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Informationen zum Dokument  BGer 8C_386/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_386/2020 vom 24.08.2020
 
 
8C_386/2020
 
 
Urteil vom 24. August 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiber Jancar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 14. Mai 2020 (VG.2020.00020).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1968 geborene A.________ ist seit 14. Mai 1985 bei der B.________ AG als Kranführer angestellt und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch unfallversichert Am 9. August 2018 erlitt er als Beifahrer in einem Lieferwagen einen Unfall. Das Unfallfahrzeug, in welchem er sass, kollidierte auf einer Autobahnausfahrt mit einer Leitplanke, überschlug sich und landete auf dem Dach. Alle vier Insassen konnten sich selber aus dem Fahrzeug befreien. Die Ärzte des Spitals C.________ diagnostizierten am 9. August 2018 beim Versicherten Kontusionen der Hals- und Brustwirbelsäule, eine Fissur der Rippe 5-6 rechts und ein Hämatom am Unterschenkel rechts. Die Suva kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Mit Verfügung vom 29. August 2019 stellte sie ihre Leistungen per 8. September 2019 ein. Dagegen erhoben der Versicherte und sein Krankenversicherer Einsprache. Letzterer zog sie in der Folge zurück. Die Einsprache des Versicherten wies die Suva mit Entscheid vom 27. Januar 2019 ab.
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B. Die Beschwerde des Versicherten wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 14. Mai 2020 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache im Sinne der Erwägungen zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei festzustellen, dass die Suva verpflichtet sei, ihm über den 8. September 2019 hinaus die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung betreffend den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden im Allgemeinen (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f.) sowie bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) oder Folgen eines Unfalls mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) oder äquivalenter Verletzung ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle im Besonderen (BGE 134 V 109) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und den Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470, 125 V 351 E. 3a S. 352 f.; vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf wird verwiesen.
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3. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Leistungseinstellung der Suva per 8. September 2019 bestätigte.
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Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, beim Beschwerdeführer sei von organisch nicht (hinreichend) nachweisbaren Unfallfolgen auszugehen, weshalb deren adäquate Unfallkausalität zu prüfen sei. Keiner der untersuchenden oder behandelnden Ärzte habe ein Schleudertrauma oder ein Schädelhirntrauma festgestellt bzw. diagnostiziert, weshalb die Schleudertraumapraxis bei der Adäquanzprüfung keine Anwendung finde. Diese sei somit nach der Praxis für psychische Unfallfolgen vorzunehmen. Der Unfall vom 9. August 2018 sei als mittelschwer im engeren Sinne einzustufen. Da keines der Adäquanzkriterien erfüllt sei, sei der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den vom Versicherten geklagten Beschwerden zu verneinen. Somit erübrigten sich weitere Abklärungen zu deren natürlicher Unfallkausalität bzw. die Durchführung des strukturierten Beweisverfahrens. Da die somatischen Unfallfolgen bei Fallabschluss per 8. September 2019 ausgeheilt gewesen seien, habe der Gesundheitszustand des Versicherten mit einer ärztlichen Behandlung nicht mehr namhaft verbessert werden können. Folglich sei der Fallabschluss nicht verfrüht erfolgt. Die Beschwerde sei somit abzuweisen.
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4.
 
4.1. Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, es sei dokumentiert und von der Vorinstanz festgestellt worden, er könne sich nicht vollständig an den Unfall und die nachfolgenden Geschehnisse erinnern. Gemäss dem Polizeirapport vom 17. August 2018 seien alle Unfallbeteiligten beim Eintreffen der Polizei unter Schock gestanden. Seine nicht objektivierbaren Beschwerden (starker Schwindel, Kopfschmerzen, kognitive Einschränkungen) seien zeitnah zum Unfall aufgetreten und stellten keine psychische Fehlentwicklung dar, sondern seien die Folge eines Schleuder- oder Schädelhirntraumas. Ein MRI sei erst nach ca. zwei Monaten veranlasst worden, obwohl er während der Physiotherapie immer wieder über Schmerzen geklagt habe. Die Suva-Kreisärzte hätten nicht alle Umstände berücksichtigt. Unbestritten sei, dass er Erinnerungslücken habe, was auf eine Bewusstlosigkeit hindeute und Indiz für ein Schädelhirntrauma sei. Es sei durchaus vorstellbar, dass beim Überschlagen des Unfallfahrzeugs durch die abrupten Lageänderungen und die damit zusammenhängenden Kräfte seine HWS überdehnt worden sei bzw. sein Gehirn auch ohne Anprall des Kopfes am Schädelinneren aufgeschlagen habe. Der Kreisarzt Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, habe denn auch eine Teilkausalität des Unfalls für seine Beschwerden bejaht. Somit hätte mittels eines Gutachtens abgeklärt werden müssen, ob er an einem Schädelhirn- bzw. Schleudertrauma leide. Die Adäquanzprüfung hätte nach der hierzu ergangenen Praxis erfolgen müssen.
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4.2. Soweit der Versicherte den Umstand zu bemängeln scheint, dass ein MRI von Schädel und HWS erst am 4. Oktober 2018 erstellt wurde, lässt sich nicht ersehen, was er daraus zu seinen Gunsten ableiten möchte. Denn es ist unbestritten, dass diesbezüglich keine organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen festgestellt wurden (hierzu vgl. BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251).
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4.3.
 
