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Informationen zum Dokument  BGer 8C_370/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_370/2020 vom 15.10.2020
 
 
8C_370/2020
 
 
Urteil vom 15. Oktober 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiber Jancar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 4. Mai 2020 (5V 19 322).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der 1957 geborene A.________ war Monteur bei der B.________ AG. Am 13. Oktober 1999 stürzte er von einem Gerüst auf den Rücken. Mit Verfügung vom 19. Juni 2002 sprach ihm die IV-Stelle Luzern ab 1. Oktober 2000 eine ganze Invalidenrente zu. Im Rahmen der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, 1. Massnahmenpaket, nachfolgend SchlBest. IVG) hob die IV-Stelle die Invalidenrente mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 14. Juni 2013 mit dem ersten Tag des zweiten Monats nach Verfügungszustellung auf. Mit Verfügung vom 13. Juni 2013 gewährte sie dem Versicherten gemäss lit. a Abs. 2 SchlBest. IVG ab 1. August 2013 berufliche Massnahmen und gemäss lit. a Abs. 3 SchlBest. IVG die Weiterausrichtung der ganzen Invalidenrente während der Wiedereingliederung, längstens aber bis 31. Juli 2015. Am 27. Oktober 2014 verfügte die IV-Stelle den Abbruch der Wiedereingliederungsmassnahmen per 8. September 2014 und die Renteneinstellung per 30. September 2014. Diese Verfügung blieb unangefochten.
1
A.b. Am 2. Juni 2014 meldete sich der Versicherte bei der IV-Stelle erneut zum Leistungsbezug an. Diese holte ein Gutachten des Psychiaters Dr. med. C.________ und des Dr. med. D.________, FMH Innere Medizin und Rheumaerkrankungen, vom 8. Juni 2015 ein. In der Folge zog sie ein polydisziplinäres Gutachten der ABI, Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH, Basel, vom 2. Mai 2017 bei. Mit Verfügung vom 20. August 2019 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch, da der Invaliditätsgrad des Versicherten bloss 25 % betrage.
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B. Die hiergegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 4. Mai 2020 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihm die versicherten Leistungen zu erbringen, insbesondere eine ganze Invalidenrente, eventuell eine Teilrente. Es sei ein aktuelles Gutachten nach dem strukturierten Beweisverfahren, insbesondere auch betreffend die Frage der Ressourcen und der Aggravation, einzuholen. Es sei ein leidensbedingter Abzug von 25 % zu gewähren. Es sei von einem Valideneinkommen von Fr. 70'602.- auszugehen und das Invalideneinkommen sei neu zu bestimmen. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zwecks Ergänzung des Sachverhalts und zur Neuentscheidung zurückzuweisen.
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Die IV-Stelle und die Vorinstanz schliessen auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfrage ist, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der praxisgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund dieser ärztlichen Unterlagen getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es grundsätzlich um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7 S. 308).
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2. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG), die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) und die bei der Neuanmeldung analog anwendbaren Revisionsregeln (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 585 E. 5.3 in fine S. 588; 134 V 131 E. 3 S. 132, 117 V 198 E. 3a) richtig dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Beurteilung der Invalidität bei psychischen Erkrankungen (BGE 143 V 409 und 418, 141 V 281), des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG; vgl. auch BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und des Beweiswerts ärztlicher Berichte (E. 1 hiervor; BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.
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3. Streitig ist, ob die vorinstanzliche Verneinung eines Rentenanspruchs des Beschwerdeführers vor Bundesrecht standhält.
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3.1. Im polydisziplinären (allgemeininternistischen, psychiatrischen, rheumatologischen und neurologischen) ABI-Gutachten vom 2. Mai 2017 wurden folgende Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit gestellt: 1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte bis mittelgradige Episode (ICD-10 F 33.0, 33.1); 2. Chronisches panvertebrales Schmerzsyndrom (ICD-10 M53.8); 3. Diabetes mellitus Typ 2, sekundär insulinpflichtig mit aktuellem HbA1c-Wert von 8.3 % (ICD-10 E11.9). Ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit seien folgende Diagnosen: 1. Schmerzverarbeitungsstörung (ICD-10 F54); 2. Psoriasis vulgaris (ICD-10 L40); 3. Schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, AHI 54.3/h (ICD-10 G47.31); 4. Metabolisches Syndrom (ICD-10 E88.9); 5. Heterozygote Alpha-Thalassämie (ICD-10 D56.0); 6. Axiale Hiatushernie (ICD-10 K44.9).
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3.2. Was die medizinische Seite anbelangt, erwog die Vorinstanz im Wesentlichen, das ABI-Gutachten vom 2. Mai 2017 sei beweiswertig. Gestützt hierauf sei von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers in der angestammten Tätigkeit als Brandschutzmonteur auszugehen. In einer angepassten, körperlich leichten und wechselbelastenden Tätigkeit bestehe eine 80%ige Arbeitsfähigkeit. Da die somatisch und psychisch begründeten Arbeitsunfähigkeiten ineinander aufgingen und nicht zu addieren seien, könne letztlich offen bleiben, ob die vom psychiatrischen ABI-Experten bestätigte Leistungseinschränkung von 20 % in der angestammten und in einer angepassten Tätigkeit einer rechtlichen Überprüfung überhaupt standhielte. Auch wenn das psychiatrische ABI-Teilgutachten vor BGE 143 V 409 ergangen sei, erlaube es eine hinreichende Indikatorenprüfung anhand des strukturierten Beweisverfahrens. Dieses ergebe insgesamt, dass beim Beschwerdeführer durchaus Potential an Ressourcen bestehe. Es sei - selbst ohne Berücksichtigung der Hinweise auf Aggravation und dergleichen - fraglich, ob die vom psychiatrischen Gutachter bestätigte 20%ige Arbeitsunfähigkeit aus rechtlicher Perspektive akzeptiert werden könne. Darauf brauche aber, wie dargelegt, nicht weiter eingegangen zu werden.
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4.
 
