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Informationen zum Dokument  BGer 1B_245/2020  Materielle Begründung
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BGer 1B_245/2020 vom 23.07.2020
 
 
1B_245/2020
 
 
Urteil vom 23. Juli 2020
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Kneubühler, Haag,
 
Gerichtsschreiber Uebersax.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schwaller,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft Baden.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; unentgeltliche Rechtspflege,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 26. März 2020 (SBK.2020.5).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Die Staatsanwaltschaft Baden eröffnete am 3. September 2019 gestützt auf eine Meldung der Bundespolizei Hamburg gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen, allenfalls versuchter, Schreckung der Bevölkerung (Art. 258 StGB). Gemäss dem Rapport der Kantonspolizei Aargau vom 9. September 2019 soll er auf Twitter bedenkliche Äusserungen gepostet, mit einem Atombombenangriff gedroht und von einem drohenden Angriff durch Ausserirdische berichtet haben. Am 2. Dezember 2019 übernahm die Staatsanwaltschaft Baden zudem eine von der Staatsanwaltschaft See/Oberland des Kantons Zürich eingeleitete Strafuntersuchung gegen A.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 SVG). Gemäss dem Rechtshilfegesuch der Kantonspolizei Zürich soll er am 4. September 2019 auf der Autobahn bei Volketswil die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h überschritten haben.
1
A.b. Am 5. September 2019 nahm die Kantonspolizei Aargau A.________ gestützt auf einen entsprechenden Befehl vom Vortag fest und vernahm ihn protokollarisch. Unmittelbar im Anschluss an die polizeiliche Befragung verfügte Dr. med. B.________, der von der Kantonspolizei beigezogen worden war, die fürsorgerische Unterbringung von A.________ in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden, wo er, nach eigenen Angaben zwangsweise, mit Medikamenten versorgt wurde. Auf Anordnung des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 17. September 2019 wurde er umgehend wieder aus der fürsorgerischen Unterbringung entlassen.
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A.c. Bereits vorher, am 13. September 2019, stellte der Vertreter von A.________, Rechtsanwalt Martin Schwaller, bei der Staatsanwaltschaft Baden unter Verweis auf den medizinischen Befund den Antrag auf amtliche Verteidigung. Mit Schreiben vom 16. September 2019 hielt die Staatsanwaltschaft fest, es liege kein Fall einer notwendigen Verteidigung vor, und forderte A.________ auf, das Gesuch um amtliche Verteidigung innert 20 Tagen rechtsgenüglich zu begründen. Dieser stellte am 20. September 2019 über seinen Rechtsvertreter den Antrag, das Schreiben vom 16. September 2019 in Wiedererwägung zu ziehen, weil er aufgrund seines geistigen Zustands nicht in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen. Am 29. Oktober 2019 reichte er einen vom 23. September 2019 datierten Betreibungsregisterauszug ein.
3
In der Folge verlangte die Staatsanwaltschaft von A.________ die Entbindung vom medizinischen Geheimnis, da sie den Beizug der Akten der Psychiatrischen Dienste Aargau für notwendig erachte. A.________ kam dieser Aufforderung nicht nach und ersuchte die Staats anwaltschaft wiederholt, über das Gesuch um amtliche Verteidigung förmlich zu verfügen. Am 10. Dezember 2019 wies die Staatsanwaltschaft das Gesuch ab. Am 18. Dezember 2019 wies sie überdies ein am 17. Dezember 2019 gestelltes Wiederwägungsgesuch in gleicher Sache ab.
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B.
 