4.3.1. Das Vorliegen eines Schleudertraumas der HWS oder eines Schädelhirntraumas ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle muss durch zuverlässige ärztliche Angaben gesichert sein, damit die auf solche Verletzungen zugeschnittene Rechtsprechung zur Anwendung kommen kann (BGE 134 V 109 E. 9.1 f. S. 122 ff.; SVR 2008 UV Nr. 35 S. 133, 8C_476/2007 E. 4.1.3; Urteile 8C_306/2016 vom 22. September 2016 E. 4.2 und 8C_849/2011 vom 29. Mai 2012 E. 5.2).
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4.3.2. Im Notfallbericht des Spitals C.________ vom 9. August 2018 (Unfalldatum) wurde festgehalten, ein Kopfanprall sei dem Versicherten nicht erinnerlich; eine Bewusstlosigkeit oder Amnesie werde verneint. Der Wert der GCS (Glasgow Coma Scale) betrage 15 Punkte. Die Vigilanz sei wach, die Orientierung zur Person und Zeit sowie zum Ort sei regelrecht.
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Der GCS-Wert von 15 Punkten entspricht praxisgemäss höchstens einer leichten Commotio cerebri mit leichter Bewusstseinsstörung, was grundsätzlich nicht für die Anwendung der Adäquanzbeurteilung gemäss Schleudertrauma-Praxis genügt (SVR 2019 UV Nr. 41 S. 155, 8C_632/2018 10. Mai 2019 E. 7.2.2; Urteile 8C_44/2017 vom 19. April 2017 E. 4.2.1 und E. 4.3 sowie 8C_ 236/2016 vom 11. August 2016 E. 5.2, je mit weiteren Hinweisen). Der Beschwerdeführer benennt keine Arztberichte, die einen gegenteiligen Schluss zuliessen. Soweit er sich auf die Berichte des Spitals E.________ vom 3. Juni 2020, der Dr. med. F.________, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, vom 6. Juni 2020, des Physiotherapeuten G.________ vom 6. Juni 2020, des Psychiaters Dr. med. H.________ vom 13. Juni 2020, des Kopfwehzentrums der Klinik I.________ AG vom 15. Juni 2020 und des Dr. med. J.________ vom 15. Juni 2020 beruft, handelt es sich, da erst nach dem angefochtenen Gerichtsentscheid vom 14. Mai 2020 entstanden, um unzulässige echte Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; Urteil 8C_206/2019 vom 31. Juli 2019 E. 4.2). Diese Berichte und die darauf basierenden Ausführungen des Versicherten sind somit unbeachtlich (Urteil 8C_603/2019 vom 22. November 2019 E. 5).
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4.3.3. Was den vom Kreisarzt Dr. med. D.________ in den Berichten vom 3. Januar 2019 und 16. August 2019 bestätigten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 9. August 2018 und den gesundheitlichen Beschwerden des Versicherten angeht, ergibt sich daraus nichts, was auf eine organische Unfallfolge schliessen liesse oder zumindest Anlass für eine Adäquanzprüfung gemäss BGE 134 V 109 geben würde. Denn diese Aussage bezog sich allein auf das vom psychiatrischen Facharzt Dr. med. D.________ einzig festgestellte psychische Leiden. Zu beachten ist denn auch, dass die Kreisärztin Dr. med. K.________, Fachärztin für Oto-Rhino-Laryngologie und Arbeitsmedizin, im Bericht vom 14. Februar 2019 ebenfalls zum Schluss kam, als Ursache für die protrahierten Beschwerden vermute sie überwiegend psychogene Ursachen. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was an den kreisärztlichen Beurteilungen auch nur geringe Zweifel zu begründen vermöchte (vgl. BGE 145 V 97 E. 8.5 S. 105).
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4.3.4. Aus dem im Polizeirapport vom 17. August 2018 festgestellten Unfallhergang kann der Beschwerdeführer mit Blick auf die medizinische Aktenlage nichts zu seinen Gunsten ableiten.
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4.4. Insgesamt erscheint die vorinstanzliche Verneinung der Voraussetzungen für die Anwendung der Schleudertraumpraxis bei der Adäquanzprüfung nicht als bundesrechtwidrig. Da von weiteren Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz darauf verzichten (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5 S. 368 f., 136 I 229 E. 5.3 S. 236). Sämtliche Einwände des Beschwerdeführers vermögen hieran nichts zu ändern.
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5. Nach dem Gesagten nahm die Vorinstanz die Adäquanzprüfung zu Recht nach der Praxis zu den psychischen Unfallfolgen vor (BGE 115 V 133). Gegen deren Ergebnis erhebt der Versicherte keine Einwände, weshalb es bei der Leistungseinstellung per 8. September 2019 sein Bewenden hat.
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6. Der unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht gewährt werden (Art. 64 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 24. August 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar
 
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