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Informationen zum Dokument  BGer 2C_623/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_623/2020 vom 26.10.2020
 
 
2C_623/2020
 
 
Urteil vom 26. Oktober 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Errass.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 25. Mai 2020 (VB.2019.00430).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ (1965; Staatsangehörige Kameruns) reiste im Oktober 1994 in die Schweiz ein und erhielt gestützt auf eine Ehe mit einem Schweizer Staatsangehörigen zunächst eine Aufenthaltsbewilligung, ab Mitte Februar 2000 eine Niederlassungsbewilligung. Die Ehe wurde am 9. Januar 2002 geschieden.
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B. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A.________ am 4. Juli 2013 wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer (bedingt vollziehbaren) Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Das Obergericht des Kantons Zürich bestrafte mit Urteil vom 30. Januar 2017 A.________ erneut in Anwendung der gleichen Straftatbestände mit 18 Monaten Freiheitsstrafe, davon neun Monate bedingt vollziehbar. Mit Verfügung vom 18. März 2019 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von A.________ und ordnete an, diese habe das schweizerische Staatsgebiet unverzüglich nach der Entlassung aus dem Strafvollzug zu verlassen. Die Rechtsmittel dagegen waren erfolglos (Entscheid der Sicherheitsdirektion vom 28. Mai 2019 und des Verwaltungsgerichts vom 25. Mai 2020).
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C. Vor Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Mai 2020 aufzuheben, die Beschwerde gutzuheissen und vom Widerruf der Niederlassungsbewilligung abzusehen. Daneben beantragt sie, ihr die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
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D. Die Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Antragsgemäss erteilte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde am 24. August 2020 aufschiebende Wirkung.
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Erwägungen:
 
1. Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG [e contrario]; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlicher Angelegenheiten einzutreten.
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2.
 
2.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG (SR 142.20; bis 31. Dezember 2019: AuG [AS 2007 5437]) kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer u.a. zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe (d.h. von mehr als einem Jahr: BGE 139 I 145 E. 2.1 S. 147) verurteilt wurde. Jede aufenthaltsbeendende Massnahme muss zudem verhältnismässig sein (Art. 96 AIG; Art. 8 Ziff. 2 EMRK; BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381). Dabei sind die privaten Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung sorgfältig gegeneinander abzuwägen (vgl. BGE 139 I 330 E. 2.2 S. 336).
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2.2. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit nach Art. 96 AIG und Art. 8 Ziff. 2 EMRK sind folgende Elemente zu gewichten und gegeneinander abzuwägen: (1) die Art und Schwere der begangenen Straftat und ob sie als Jugendlicher oder Erwachsener verübt wurde; (2) die Aufenthaltsdauer des Betroffenen im Land; (3) die Nationalität der verschiedenen Beteiligten; (4) der seit der Tat vergangene Zeitraum; (5) das Verhalten des Ausländers während diesem; (6) die familiäre Situation des Betroffenen, die Dauer seiner Ehe und andere Hinweise auf die Qualität des Ehelebens; (7) ob der Ehepartner bei Eingehung der Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; (8) ob aus der Beziehung Kinder hervorgegangen sind und gegebenenfalls deren Alter; (9) auf welche Schwierigkeiten der Partner und die Kinder bei einer Ausreise in die Heimat des Betroffenen stossen würden; (10) die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufnahmestaat und zum Herkunftsland; (11) der Gesundheitszustand des Betroffenen und seiner Angehörigen; (12) die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der Fernhaltung sowie (13) allgemein die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile bei einer Ausreise in den Heimat- oder in einen Drittstaat (vgl. Urteil des EGMR Saber und Boughassal gegen Spanien vom 18. Dezember 2018 [Nr. 76550/13 und 45938/14] § 40). Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend; erforderlich ist eine Würdigung bzw. Gewichtung der gesamten Umstände im Einzelfall (vgl. Urteil 2C_503/2019 vom 7. April 2020 E. 4).
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2.3. Die Niederlassungsbewilligung einer ausländischen Person, die sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll zwar nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden, doch ist dies bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn sie hier geboren ist und ihr ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat. Bei schweren Straftaten, Rückfall und wiederholter Delinquenz besteht - überwiegende private oder familiäre Bindungen vorbehalten - auch in diesen Fällen ein schutzwürdiges öffentliches Interesse daran, die Anwesenheit der ausländischen Person zur Aufrechterhaltung der Ordnung bzw. Verhütung von (weiteren) Straftaten zu beenden (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19). Bei schweren Straftaten muss zum Schutz der Öffentlichkeit ausländerrechtlich selbst ein geringes Restrisiko weiterer Beeinträchtigungen wesentlicher Rechtsgüter nicht in Kauf genommen werden (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19 f.).
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3. 
10
3.1. Die Vorinstanz legte ihrem Entscheid die obergerichtliche Verurteilung vom 30. Januar 2017 wegen Erwerbs, Besitzes und Verkaufs einer grösseren Menge von Betäubungsmitteln gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. c und d i.V.m. Abs. 2 lit. a BetmG zugrunde. Die Delikte hat die Beschwerdeführerin in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 verübt, weshalb Art. 66a ff. StGB und Art. 63 Abs. 2 AIG keine Anwendung finden (vgl. BGE 146 II 49 E. 5.2 S. 52, 1 E. 2.1.2 S. 4). Das Obergericht bestrafte die Beschwerdeführerin mit 18 Monaten Freiheitsstrafe. Dass damit der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG ("längerfristige Freiheitsstrafe") erfüllt ist, ist unbestritten. Strittig ist nur das Resultat der Verhältnismässigkeitsprüfung.
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3.2.
 