Mit Beschwerde vom 23. Dezember 2019 an das Obergericht des Kantons Aargau beantragte A.________, die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 10. Dezember 2019 aufzuheben und ihm im Strafverfahren die notwendige oder amtliche Verteidigung unter Einsetzung seines Rechtsvertreters zu bewilligen. Am 26. März 2020 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Es führte dazu im Wesentlichen aus, jedenfalls nach seiner Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung am 17. September 2019 aufgrund der erfolgreichen medikamentösen Behandlung in der Klinik habe bei A.________ kein geistiger Schwächezustand mehr bestanden, der eine notwendige Verteidigung gerechtfertigt hätte, weshalb seine Beschwerde insoweit unbegründet sei. Für den Zeitraum vom 5. bis 12. September 2019 sei A.________ noch nicht anwaltlich vertreten gewesen, da sich der Rechtsvertreter erst am 13. September 2019 als Verteidiger konstitutiert habe; insofern bestehe daher kein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Beschwerdeführung. In der Zeit vom 13. bis 17. September 2019 seien keine massgeblichen anwaltlichen Leis tungen erbracht worden und könne der Geisteszustand von A.________ von Amtes wegen berücksichtigt werden, weshalb die Beschwerde insofern unbegründet sei. Für die amtliche Verteidigung sei schliesslich die prozessuale Bedürftigkeit nicht ausreichend dargetan.
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C. Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht beantragt A.________, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und ihm für das Untersuchungsverfahren der Staatsanwaltschaft Baden die notwendige bzw. amtliche Verteidigung zu gewähren, unter Einsetzung seines Rechtsanwalts zum Verteidiger; eventuell sei die Streitsache zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen. Ergänzend wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Zur Begründung wird im Wesentlichen ein Verstoss gegen die Strafprozessordnung sowie gegen verschiedene grund- und menschenrechtliche Garantien eines fairen Strafprozesses geltend gemacht.
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Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichteten auf eine Stellungnahme.
7
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Der Beschluss der Obergerichts ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Gewährung der notwendigen bzw. amtlichen Verteidigung in einem Strafverfahren. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG). Es handelt sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338, mit Hinweisen).
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1.2. Der Beschwerdeführer, der im Strafverfahren beschuldigt wird und dessen Gesuch um notwendige bzw. amtliche Verteidigung kein Erfolg beschieden war, ist zur Beschwerdeführung befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG).
9
1.3. Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Der Beschwerdeführer macht denn auch einzig einen Verstoss gegen bundesrechtliche Bestimmungen geltend.
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1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese seien offensichtlich unrichtig oder beruhten auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, aktenwidrig sind oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (vgl. BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; je mit Hinweisen).
11
 
2.
 
