S. 17). Die Einnahme der etablierten Medikation könne zwar die Verhaltensauffälligkeiten des Beschwerdeführers im geschlossenen Setting positiv modifizieren, jedoch auf die mittel- und langfristige Risikoposition keinen weitergehenden Effekt haben. Die Therapiewilligkeit sei als deutlich eingeschränkt und am ehesten als vordergründig zu bezeichnen. Ein echter Veränderungswille und eine suffizient ausgebildete Introspektionsfähigkeit seien nicht zu erkennen und eine vertiefte Auseinandersetzung habe noch nicht stattgefunden. Entgegen dem Privatgutachter könne mit der medikamentösen Intervention zwar eine Grundvoraussetzung geschaffen werden, dass sich der Beschwerdeführer überhaupt auf eine Gesprächsbereitschaft einlasse, die mittel- bis langfristige Risikodisposition werde aber von der zugrundeliegenden Persönlichkeitsstruktur, von immanenten Einstellungen und von kriminogenen Handlungsbereitschaften geprägt. Diesbezüglich besitze der Beschwerdeführer wenig Krankheitseinsicht und Problembewusstsein (Urteil S. 18 f.).
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Der Zweitgutachter bezeichnet es als aktuell eher unwahrscheinlich, dass im Rahmen einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB innerhalb der für diese Beurteilung üblichen Frist von ca. fünf Jahren eine erfolgversprechende Therapie etabliert werden könne, mit der wesentliche Veränderungen der Risikodisposition und der Persönlichkeitsstruktur zu erreichen wären (Urteil S. 19; Zweitgutachten S. 61).
28
4.5. Die Vorinstanz beurteilt die gutachterliche Stellungnahme als insgesamt schlüssig. Die Befragung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung habe das gutachterlich erwähnte mechanistische Verständnis von Therapiebereitschaft (siehe Urteil S. 18) und des sich daraus ergebenden Antrags auf Entlassung aus der Verwahrung bestätigt. Der Beschwerdeführer habe bei der Befragung keine näheren Angaben zu den laufenden Therapiegesprächen machen können. Das Privatgutachten vermöge das Zweitgutachten nicht zu erschüttern. Die behauptete Behandlung werde darin weder konkretisiert noch in einen zeitlichen Rahmen gestellt (Urteil S. 20 f.).
29
Weder die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gemäss Art. 64a Abs. 1 StGB noch jene für die nachträgliche Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 65 Abs. 1 StGB seien erfüllt. Bezüglich der laufenden Therapiegespräche könnten eine nachhaltige positive Entwicklung bei zukünftigen Entlassungsprüfungen (Art. 64b Abs. 1 lit. a StGB) oder hinsichtlich einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 64b Abs. 1 lit. b StGB) problemlos berücksichtigt werden (Urteil S. 21).
30
4.6. Die Vorinstanz sah sich durch das Privatgutachten veranlasst, eine Zweitbegutachtung anzuordnen, und sie berücksichtigte das Privatgutachten als solches hinreichend, und zwar gestützt auf die diesbezüglichen Darlegungen des Zweitgutachters insbesondere in der Fragenbeantwortung. Die diesbezügliche Kritik des Beschwerdeführers ist unbegründet. Triftige Gründe, um in Fachfragen vom 68-seitigen wissenschaftlich forensisch-psychiatrischen Zweitgutachten der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) abzurücken, sind weder auszumachen noch vom Beschwerdeführer dargetan. Es besteht keine Veranlassung, eine neue Begutachtung anzuordnen.
31
Der Verwahrte wird bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt (Art. 64a Abs. 1 StGB). Diese Bewährung ist zurzeit nicht zu erwarten. Eine bedingte Entlassung lässt sich deshalb nicht verantworten (oben E. 4.2 f.).
32
Wie nach dem Erstgutachten ist es nach dem Zweitgutachten erneut "aktuell eher unwahrscheinlich", dass in der Normdauer von Art. 59 StGB eine erfolgversprechende Therapie "etabliert" werden könne, mit der wesentliche Veränderungen der Risikodisposition und der Persönlichkeitsstruktur zu erreichen wären (Zweitgutachten, S. 61). Der Beschwerdeführer folgt einer mechanistischen Vorstellung von deliktsorientierter Therapie (ich nehme an der Behandlung teil, verhalte mich angepasst und erlange zwangsläufig Lockerungen bzw. die Freilassung, a.a.O., S. 63 f.). Ein echter Veränderungswille für eine stationäre Therapie ist nicht "suffizient ausgebildet" (a.a.O., S. 64). Eine genuine Motivation zur Veränderung ist nicht ersichtlich (a.a.O., S. 65). Hinsichtlich einer vom Beschwerdeführer angesprochenen neuropsychologischen Abklärung ist aus Sachverständigensicht eine Besserung der therapeutischen Erfolgsaussichten nicht zu erwarten (a.a.O., S. 67). Es lässt sich nicht erwarten, durch eine stationäre therapeutische Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten in der Normdauer begegnen (Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 4 Satz 1 StGB). Da diese Voraussetzungen einer stationären therapeutischen Massnahme nicht gegeben sind, kann das Gericht diese Massnahme nicht nachträglich anordnen (Art. 65 Abs. 1 StGB). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers wurden diese Voraussetzungen vorinstanzlich hinreichend abgeklärt (anders als das etwa noch in BGE 145 IV 383 E. 2.4.3 S. 403 f. der Fall war).
33
4.7. Die angefochtene Entscheidung verletzt kein Bundesrecht.
34
5. Auf die nicht weiter begründeten Rechtsbegehren ist nicht einzutreten. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (und Verbeiständung) ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 29 Abs. 3 BV; 64 Abs. 1 BGG; BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Praxisgemäss sind der unterliegenden Person bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege mit nachgewiesener Bedürftigkeit reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
35
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. November 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Briw
 
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