3.2.1. Für die Einschätzung des Gewichts des öffentlichen Interesses ist die Art und Schwere des Delikts sowie das Verschulden der Beschwerdeführerin entscheidend. Die Beschwerdeführerin hat anfangs August des Jahres 2015 rund 50 g Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von 50 % gekauft, portioniert und in einer Vielzahl von Einzelportionen verkauft. Ende Oktober hat sie weitere 45.71 g Kokaingemisch mit demselben Reinheitsgehalt mit der gleichen Verkaufsabsicht dazugekauft und aufbewahrt. Da sie verhaftet wurde, konnte sie keine Portionen mehr verkaufen. Das Bezirksgericht ging von einer nicht mehr leichten objektiven Tatschwere aus, was das Obergericht als äusserst wohlwollend erachtete. Aus migrationsrechtlicher Sicht geht das Bundesgericht bei Drogendelikten "aus rein finanziellen Motiven", wovon das Obergericht ausgegangen ist, von einer schweren Straftat aus (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 20 m.w.H. [ständige Rechtsprechung]). Das Tatverschulden der Beschwerdeführerin bezeichnete das Obergericht - ohne dies zu bagatellisieren - demgegenüber als leicht.
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3.2.2. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt und auch unbestritten ist, ist das übrige Verhalten der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen (dazu Urteil 2C_503/2019 vom 7. April 2020 E. 3.2.4 mit Hinweis). Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahre 2013 für die gleichen Delikte nach BetmG bestraft wurde (360 g Kokain mit einem Reinheitsgrad von 15 % und 25 %). Trotz dieser Verurteilung hat sich die Beschwerdeführerin nicht veranlasst gesehen, ihr Verhalten zu ändern. Daneben hat die Beschwerdeführerin Schulden von nunmehr rund Fr. 32'000.--, und sie weist Verlustscheine im Wert von mehreren zehntausend Franken auf.
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3.2.3. Insgesamt ist festzuhalten, dass das Gewicht des öffentlichen Interesses, wie es sich im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils präsentiert, bei schwer anzusiedeln ist.
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3.3. 
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3.3.1. Das private Interesse wird vor allem durch die sehr lange Anwesenheitsdauer der Beschwerdeführerin, welche in Kamerun aufgewachsen ist, geprägt. Diese liess sich anfangs der 1990er Jahre in Frankreich zur Coiffeuse ausbilden. Als 22-jährige kam sie in die Schweiz und lebt nun seit 1994 hier - also seit rund 26 Jahren. Sie ist geschieden und hat in der Schweiz keine familiären Verpflichtungen. Ihre erwachsene Tochter lebt in Kamerun. Die wirtschaftliche Integration ist über den ganzen Zeitraum nicht derart schlecht, wie die Vorinstanz ausführt. Seit 1999 führt sie einen eigenen Coiffeursalon, wo sie auch bis ins Jahr 2015 als Mediatorin für die Zürcher Aidshilfe tätig war. Über einen Zeitraum von rund 20 Jahren hat sie - wie bereits erwähnt - Schulden und Verlustscheine angehäuft. Zu ihren Gunsten spricht, dass sie einen Kredit von ursprünglich Fr. 40'000.-- vor ihrer Gefängnisstrafe bis auf Fr. 32'000.