2.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich weder aus Art. 29 Abs. 3 BV noch aus Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK ein Anspruch auf notwendige Verteidigung. Nach Massgabe der Garantie der Fairness sowie der Aufklärungs- und Fürsorgepflicht (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV) kann es jedoch geboten sein, dass die Strafbehörde von Amtes wegen für eine notwendige Verteidigung zu sorgen hat (BGE 143 I 164 E. 2.3 S. 166 ff., mit Hinweisen).
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2.2. Art. 130 und 131 StPO regeln die notwendige Verteidigung. Gemäss dem hier einzig massgeblichen Tatbestand von Art. 130 lit. c StPO besteht insbesondere dann ein gesetzlicher Anspruch auf notwendige Verteidigung, wenn die beschuldigte Person wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustands oder aus anderen Gründen ihre Verfahrensinteressen nicht ausreichend wahren kann (Art. 130 lit. c StPO). Die notwendige Verteidigung dient dem Zweck, der beschuldigten Person einen fairen Prozess zu sichern, und garantiert das Prinzip der Waffengleichheit. Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, so achtet die Verfahrensleitung darauf, dass unverzüglich eine Verteidigung bestellt wird (Art. 131 Abs. 1 StPO; BGE 145 IV 407 E. 1.3.1 S. 412, mit Hinweisen). Sie hat von Amtes wegen die Voraussetzungen zu prüfen und über die notwendige Verteidigung zu entscheiden (Urteil des Bundesgerichts 1B_318/2014 vom 27. Oktober 2014 E. 2). Sind die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung bei Einleitung des Verfahrens erfüllt, so ist die Verteidigung nach der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft, jedenfalls aber vor Eröffnung der Untersuchung sicherzustellen (Art. 131 Abs. 2 StPO). In Fällen, in denen die Verteidigung erkennbar notwendig gewesen wäre und bei denen Beweise erhoben wurden, bevor eine Verteidigerin oder ein Verteidiger bestellt worden ist, gilt die Beweiserhebung nur als gültig, wenn die beschuldigte Person auf ihre Wiederholung verzichtet (Art. 131 Abs. 3 StPO). Bei notwendiger Verteidigung ordnet die Verfahrensleitung unter anderem eine amtliche Verteidigung an, wenn die beschuldigte Person trotz Aufforderung der Verfahrensleitung keine Wahlverteidigung bestimmt (Art. 132 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 StPO).
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2.3. Die Verfahrensleitung verfügt bei der Beurteilung, ob die beschuldigte Person fähig ist, ihre Verfahrensinteressen zu wahren, über einen Ermessensspielraum. Von Prozessunfähigkeit aufgrund psychischer Leiden ist nur ausnahmsweise gestützt auf entsprechende Indizien auszugehen (Urteile des Bundesgerichts 1B_314/2015 vom 23. Oktober 2015 E. 2.2 und 1B_318/2014 vom 27. Oktober 2014 E. 2.1). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt dafür aber keine eindeutigen Beweise, sondern lässt ausreichende Anhaltspunkte genügen, was folgerichtig erscheint, wären doch sonst ohne Rechtsvertretung regelmässig umfassende Abklärungen über den Geisteszustand erforderlich, die auch im späteren Strafverfahren Bedeutung erlangen könnten, bevor überhaupt über die notwendige Verteidigung entschieden ist. Verfügt die beschuldigte Person hingegen über eine gesetzliche Vertretung, kommt die notwendige Verteidigung nur in Frage, wenn die Vertretung nicht geeignet oder fähig ist, ihre Interessen im Strafprozess wahrzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 1B_279/2014 vom 3. November 2014 E. 2.1.2).
14
2.4. Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer nicht mehr geltend, noch immer verhandlungsunfähig zu sein. Auch wenn er dies nicht ausdrücklich so formuliert, so geht aus der Beschwerdeschrift doch mit genügender Klarheit hervor, dass er mit dem Obergericht nur noch von einer Prozessunfähigkeit für die Zeitperiode vom 5. bis 17. September 2019 ausgeht. Seither ist der Geisteszustand des Beschwerdeführers offenbar aufgrund der ärztlich verordneten medikamentösen Behandlung unter Kontrolle, was letztlich auch zu seiner Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung geführt hat. Es ist daher nur zu prüfen, ob ihm für den Zeitraum vom 5. bis zum 17. September 2019 eine notwendige Verteidigung hätte zugeordnet werden müssen.