4.1. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die vorinstanzlich am 30. April 2020 eingereichten Berichte der Radiologie E.________ vom 11. März 2020 und des Dr. med. F.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 7. April 2020. Mit diesen Berichten habe erstmals die Ursache seiner Schulterbeschwerden nachgewiesen werden können. Diese hätten bereits seit Jahren und mithin vor Erlass der strittigen Verfügung vom 20. August 2019 bestanden. Die Vorinstanz habe diese Schulterbeschwerden somit zu Unrecht nicht berücksichtigt und damit den Untersuchungsgrundsatz sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
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4.2. Zeitliche Bezugsgrösse der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet die Verfügung der IV-Stelle vom 20. August 2019 (BGE 143 V 409 E. 2.1 S. 411). Spätere Arztberichte sind aber in die Beurteilung miteinzubeziehen, soweit sie Rückschlüsse auf die in diesem Zeitpunkt gegebene Situation erlauben (BGE 121 V 362 E. 1b in fine S. 366; Urteil 8C_414/2019 vom 25. September 2019 E. 2.2.2). Die Vorinstanz berücksichtigte die vom Beschwerdeführer angerufenen Arztberichte vom 11. März und 7. April 2020 nicht, da sie nach der Verfügung vom 20. August 2019 datierten und sich daraus nichts Relevantes für die Zeit davor ergebe. Eine Verletzung der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV fliessenden Begründungspflicht liegt somit nicht vor (hierzu vgl. BGE 145 II 49 E. 9.2 S. 65).
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4.3.
 