-- abbezahlt hat, sie also gewillt ist, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Sprachlich ist die Beschwerdeführerin integriert, da sie die französische Landessprache als Muttersprache spricht und schreibt (Art. 105 Abs. 2 BGG), was nach Art. 58a Abs. 1 lit. c AIG i.V.m. Art. 77d Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) genügt. Die am Wohnort gesprochene Sprache ist nur für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung erforderlich (Art. 60, Art. 73a und 73b VZAE; siehe auch MARC SPESCHA, in: Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka/de Weck, Kommentar Migrationsrecht, 5. Aufl. 2019, N. 6 zu Art. 58a AIG).
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3.3.2. Die Beschwerdeführerin beruft sich sodann auf eine "biographische Kehrtwende" (dazu etwa Urteile 2C_468/2020 vom 27. August 2020 E. 7.2.3; 2C_634/2018 vom 5. Februar 2019 E. 6.3.1). Die sachverhaltsmässigen Grundlagen dafür hat die Beschwerdeführerin indes nicht in das vorinstanzliche Verfahren eingebracht, weshalb nun im bundesgerichtlichen Verfahren die dafür erforderlichen sachverhaltsmässigen Grundlagen fehlen (Art. 105 Abs. 1, Art. 99 Abs. 1 BGG; Urteil 2C_204/2019 vom 20. August 2020 E. 3.2.4). Entgegen der Beschwerdeführerin bildet der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, welche bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (Urteil 2C_468/2020 vom 27. August 2020 E. 3.1). Insofern ist die behauptete biographische Kehrtwende nicht zu berücksichtigen.
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3.4. Anhand der gewichteten öffentlichen und privaten Interessen ergibt sich nun folgende Abwägung: Das öffentliche Interesse manifestiert sich zunächst in den beiden Verurteilungen für Drogendelikte, welche zudem aus rein finanziellen Motiven begangen wurden. Erschwerend kommt dabei der Umstand hinzu, dass es sich bei der Verurteilung, welche Anlass zum Widerruf der Niederlassungsbewilligung bildete, um eine 
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4. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist demnach unbegründet und abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend wäre die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat allerdings ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt (Art. 64 BGG). Dieses ist gutzuheissen, da die Beschwerdeführerin bedürftig ist und das Rechtsbegehren aufgrund ihrer langen Anwesenheit in der Schweiz nicht als aussichtslos erscheinen musste (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die von der Rechtsanwältin eingereichte Rechnung ist indes zu kürzen: Diese hat die Beschwerdeführerin bereits vor Vorinstanz vertreten, und ihr waren somit die wesentlichen Argumente bekannt.
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, und es wird der Beschwerdeführerin Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald als Rechtsbeistand beigegeben. Ihr wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- ausgerichtet.
 
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltunsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. Oktober 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Errass
 
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