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2.5. Wie das Obergericht festhält, wurden beim Beschwerdeführer am 5. September 2019 ärztlicherseits akute Wahnvorstellungen im Rahmen einer akuten psychischen Erkrankung festgestellt. Zwar relativierte das Verwaltungsgericht bei seinem Entscheid über die Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung am 17. September 2019 den Schweregrad, wobei es allerdings auch die Wirkung der inzwischen verschriebenen Medikamente berücksichtigte. Eine nachträgliche Verbesserung des Geisteszustandes bzw. eine Relativierung der ersten Diagnose im Nachhinein ist aber für den Entscheid über die notwendige Verteidigung lediglich pro futuro, nicht jedoch für den früheren Zeitpunkt massgeblich. Liegen während eines Strafprozesses genügend Anhaltspunkte für bleibende oder vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit auf Seiten der beschuldigten Person vor und ist diese wie hier nicht zureichend gesetzlich vertreten, haben für die Dauer der Prozessunfähigkeit entweder sämtliche Strafverfolgungshandlungen zu unterbleiben oder es ist dafür die Verteidigung, bei Bedarf über die Einsetzung einer notwendigen Verteidigung, sicherzustellen. Dies ändert sich erst wieder, wenn die Anhaltspunkte wegfallen oder sich sogar ergibt, dass Verhandlungsfähigkeit besteht oder wieder eingetreten ist. Im vorliegenden Fall bestanden am 5. September 2019 in diesem Sinne ausreichende Anhaltspunkte für Verhandlungsunfähigkeit und davon war bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 17. September 2019 auszugehen, als die Frage im Zusammenhang mit der Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung vertieft gerichtlich geprüft wurde. Dass der Beschwerdeführer damals keine Erklärung über die Entbindung vom medizinischen Geheimnis abgab, ändert daran nichs, denn dieser Umstand vermag die von Amtes wegen zu berücksichtigenden bestehenden Anhaltspunkte nicht zu beseitigen. Im Übrigen kann in diesem Zusammenhang auch in Betracht gezogen werden, dass von ärztlicher Seite noch vor dem Verwaltungsgericht der Standpunkt vertreten wurde, die fürsorgerische Unterbringung sei aufgrund des immer noch heiklen Geisteszustands des Beschwerdeführers vorerst fortzusetzen. Es ist mithin davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vom 5. bis zum 17. September 2019 einer notwendigen Verteidigung bedurfte.
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2.6. Das Obergericht geht davon aus, der Beschwerdeführer habe für die Zeit vom 5. bis zum 13. September 2019, als sich sein Rechtsvertreter als Verteidiger im Strafverfahren gemeldet habe, mit Blick auf die Frage der notwendigen Verteidigung kein aktuelles Rechtsschutzinteresse. In der Zeit vom 13. bis zum 17. September 2019 seien zudem keine Strafverfolgungshandlungen vorgenommen worden und der Verteidiger des Beschwerdeführers habe keinen massgeblichen Aufwand gehabt. Indessen wurde der Beschwerdeführer am 5. September 2019 festgenommen und polizeilich einvernommen. Sodann blieb unbestritten, dass er in der Folge zumindest teilweise unter Anwesenheit von Polizisten ärztlich begutachtet wurde. Gleichzeitig musste der Rechtsvertreter abklären, ob er seinen Klienten auch im Strafverfahren vertreten sollte und was diesem überhaupt vorgeworfen wurde, sowie um notwendige bzw. amtliche Verteidigung ersuchen. Es ist aktenwidrig und erscheint im Übrigen realitätsfremd, davon auszugehen, dass weder massgebliche Handlungen auf Seiten der Strafverfolgung noch der Verteidigung vorgenommen wurden, nachdem das Strafverfahren gerade erst eingeleitet und der Beschwerdeführer deswegen festgenommen worden war. Im Übrigen spielt der vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geleistete Aufwand ohnehin erst für die Frage der Höhe einer allfälligen amtlichen Entschädigung eine Rolle. Für diejenige der Bestellung der notwendigen Verteidigung ist er hingegen nicht massgeblich, muss darüber doch aus einem prospektiven, auf den massgeblichen Zeitpunkt der Verfahrensunfähigkeit abstellenden Blickwinkel, hier auf den 5. September 2019, und nicht aus einer zurückschauenden Perspektive, hier vom 17. September 2019, entschieden werden. Es ist gerade kennzeichnend für die notwendige Verteidigung, dass im Zeitpunkt ihrer Bestellung noch kein grosser Aufwand geleistet worden ist.
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2.7. Der angefochtene Entscheid verstösst demnach gegen die bundesrechtlichen Bestimmungen über die notwendige Verteidigung und ist insoweit aufzuheben. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist für die Zeit vom 5. bis zum 17. September 2019 als sein notwendiger und zugleich amtlicher Verteidiger im Strafverfahren vor der Staatsanwaltschaft Baden einzusetzen.
18
 
