VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_382/2020  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 14.08.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_382/2020 vom 24.07.2020
 
 
2C_382/2020
 
 
Urteil vom 24. Juli 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID),
 
Einwohnergemeinde Thun,
 
Abteilung Sicherheit, Migrationsdienst.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung infolge Straffälligkeit,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
 
vom 31. März 2020 (100.2019.216U).
 
 
Erwägungen:
 
1. Der kosovarische Staatsangehörige A.________ (geb. 1979) heiratete im Juli 2000 im Heimatland die serbische Staatsangehörige B.________, die damals in der Schweiz niederlassungsberechtigt war und heute Schweizer Bürgerin ist. Am 25. Oktober 2001 kam er im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung, im Jahre 2006 die Niederlassungsbewilligung. Das Ehepaar hat drei gemeinsame Kinder (geb. 2004, 2007 und 2014). A.________ wurde am 1. April 2016 vom Tribunal d' Arrondissement de la Broye et du Nord Vaudois wegen qualifizierten Raubes und Hausfriedensbruchs (begangen am 8. März 2010) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Er befindet sich seit dem 23. Mai 2015 in der Untersuchungshaft bzw. im Strafvollzug.
 
Mit Verfügung vom 21. September 2018 widerrief die Einwohnergemeinde Thun die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Er habe das Land auf das Ende des Strafvollzuges zu verlassen. Die kantonalen Rechtsmittel gegen diese Verfügung blieben erfoglos, mit Urteil vom 21. März 2020 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern eine Beschwerde gegen den Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 27. Mai 2019 unter Kostenauflage ab.
 
Mit Eingabe vom 15. Mai 2020 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit dem Antrag, das letztgenannte Urteil aufzuheben und die Beschwerdegegnerin anzuweisen, die Niederlassungsbewiligung zu verlängern bzw. zu belassen.
 
Die kantonalen Akten sind eingeholt, ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.
 
 
2.
 
Die gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG; vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
 
 
3.
 
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren einen Widerrufsgrund gesetzt hat (Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG [SR 142.20]). Streitig ist, ob der Widerruf der Niederlassungsbewilligung verhältnismässig ist.
 
3.1. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV und Art. 96 AIG). Abzuwägen ist das öffentliche Interesse an der Wegweisung gegen das private Interesse des Betroffenen am Verbleib in der Schweiz (BGE 135 I 143 E. 2.1 S. 147). Massgebliche Kriterien sind dabei unter anderem die Schwere des Delikts, das Verschulden, die Dauer der Anwesenheit und der Grad der Integration, die familiären Verhältnisse sowie die Wiedereingliederungschancen im Herkunftsstaat (BGE 139 I 16 E. 2.2 S. 19 ff.; 139 I 31 E. 2.3 S. 33 ff.). Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich seit langer Zeit in der Schweiz aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden. Der Widerruf ist indessen bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Betroffene in der Schweiz geboren ist und sein ganzes Leben hier verbracht hat (BGE 144 IV 332 E. 3.3.3 S. 341 f.; 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19).
 
 
3.2.
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer ist wegen Raubes verurteilt worden und hat damit eines der Delikte begangen, die nach dem Willen des Verfassungsgebers als besonders verwerflich gelten und grundsätzlich zu einer Beendigung des Aufenthalts in der Schweiz führen (Art. 121 Abs. 3 lit. a BV), was bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34). Das Strafmass von 6 Jahren impliziert ein schweres Verschulden (BGE 139 I 145 E. 3.4 S. 152 f.; Urteil 2C_738/2019 vom 19. Dezember 2019, E. 4.2.1). Nach den für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 2 BGG) beteiligte sich der Beschwerdeführer aus Habgier an einem Raub; er war dabei vermummt und bewaffnet und legte eine besondere Kaltblütigkeit an den Tag.
 
3.2.2. Vor diesem Hintergrund ist die Vorinstanz völlig zu Recht von einem schweren ausländerrechtlichen Verschulden ausgegangen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nicht bloss das Raubdelikt begangen hat: Er hat auch solche wegen verschiedenen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz, einfacher Körperverletzung, Fälschung von Ausweisen und Widerhandlung gegen die Ausländergesetzgebung, versuchten Diebstahls, Hausfriedensbruchs und ein Verstoss gegen das Waffengesetz zu verantworten (angefochtener Entscheid S. 7). Der Beschwerdeführer ist uneinsichtig und unbelehrbar und kann sich nicht an die geltende Rechtsordnung halten.
 
Schliesslich kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten aus der geringen Rückfallgefahr ableiten. Einerseits hat die Vorinstanz zu Recht erwogen, dass aus fremdenpolizeilicher Sicht auch eine nur geringe Rückfallgefahr angesichts der schweren Delinquenz in einem sensiblen Bereich nicht hingenommen werden muss (vgl. E. 3.3.1 des angefochtenen Urteils). Andererseits muss beim Beschwerdeführer mangels Anwendbarkeit des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) keine Rückfallgefahr vorliegen, damit die Wegweisung zulässig ist, sondern es dürfen auch generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden (Urteil 2C_945/2019 vom 15. Januar 2020 E. 3.3.2).
 
3.2.3. Zusammenfassend ist der Schluss der Vorinstanz nicht zu beanstanden, wonach ein erhebliches öffentliches Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung besteht.
 
 
4.
 
In Bezug auf das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer hier trotz seiner langen Anwesenheitsdauer nicht erfolgreich integriert ist. Er hat zwischen Februar 2015 und März 2018 Sozialhilfeleistungen von knapp Fr. 80 000.- bezogen und seine Familie muss immer noch von der Sozialhilfe unterstützt werden. Wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, ist es fraglich, ob er nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wieder eine Arbeitsstelle finden kann.
 
Was die familiären Beziehungen des Beschwerdeführers betrifft, hat die Vorinstanz nicht verkannt, dass ihn der Widerruf der Bewilligung hart trifft, sollten seine Ehefrau und die Kinder hier in der Schweiz verbleiben. Er hat sich die familiären Konsequenzen selber zuzuschreiben und kann diesfalls die Beziehungen mittels der heute üblichen Kommunikationsmittel in beschränktem Rahmen (Telefon, Skype etc.) pflegen. Schliesslich ist auch ihm selber eine Rückkehr in den Kosovo zumutbar. Er hat sich für familiäre Aufenthalte dort aufgehalten. Zu einigen seine acht Geschwister hat er ebenfalls noch Kontakt.
 
Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung aus der Schweiz ist demnach auch im Lichte von Art. 8 EMRK verhältnismässig.
 
5. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen; für alles Übrige kann auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Bei diesem Ergebnis sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65/66 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario). Parteikosten sind keine zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Juli 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).