4.3.1. Die ABI-Gutachter stellten im Rahmen des diagnostizierten chronischen panvertebralen Schmerzsyndroms (ICD-10 M48.1) u.a. eine Schultergürtelprotraktion fest. Als Unterdiagnosen der Schmerzverarbeitungsstörung (ICD-10 F54) beschrieben sie u.a. ein unspezifisches Schulter-Arm-Syndrom links (ICD-10 M989.0) sowie aktenanamnestisch gemäss Arthro-MRT vom 12/2013 an der linken Schulter eine aktivierte AC-Gelenksarthrose bei jedoch intakter Rotatorenmanschettenmuskulatur. Der rheumatologische ABI-Gutachter verwies hinsichtlich des Schulterbefundes zudem auch auf eine CT sowie Knochen-SPECT und Ganzkörperskelettszintigraphie der Klinik G.________ vom 14. Juli 2014. Gestützt hierauf stellte er eine degenerativ bedingte schwächere Speicherung der AC, SC und Schultergelenke linksbetont sowie einen degenerativ bedingten erhöhten Knochenumsatz an der Schulterpartie fest.
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4.3.2. Im Verwaltungsverfahren legte der Beschwerdeführer am 2. November 2017 den Bericht der Rheumatologin Dr. med. H.________ vom 25. Oktober 2017 auf. Diese stützte sich auf ihre Untersuchung des Beschwerdeführers und auf den Bericht der Klinik I.________ betreffend das MRI des Schultergürtels und der Thoraxwand vom 23. August 2017. Der Beschwerdeführer macht aber nicht geltend und es ist aus diesen Berichten auch nicht ersichtlich, dass damals ein neuer, im Zeitpunkt der ABI-Begutachtung noch nicht vorhanden gewesener, bildgebend feststellbarer Schulterbefund vorgelegen hätte. Dr. med. H.________ diagnostizierte nämlich bloss einen Verdacht auf eine Supraspinatusläsion rechts (MRI 8/17) (vgl. auch Urteil 8C_113/2020 vom 27. März 2020 E. 8.2.2.1).
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Erst aus den ärztlichen Berichten vom 11. März und 7. April 2020 (vgl. E. 4.1 hiervor) ergeben sich neue, bildgebend nachweisbare Befunde, nämlich eine grosse Supraspinatussehnenruptur rechts und eine kleine, vorwiegend articularseitige Partialruptur der Supraspinatsussehne anterolateral links. Daraus geht aber nicht hervor, diese Befunde hätten bereits bei Verfügungserlass am 20. August 2019 vorgelegen. Dass nach Angaben des Beschwerdeführers die Schulterschmerzen gemäss dem Bericht vom 7. April 2020 schon seit drei Jahren vorhanden waren, bedeutet nicht, dass die erst im Jahre 2020 bildgebend festgestellten Befunde bereits damals bestanden. Dies ergibt sich aus keinem ärztlichen Bericht. Hinsichtlich dieser Beschwerden stellte die Vorinstanz somit zu Recht auf das ABI-Gutachten vom 2. Mai 2017 ab.
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5. Zu prüfen ist weiter die psychische Problematik des Beschwerdeführers.
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5.1. Dieser macht geltend, gemäss den Angaben des psychiatrischen ABI-Gutachters Dr. med. J.________ habe der Untersuch mit Dolmetscher 60 Minuten gedauert. Aus dem Gutachten sei ersichtlich, dass die persönliche Befragung kurz gewesen sein müsse und keine weitergehenden Fragen oder Tests betreffend den Alltag und den Umgang mit den Ressourcen gestellt bzw. durchgeführt worden seien. Entsprechend seien auch die Schlussfolgerungen unvollständig sowie undifferenziert und es sei nicht sachlogisch pauschal auf Aggravation geschlossen worden.
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5.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass einem testmässigen Erfassen der Psychopathologien im Rahmen der psychiatrischen Exploration generell nur ergänzende Funktion beigemessen werden kann, während die klinische Untersuchung mit Anamneseerhebung, Symptomerfassung und Verhaltensbeobachtung ausschlaggebend ist. Es liegt im Ermessen der medizinischen Fachperson, ob sie psychologische Tests durchführen will. Da den Experten bei der Wahl der Methode zur Erstellung des Gutachtens ein grosses Ermessen zukommt, kann nicht gesagt werden, dass nur die Anwendung einer Methode zulässig ist. Massgebend ist vielmehr, dass das Gutachten gesamthaft gesehen nachvollziehbar begründet und überzeugend ist. Dauer der Untersuchung und Anzahl der psychiatrischen Explorationen unterliegen grundsätzlich ebenfalls der Fachkenntnis und dem Ermessensspielraum des Experten (vgl. Urteil 8C_466/2017 vom 9. November 2017 E. 5.1 mit Hinweisen). Inwiefern das psychiatrische ABI-Gutachten des Dr. med. J.________ in dieser Hinsicht mangelhaft sein soll, vermag der Beschwerdeführer nicht überzeugend darzutun.
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6. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, im Rahmen des Gutachtens des Psychiaters Dr. med. C.________ vom 8. Juni 2015 seien umfangreiche Befragungen und Tests durchgeführt worden, die auf eine Depression schwersten Grades hingewiesen hätten. Der psychiatrische ABI-Gutachter Dr. med. J.________ habe diese Tests nicht erwähnt und nicht diskutiert.
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Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Denn das Gutachten des Dr. med. C.________ vom 8. Juni 2015 wurde vom Regionalen Ärztlichen Dienst der IV-Stelle als nicht rechtsgenüglich erachtet, weshalb sie das ABI-Gutachten in Auftrag gab. Hiervon abgesehen war dem ABI-Gutachter Dr. med. J.________ das Gutachten des Psychiaters Dr. med. C.________ vom 8. Juni 2015 bekannt. Dieser hatte zudem nicht eine schwerste Depression, sondern eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert.
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7.
 