3.
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht darüber hinaus geltend, es verletze die Strafprozessordnung, dass sein Rechtsvertreter nicht für das ganze Strafverfahren als amtlicher Verteidiger eingesetzt worden sei und das Obergericht dies geschützt habe. Massgeblich ist dies hier nur noch für die Zeit ab dem 18. September 2019.
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3.2. Nach Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO ordnet die Verfahrensleitung eine amtliche Verteidigung an, wenn die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist. Dies trifft namentlich zu, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt und der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen wäre (Art. 132 Abs. 2 StPO). Ein Bagatellfall liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Monaten oder eine Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen zu erwarten ist (Art. 132 Abs. 3 StPO).
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3.3. Art. 132 StPO nimmt die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK auf, die je nach Schwere der Strafdrohung eine amtliche Verteidigung grundsätzlich nur bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten, denen die betroffene Person selbst nicht gewachsen wäre (sog. relativ schwerer Fall), als geboten beurteilte (vgl. BGE 143 I 164 E. 3.5 S. 174, mit Hinweisen). Aus dieser Rechtsprechung und dem Wortlaut von Abs. 3 ("jedenfalls dann nicht") folgt, dass nicht automatisch von einem Bagatellfall auszugehen ist, wenn die im Gesetz genannten Schwellenwerte unterschritten werden. Die Verwendung des Wortes "namentlich" in Abs. 2 macht deutlich, dass nicht ausgeschlossen ist, neben den beiden in diesem Absatz genannten Kriterien weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Ob die Verteidigung nach Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person geboten ist, kann mithin nicht schematisch beurteilt werden; vielmehr sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Allgemein gilt, dass die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten umso geringer sind, je schwerwiegender der Eingriff in die Interessen der betroffenen Person ist, und umgekehrt (zum Ganzen: BGE 143 I 164 E. 3.6 S. 174 f., mit Hinweisen; vgl. auch die Urteile des Bundesgerichts 1B_205/2019 vom 14. Juni 2019 E. 2 sowie 1B_192/2018 vom 17. Juli 2018 E. 2.2; je mit Hinweisen).
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3.4. Das Obergericht verneinte, dass der Beschwerdeführer seine Mittellosigkeit ausreichend nachgewiesen habe. Diese sei zusammen mit dem Gesuch um amtliche Verteidigung glaubhaft und umfassend darzutun. Dabei treffe die gesuchstellende Partei eine Mitwirkungspflicht. Dieser sei der Beschwerdeführer trotz der Aufforderung der Staatsanwaltschaft, seine Bedürftigkeit zu substanziieren, nicht nachgekommen. Dass er nachträglich ein Wiedererwägungsgesuch unter Nachreichung weiterer Unterlagen eingereicht habe, sei verspätet erfolgt und vermöge daran nichts zu ändern.
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3.5. Bei der Ermittlung der prozessualen Bedürftigkeit ist nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abzustellen, sondern es ist den individuellen Umständen Rechnung zu tragen (BGE 135 I 91 E. 2.4.3 S. 100 f.). Bedürftig ist eine Partei, welche die Leistung der erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur erbringen kann, wenn sie die Mittel angreift, die sie zur Deckung des Grundbedarfs für sich und ihre Familie benötigt. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2 f., mit Hinweisen). Dabei obliegt es der Antrag stellenden Partei, ihre aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend aufzuzeigen und ihre finanziellen Verpflichtungen zu belegen. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, ist der Antrag abzuweisen (Urteil des Bundesgerichts 6B_616/2016 vom 27. Februar 2017 E. 5, nicht publ. in: BGE 143 IV 122, mit Hinweisen). An die klare und gründliche Darstellung der finanziellen Situation dürfen umso höhere Anforderungen gestellt werden, je komplexer diese Verhältnisse sind (BGE 125 IV 161 E. 4a S. 164 f.; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_107/2018 vom 30. April 2018 E. 2.3, mit Hinweisen).
