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Informationen zum Dokument  BGer 2C_625/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_625/2020 vom 19.08.2020
 
 
2C_625/2020
 
 
Urteil vom 19. August 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Gerichtsschreiber Businger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Bundesamt für Kommunikation,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Radio- und Fernsehempfangsgebühren,
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
 
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
 
vom 23. Juni 2020 (A-2481/2020).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Mit Verfügung vom 31. Januar 2018 entschied die Billag AG über die Radio- und Fernsehempfangsgebühren von A.________. Auf die dagegen erhobene Beschwerde vom 22. März 2019 trat das Bundesamt für Kommunikation BAKOM am 7. April 2020 wegen Verspätung nicht ein. Gegen diesen Entscheid erhob A.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Mit Zwischenverfügung vom 23. Juni 2020 gewährte das Bundesverwaltungsgericht A.________ die unentgeltliche Prozessführung, wies aber das Gesuch um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistands ab.
 
1.2. Mit Beschwerde vom 26. Juli 2020 beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei ihm für das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu gewähren. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt.
 
 
2.
 
Der Zwischenentscheid betreffend die Verweigerung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 89 Abs. 1 BGG).
 
 
3.
 
3.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV bzw. Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG [SR 172.021]). Die Notwendigkeit der unentgeltlichen Verbeiständung beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Die bedürftige Partei hat Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person einzugreifen, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich geboten, sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 130 I 180 E. 2.2 S. 182; 128 I 225 E. 2.5.2 S. 232 f.).
 
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen, der vorliegende Fall greife nicht besonders schwer in die Rechtsposition des Beschwerdeführers ein, weil vorwiegend Vermögensinteressen betroffen seien. Weiter seien keine komplexen rechtliche Fragen zu beurteilen und erscheine der Fall auch in tatsächlicher Hinsicht nicht als besonders schwierig, weil es in erster Linie um die Überprüfung der Einhaltung der Beschwerdefrist im Verfahren vor dem Bundesamt gehe. Schliesslich seien auch keine in der Person des Beschwerdeführers liegende Gründe für eine anwaltliche Vertretung ersichtlich; er habe die Beschwerde selber verfasst und bereits früher ein Beschwerdeverfahren betreffend Radio- und Fernsehempfangsgebühren geführt.
 
 
3.3.
 
3.3.1. Der Beschwerdeführer macht nicht substanziiert geltend, dass das Verfahren betreffend Radio- und Fernsehempfangsgebühren besonders stark in seine Rechtsposition eingreift. Dies ist auch nicht ersichtlich, nachdem primär Vermögensinteressen betroffen sind. Nach der vorher zitierten Rechtsprechung müsste das Verfahren deshalb besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen, damit der Beschwerdeführer einen Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand hätte.
 
3.3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei willkürlich, besondere Schwierigkeiten des vorliegenden Falles zu verneinen, weil die Verwaltung und die Gerichte seit Jahren nicht imstande seien, das Problem zu lösen. Dabei übersieht er, dass der Streitgegenstand vor Bundesverwaltungsgericht eingeschränkt ist. Nachdem das Bundesamt am 7. April 2020 auf seine Beschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten ist und sich nicht zur materiellen Rechtslage geäussert hat, beschränkt sich der Streitgegenstand im vorinstanzlichen Verfahren auf die Rechtzeitigkeit seiner Verwaltungsbeschwerde. Folglich ist unbeachtlich, ob die materielle Beurteilung der Streitsache schwierige Fragen aufwerfen würde. In Bezug auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde an das Bundesamt ist die Anwendbarkeit der Zustellfiktion streitig, namentlich ob der Beschwerdeführer mit der Zustellung der Verfügung der Billag AG hätte rechnen müssen. Der Beschwerdeführer bestreitet dies unter Hinweis u.a. auf die lange Verfahrensdauer (vgl. S. 12 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. Mai 2020). Es geht somit um die Beantwortung einer nicht besonders komplexen Rechtsfrage, zu der eine reichhaltige Rechtsprechung besteht. Ebenso sind keine schwierigen Sachverhaltsfragen ersichtlich. Schliesslich gilt im vorinstanzlichen Verfahren der Untersuchungsgrundsatz und der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen, wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat.
 
3.3.3. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, es verletze das Prinzip der Waffengleichheit, wenn er als juristischer Laie ohne anwaltliche Vertretung der rechtskundigen Verwaltung gegenüberstehe. Deshalb sei die Notwendigkeit der unentgeltlichen Vertretung ungeachtet der Kompexität des Verfahrens zu bejahen. Diese Auffassung widerspricht Art. 29 Abs. 3 BV bzw. Art. 65 Abs. 2 VwVG und hätte zur Folge, dass in öffentlich-rechtlichen Verfahren selbst in Bagatellfällen eine unentgeltliche Vertretung bestellt werden müsste, falls die private Partei mittellos ist und ihre Begehren nicht aussichtslos erscheinen. Zwar kann sich die Notwendigkeit der Vertretung daraus ergeben, dass die Verwaltungsbehörde als Gegenpartei über besonders qualifizierten Sachverstand verfügt (vgl. MARTIN KAYSER/RAHEL ALTMANN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2. A., 2019, N. 65 zu Art. 65 VwVG), doch ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall offensichtlich nicht erfüllt, nachdem es im vorinstanzlichen Verfahren wie erwähnt um die Einhaltung einer Rechtsmittelfrist geht. Folglich kann der Beschwerdeführer alleine aus dem Umstand, dass er im Verfahren als juristischer Laie der öffentlichen Verwaltung gegenübersteht, nichts zu seinen Gunsten ableiten.
 
3.3.4. Schliesslich hat die Vorinstanz zu Recht erwogen, dass keine in der Person des Beschwerdeführers liegenden Umstände ersichtlich sind, die eine unentgeltliche Vertretung notwendig machen würden. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, sich auszudrücken und seine Rechte zu wahren, wie seine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 7. Mai 2020 sowie die vorliegende Beschwerde an das Bundesgericht zeigen. Zudem räumt er ein, dass er bereits alleine ein Verfahren betreffend Radio- und Fernsehempfangsgebühren vor Bundesverwaltungsgericht erfolgreich geführt hat.
 
3.4. Zusammenfassend sind die Voraussetzungen für die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistands gemäss Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 65 Abs. 2 VwVG im vorinstanzlichen Verfahren mangels Notwendigkeit der Vertretung nicht gegeben. Eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren liegt nicht vor. Der vom Beschwerdeführer ebenfalls angerufene Art. 6 Ziff. 3 EMRK ist mangels strafrechtlicher Anklage von vornherein nicht anwendbar.
 
 
4.
 
Soweit der Beschwerdeführer weiter rügt, das Bundesverwaltungsgericht hätte nach dem Gesuch um unentgeltliche Vertretung keine weiteren Verfahrensschritte vornehmen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz das Gesuch zeitnah in einem Zwischenentscheid beurteilt hat. Dass sie in der Folge das Verfahren weitergeführt und dem Beschwerdeführer Frist für allfällige Schlussbemerkungen angesetzt hat, obwohl der Zwischenentscheid noch nicht rechtskräftig war, ist wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 103 Abs. 1 BGG) nicht zu beanstanden.
 
 
5.
 
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Es rechtfertigt sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario).
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, und dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. August 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Businger
 
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