7.1. Der Beschwerdeführer beruft sich weiter auf diverse Berichte von ihn behandelnden Arztpersonen. Er bringt vor, sie beurteilten seine Schmerzen und sein psychisches Leiden wesentlich schwerer als die Gutachter, die weder die Schmerzen noch deren Verarbeitung berücksichtigt hätten und auf die Frage der Ressourcen nicht eingegangen seien.
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7.2. Die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag der therapeutisch tätigen (Fach-) Person einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4 S. 175) lässt es nicht zu, ein Administrativ- oder Gerichtsgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Arztpersonen bzw. Therapiekräfte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige - und nicht rein subjektiver Interpretation entspringende - Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (Urteil 8C_313/2020 vom 12. August 2020 E. 8.2.3). Solche Aspekte legt der Beschwerdeführer nicht substanziiert dar und sind auch nicht ersichtlich. Entgegen seinem Vorbringen befasste sich der ABI-Gutachter Dr. med. J.________ insbesondere auch mit seinen Ressourcen.
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Soweit sich der Beschwerdeführer u.a. auf den nach dem ABI-Gutachten vom 2. Mai 2017 erstellten Bericht der behandelnden Psychiaterin Dr. med. K.________, Institut L.________, vom 21. Dezember 2017 (recte 2018) beruft, ist dies unbehelflich. Die Vorinstanz stellte diesbezüglich nämlich richtig fest, dass der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie M.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, mit Stellungnahme vom 15. Februar 2019 unter Bezugnahme auf diesen Bericht eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers seit dem ABI-Gutachten verneinte. Der RAD-Arzt befürwortete weiterhin ein Abstellen auf dieses Gutachten (zur Aufgabe des RAD, die funktionelle Leistungsfähigkeit der versicherten Person zu beurteilen vgl. Art. 59 Abs. 2 und 2 bis IVG; Art. 49 IVV; BGE 137 V 210 E. 1.2.1 S. 219, 135 V 254 E. 3.3.2 S. 257). Hiergegen bringt der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Einwände vor.
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8. Der Beschwerdeführer beruft sich zudem auf seine Arbeitsversuche bei der Stiftung N.________ und bei der Firma O.________, wo er die Arbeitsleistung wegen starken Schmerzen nicht einmal auf 60 % habe steigern können. Es sei zu wesentlichen Arbeitsausfällen gekommen, obwohl er sich bemüht habe, das Programm durchzuziehen.
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Die Vorinstanz stellte richtig fest, dass der psychiatrische ABI-Gutachter Dr. med. J.________ die Auswirkungen des Arbeitstrainings des Versicherten berücksichtigt hat (zum Zusammenwirken zwischen der Ärzteschaft und der Berufsberatung bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der versicherten Person vgl. BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 196; Urteil 8C_30/2020 vom 6. Mai 2020 E. 5.2.1). Hiergegen bringt der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Einwände vor.
25
 
9.
 