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3.6. Entgegen seiner Auffassung muss sich der Beschwerdeführer entgegen halten lassen, dass er der Aufforderung der Staatsanwaltschaft, seine Bedürftigkeit zu belegen, vorerst nicht nachgekommen ist. Der von ihm am 29. Oktober 2019 eingereichte Betreibungsregisterauszug vom 23. September 2019 weist zwar laufende Betreibungen in der Höhe von insgesamt mehr als Fr. 50'000.-- aus, belegt aber auch das Fehlen von Verlustscheinen und besagt nichts zur vom Beschwerdeführer behaupteten Einkommenspfändung. Gestützt darauf durften ihm die Vorinstanzen die erforderliche prozessuale Mittellosigkeit absprechen. Hingegen steht es einer beschuldigten Person unter Missbrauchsvorbehalt frei, jederzeit erneut ein Gesuch um amtliche Verteidigung zu stellen. Nachdem die Staatsanwaltschaft das erste Gesuch des Beschwerdeführers am 10. Dezember 2019 abgewiesen hatte, reichte dieser am 17. Dezember 2019 unter der Bezeichnung "Wiedererwägungsgesuch" und unter Hinweis auf die noch laufende Beschwerdefrist neue umfassende Unterlagen ein. Am 18. Dezember 2019 wies die Staatsanwaltschaft auch dieses Gesuch ab. Das Wiedererwägungsgesuch, die dazu eingereichten Dokumente sowie der entsprechende Entscheid der Staatsanwaltschaft wurden in die Verfahrensakten aufgenommen und lagen dem Obergericht im Beschwerdeverfahren vor, das erst danach mit der vom 23. Dezember 2019 datierten Beschwerdeschrift eingeleitet wurde.
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3.7. Es verletzt Bundesrecht nicht, wenn die Staatsanwaltschaft unter den gegebenen Umständen das Gesuch um amtliche Verteidigung mangels Nachweises der Bedürftigkeit mit Wirkung ab dem 18. September 2019 abwies und darauf auch nicht wiedererwägungsweise zurückgekommen ist, nachdem der Beschwerdeführer keine wesentlichen Gründe geltend machte, weshalb er objektiv verhindert gewesen wäre, seine Mittellosigkeit rechtzeitig zu belegen bzw. die verlangten Belege erst lange nach der ihm gesetzten Frist einzureichen. Die Staatsanwaltschaft und in der Folge das Obergericht hätten jedoch das Wiedererwägungsgesuch auch als neues Gesuch um amtliche Verteidigung mit Wirkung ex nunc entgegennehmen und behandeln müssen, stand es dem Beschwerdeführer doch frei, ein solches zu stellen, und war offensichtlich, dass er zumindest dies unausgesprochen in maiore minus mit beabsichtigte. Es gibt insofern keine Hinweise auf missbräuchliches Verhalten. Indem die Staatsanwaltschaft das Gesuch einfach integral ablehnte, ohne es aufgrund der neu eingereichten Unterlagen mit Wirkung ab dem 17. Dezember 2019 zu prüfen, und das Obergericht dies schützte, haben die beiden Vorinstanzen dem Beschwerdeführer das Recht verweigert und damit gegen Art. 29 Abs. 1 und 3 sowie Art. 30 Abs. 1 BV verstossen.
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3.8. Die Staatsanwaltschaft äusserte sich in ihrem Entscheid vom 18. Dezember 2019 nur rudimentär zu den Voraussetzungen der amtlichen Verteidigung. Sie führte im Wesentlichen aus, nicht bereit zu sein, auf ihren ersten Entscheid vom 10. Dezember 2019 zurückzukommen, zumal der Beschwerdeführer die Ärzte der psychiatrischen Klinik nicht vom medizinischen Geheimnis entbinde. Diese Verknüpfung ist indes nicht zulässig, und die Staatsanwaltschaft hätte das Wiedererwägungsgesuch wie dargelegt zumindest als neues Gesuch umfassend und nicht bloss beiläufig prüfen müssen. Die fehlende Bereitschaft des Beschwerdeführers, die Ärzteschaft vom Berufsgeheimnis zu entbinden, hätte sie insoweit berücksichtigen dürfen, als eine amtliche Verbeiständung aus gesundheitlichen Gründen zur Diskussion stand; ob sich die Verbeiständung allenfalls aus andern Gründen rechtfertigen würde, was aufgrund der Entwicklung der Verhältnisse damals im Vordergrund stand, hätte die Staatsanwaltschaft dagegen prüfen müssen. Das Obergericht seinerseits stützte seinen Entscheid einzig auf die Frage der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers. Es befasste sich nicht damit, ob auch die übrigen Voraussetzungen einer amtlichen Verteidigung erfüllt wären. Die Beantwortung der Frage, ob eine Verteidigung zur Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers geboten sei, erscheint denn auch nicht offensichtlich und bedarf vertiefter Prüfung. Es ist dem Bundesgericht mithin verwehrt, direkt einen reformatorischen Entscheid zu fällen; vielmehr rechtfertigt es sich, das Verfahren insoweit an die Staatsanwaltschaft als erste Instanz zurückzuweisen (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG).
26
3.9. Der angefochtene Entscheid ist daher auch deshalb aufzuheben, weil dem Beschwerdeführer damit die amtliche Verteidigung generell verweigert wird. Die Streitsache ist insoweit an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen zu neuem Entscheid über das Gesuch um Gewährung der amtlichen Verteidigung mit Wirkung ab dem 17. Dezember 2019.
27
 
4.
 
Demnach ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, und der angefochtene Entscheid muss aufgehoben werden. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist für die Zeit vom 5. bis zum 17. September 2019 als notwendiger und zugleich amtlicher Verteidiger einzusetzen. Die Streitsache ist an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen zu neuem Entscheid über die Gewährung der amtlichen Verteidigung im Sinne der Erwägungen ab dem 17. Dezember 2019. Im Übrigen ist die Beschwerde mit Blick auf die Zeit vom 18. September bis zum 16. Dezember 2019 abzuweisen, da der Beschwerdeführer insofern seiner Mitwirkungspflicht zum Nachweis der Mittellosigkeit nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Das Obergericht wird die Kosten und Entschädigungen des vorinstanzlichen Verfahrens neu zu verlegen haben.
28
Bei diesem Verfahrensausgang unterliegt der Beschwerdeführer zu einem lediglich kleinen Teil. Insofern ist ihm antragsgemäss für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung mit seinem Rechtsvertreter zu gewähren, da jedenfalls für das bundesgerichtliche Verfahren aufgrund der aktenkundigen Unterlagen von prozessualer Bedürftigkeit auszugehen ist und seine Rechtsbegehren, auch soweit er unterlegen ist, nicht aussichtslos waren (vgl. Art. 64 BGG). Damit sind keine Kosten zu erheben (dazu auch Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine reduzierte Parteientschädigung zu entrichten. Ergänzend ist er aus der Bundesgerichtskasse zu ent schädigen.
29
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
1.1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 26. März 2020 wird aufgehoben.
 
1.2. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Martin Schwaller, wird für das von der Staatsanwaltschaft Baden geführte Strafverfahren für die Zeit vom 5. bis zum 17. September 2019 als notwendiger und zugleich amtlicher Verteidiger eingesetzt.
 
1.3. Die Streitsache wird an die Staatsanwaltschaft Baden zurückgewiesen zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen über die Gewährung der amtlichen Verteidigung mit Wirkung ab dem 17. Dezember 2019.
 
1.4. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2. Das Obergericht des Kantons Aargau wird über die Verlegung der Kosten und Entschädigungen im obergerichtlichen Verfahren neu zu entscheiden haben.
 
3. 
 
3.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Martin Schwaller als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben.
 
3.2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.3. Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Martin Schwaller, eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 2'200.-- zu entrichten.
 
3.4. Im Übrigen wird Rechtsanwalt Martin Schwaller aus der Kasse des Bundesgerichts mit Fr. 600.-- entschädigt.
 
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Baden und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekam mer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Juli 2020
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax
 
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