9.1. Der Beschwerdeführer rügt weiter, das psychiatrische ABI-Gutachten des Dr. med. J.________ befasse sich nur rudimentär, nicht ausführlich und nicht schlüssig mit den Indikatoren nach BGE 141 V 281. Die Indikatoren müssten von einer Fachperson gesamthaft ergänzt werden. Es könne nicht genügen, wenn das Gericht den Gutachter nach eigenem Gutdünken ersetze.
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9.2. Die Rechtsanwender prüfen die medizinischen Angaben frei insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben und ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen. Im Rahmen der Beweiswürdigung obliegt es den Rechtsanwendern zu überprüfen, ob in concreto ausschliesslich funktionelle Ausfälle bei der medizinischen Einschätzung berücksichtigt wurden und ob die Zumutbarkeitsbeurteilung auf einer objektivierten Grundlage erfolgte. Es soll keine losgelöste juristische Parallelüberprüfung nach Massgabe des strukturierten Beweisverfahrens stattfinden, sondern im Rahmen der Beweiswürdigung überprüft werden, ob die funktionellen Auswirkungen medizinisch anhand der Indikatoren schlüssig und widerspruchsfrei festgestellt wurden und somit den normativen Vorgaben Rechnung tragen (BGE 144 V 50 E. 4.3 S. 54; Urteil 8C_465/2019 vom 12. November 2019 E. 7.3).
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Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass das ABI-Gutachten vom 2. Mai 2017 eine schlüssige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers im Lichte der massgeblichen Indikatoren nach BGE 141 V 281 erlaubt. Sie hat das ABI-Gutachten in diesem Sinne überprüft. Hinsichtlich der Indikatorenprüfung gibt der Beschwerdeführer insgesamt die eigene Sichtweise wieder, wie die medizinischen Akten zu würdigen und welche rechtlichen Schlüsse daraus zu ziehen seien. Dies genügt nicht, um den angefochtenen Entscheid im Ergebnis in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig oder anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen (vgl. nicht publ. E. 6.3 des Urteils BGE 141 V 25, veröffentlicht in: SVR 2015 KV Nr. 8 S. 29, 9C_535/2014; Urteil 8C_465/2019 vom 12. November 2019 E. 8.2.4).
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10.
 
10.1. Strittig ist weiter die beruflich-erwerbliche Seite der Invaliditätsbemessung (Art. 16 ATSG; zur bundesgerichtlichen Kognition siehe BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
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10.2. Das vom Beschwerdeführer im Gesundheitsfall erzielbare Valideneinkommen setzte die Vorinstanz auf jährlich Fr. 64'255.55 fest. Dieses sei um rund 6.28 % tiefer als branchenüblich, weshalb das trotz Gesundheitsschaden erzielbare Invalideneinkommen (hierzu siehe E. 11 hiernach) nach Abzug der 5%igen Toleranzgrenze im Umfang von 1,28 % zu parallelisieren bzw. herabzusetzen sei (vgl. BGE 141 V 1, 135 V 58, 297).
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Das pauschale Vorbringen des Beschwerdeführers, im Vorbescheid vom 26. Juni 2019 habe die IV-Stelle ein Valideneinkommen von Fr. 70'602.- (recte: Fr. 70'620.-) veranschlagt, vermag die vorinstanzlichen Feststellungen weder als offensichtlich unrichtig noch anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen.
31
 
11.
 
11.1. Strittig ist weiter das vom Beschwerdeführer trotz Gesundheitsschaden erzielbare Invalideneinkommen. Hat die versicherte Person - wie hier - nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen, so können nach der Rechtsprechung die Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) herangezogen werden (BGE 143 V 295 E. 2.2 S. 296). Praxisgemäss können persönliche und berufliche Merkmale der versicherten Person wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad einen auf höchstens 25 % begrenzten Leidensabzug vom LSE-Tabellenlohn rechtfertigen, soweit anzunehmen ist, dass die trotz des Gesundheitsschadens verbleibende Leistungsfähigkeit infolge eines oder mehrerer dieser Merkmale auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem Einkommen verwertet werden kann (BGE 142 V 178 E. 2.5.7 i.f. S. 189, 135 V 297 E. 5.2 S. 301). Ob ein solcher Abzug vorzunehmen ist, ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 146 V 16 E. 4.2 S. 20; Urteil 8C_139/2020 vom 30. Juli 2020 E. 6.1 und E. 6.3).
32
 
11.2.
 
11.2.1. Die Vorinstanz ermittelte das Invalideneinkommen ausgehend von der LSE 2014, Tabelle TA1, Total, Männer, Kompetenzniveau 1 (einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art). Der entsprechende Lohn habe bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden monatlich Fr. 5312.- betragen. Unter Berücksichtigung der betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41.7 Stunden resultiere ein Jahreseinkommen von Fr. 66'453.10. Nach Abzug der Parallelisierung von 1.28 % (E. 10.2 hiervor) und unter Berücksichtigung des zumutbaren Arbeitspensums von 80 % betrage das Invalideneinkommen Fr. 52'482.-. Der Vergleich dieses Invalideneinkommens mit dem Valideneinkommen von Fr. 64'255.55 ergebe einen Invaliditätsgrad von gerundet 18 %. Letztlich könne offen bleiben, ob ein Leidensabzug vom Invalideneinkommen zu gewähren sei. Denn selbst mit einem leidensbedingten Abzug von 25 % resultiere ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von gerundet 39 %.
33
 
11.2.2.
 
11.2.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, ein Lohn von Fr. 5312.- sei aufgrund seiner Fähigkeiten und sprachlichen Kompetenz nicht erreichbar, weshalb auf den bei O.________ erzielten Hilfsarbeiterlohn abzustellen sei. Als gesunder Arbeiter habe er lediglich Fr. 4100.- verdient. Beim Invalideneinkommen könne sicher kein höherer Wert als beim Valideneinkommen eingesetzt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass es durchaus Konstellationen gibt, in welchen das Invalideneinkommen höher ist als das Valideneinkommen. Darin liegt - wie auch vorliegend - keine Verletzung von Bundesrecht und insbesondere keine Willkür (vgl. Urteil 9C_674/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 3.4.4 mit Hinweisen). Zudem beinhaltet der ausgeglichene Arbeitsmarkt im LSE-Kompetenzniveau 1 eine Vielzahl von leichten Tätigkeiten, die den gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers Rechnung tragen. Dabei fallen nicht nur rein handwerkliche, sondern auch leichte körperliche Tätigkeiten, die keine besonderen sprachlichen oder schulischen Kenntnisse erfordern, in Betracht (Urteil 8C_549/2019 vom 26. November 2019 E. 7.3).
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11.2.2.2. Weiter wendet der Beschwerdeführer ein, es könne nicht sein, dass zu seinem Nachteil eine Anrechnung der Toleranzgrenze von 5 % beim Invalideneinkommen zur Negierung des Leidensabzugs führe. Damit werde das Institut des Leidensabzugs ausgehöhlt und unterwandert. Eine Toleranz könnte höchstens dahingehend berücksichtigt werden, dass derselbe Prozentsatz vom zunächst zu bestimmenden Leidensabzug abzuziehen sei. Es werde daher eine Ungleichbehandlung und eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren gerügt.
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Die Vorinstanz hielt sich bezüglich der Gewährung des Parallelisierungsabzugs beim Invalideneinkommen an die Vorgaben der Rechtsprechung (vgl. BGE 141 V 1, 135 V 297). Gründe für eine Praxisänderung zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und sind nicht ersichtlich (hierzu vgl. BGE 145 V 304 E. 4.4 S. 309). Mit der Argumentation der Vorinstanz, selbst bei einem Abzug von 25 % resultiere kein rentenbegründender Invaliditätsgrad, setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander, weshalb es auch diesbezüglich sein Bewenden hat.
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11.2.2.3. Insgesamt vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen hinsichtlich des Invalideneinkommens offensichtlich unrichtig oder bundesrechtswidrig sein sollen.
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12. Da von weiteren Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten sind, verzichtete die Vorinstanz darauf zu Recht (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5 S. 368 f., 136 I 229 E. 5.3 S. 236). Der angefochtene Entscheid ist somit zu bestätigen.
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13. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 15. Oktober 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar
 
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