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Informationen zum Dokument  BGer 5A_484/2019  Materielle Begründung
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BGer 5A_484/2019 vom 22.07.2020
 
 
5A_484/2019
 
 
Urteil vom 22. Juli 2020
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Levante.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Peter Schnyder,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Harry F. Nötzli,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Norbert Brunner,
 
Beschwerdegegner,
 
1. A.________,
 
vertreten durch Advokat Gabriel Nigon,
 
2. B.________, Frankreich,
 
3. C.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Kunz,
 
Gegenstand
 
Ausstandsverfahren (Revision Erbteilungsverfahren),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Zivilkammer, vom 18. April 2019 (ZK1 19 6).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Mit Entscheid vom 27. August 2015 befand das Bezirksgericht (inzwischen Regionalgericht) Maloja über die Klage auf Realteilung des Nachlasses von D.________, die A.________ gegen seine Miterben B.________ und C.________ dort eingereicht hatte. Gegen diesen Entscheid gelangte A.________ mit Berufung an das Kantonsgericht Graubünden (ZK1 16 35).
1
A.b. Am 15. Mai 2018 fand die Beratung unter dem Vorsitz des Kantonsgerichtspräsidenten Brunner statt; an der Sitzung nahmen die Kantonsrichter Schnyder und Pedrotti sowie Aktuar Guetg teil.
2
A.c. Am 20. August 2018 wurde den Parteien das Urteil in der Sache zugestellt. Das Dispositiv lautete auf Gutheissung der Berufung und Anordnung der Realteilung, womit die Auszahlung der neu berechneten Geldbeträge an jeden Erben und die Zuteilung der E.________-Inhaberaktien angeordnet wurde. Der A.________ zustehende Anteil von neu Fr. 537'539.75 wurde gestützt auf eine Abtretungserklärung vom 1. Juli 2013 den Erben F.________ aus dem beim Regionalgericht Maloja hinterlegten Betrag ausbezahlt. Gegen dieses Urteil wurde keine Beschwerde beim Bundesgericht erhoben.
3
 
B.
 
B.a. A.________ reichte am 14. Januar 2019 beim Kantonsgericht ein Revisionsgesuch ein (ZK1 19 6). Er stellte das Begehren auf Abänderung des kantonsgerichtlichen Urteils, womit sein Erbanteil ihm und nicht den Erben F.________ ausbezahlt werde.
4
B.b. Mit Entscheid des Kantonsgerichts vom 18. April 2019 (ZK1 19 6) in der Besetzung mit Kantonsrichter Hubert, Pedrotti und Pritzi sowie Aktuar 
5
B.c. Mit Beschluss vom 8. Mai 2019 (GEG 19 4) stellte das Gesamtgericht, bestehend aus dem Kantonsgerichtspräsidenten Brunner, den Kantonsrichtern Michael Dürst, Hubert, Pedrotti und Pritzi fest, dass Kantonsrichter Schnyder im Revisionsverfahren (ZK1 19 6) keinerlei Funktion als prozessleitender Richter/Instruktionsrichter zukomme. Jegliche Kontaktnahme mit den Prozessparteien sowie den Erben F.________ werde ihm untersagt. Eine Missachtung dieser Anordnung werde als Amtsgeheimnisverletzung im Sinne von Art. 320 StGB qualifiziert (Ziff. 1). Kantonsrichter Schnyder werde im Revisionsverfahren (ZK1 19 6) durch Kantonsrichterin Michael Dürst ersetzt (Ziff. 2). In einer separaten Eingabe werde bei der Kommission für Justiz und Sicherheit des Grossen Rates der Antrag auf Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Kantonsrichter Schnyder gestellt (Ziff. 3).
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B.d. Am 29. Mai 2019 trat das Kantonsgericht auf das Revisionsgesuch von A.________ nicht ein. An diesem Entscheid wirkten Kantonsgerichtspräsident Brunner, die Kantonsrichter Pedrotti und Michael Dürst sowie Aktuar Guetg mit. Er blieb unangefochten.
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C. Kantonsrichter Schnyder ist am 11. Juni 2019 mit einer als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde bezeichneten Eingabe an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die Feststellung, dass der Entscheid des Kantonsgerichts vom 18. April 2019 (ZK1 19 6) nichtig sei.
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Der Beschwerdegegner und das Kantonsgericht beantragen, auf die Beschwerde gegen den Entscheid vom 18. April 2019 nicht einzutreten.
9
Die Erben von D.________, nämlich C.________, B.________ und A.________, wurden als Verfahrensbeteiligte zur Stellungnahme eingeladen. C.________ hat auf eine Stellungnahme verzichtet. B.________ hat sich vernehmen lassen, ohne einen Antrag zu stellen. A.________ beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils vom 15. Mai 2018 (ZK1 16 35) und die Feststellung der Nichtigkeit dieses Urteils. Sodann sei Ziff. 1 lit. a dieses Urteils dahingehend zu ändern, dass sein Anteil von Fr. 537'539.75 an ihn und nicht an die Erben F.________ ausgezahlt werde. Eventualiter sei der Entscheid des Kantonsgerichts vom 29. Mai 2019 (ZK1 19 6) aufzuheben und dessen Nichtigkeit festzustellen. Sodann sei auf das Revi sionsgesuch (ZK1 16 35) einzutreten. Es sei festzustellen, dass der kantonsgerichtliche Entscheid vom 18. April 2019 nichtig sei.
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Der Beschwerdeführer hat sich zu den Stellungnahmen des Kantonsgerichts und des Kantonsgerichtspräsidenten geäussert, ohne von seinem Replikrecht formellen Gebrauch zu machen.
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Der Beschwerdeführer richtet seine Beschwerde auch gegen den Beschluss vom 8. Mai 2019 (GEG 19 4). Über diese Beschwerde wird im separaten Verfahren entschieden (5A_485/2019)
12
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide über ein Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG). In der Sache geht es um ein Revisionsverfahren gegen ein Urteil in einer erbrechtlichen Streitigkeit. Die Eingabe wird daher unabhängig ihrer Bezeichnung als Beschwerde in Zivilsachen entgegengenommen (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 BGG). Damit entfällt die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG).
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1.2. Der angefochtene Entscheid ist dem Beschwerdeführer am 19. April 2019 ausgehändigt worden, womit sich die Beschwerde vom 11. Juni 2019 klar als verspätet erweist (vgl. Art. 100 Abs. 1 BGG).
14
1.3. Von den weiteren Verfahrensbeteiligten stellt einzig A.________ im Verfahren vor Bundesgericht Anträge. Er konnte am kantonalen Verfahren (Ausstandsfragen) nicht teilnehmen, steht aber zum rechtshängigen Verfahren in einem besonders engen Beziehung, welche die prozessuale Beiladung grundsätzlich rechtfertigt (vgl. VON WERDT, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Auf. 2015, N. 13 zu Art. 102).
15
2. Anlass zum vorliegenden Verfahren gibt ein Ausstandsbegehren, das im Rahmen eines Revisionsverfahrens vom Beschwerdeführer in seiner Funktion als Kantonsrichter gegen den Kantonsgerichtspräsidenten gestellt worden war.
16
2.1. Nicht Gegenstand des konkreten Verfahrens kann das (bereits rechtskräftige) Urteil des Kantonsgerichts über die Realteilung der Erbmasse D.________ vom 20. August 2018 sein. Der Erbe A.________ wird im konkreten Fall als Verfahrensbeteiligter bezeichnet. Ihm kommt die Rolle eines prozessual Beigeladenen zu, der (als Nebenintervenient) die Hauptpartei, d.h. hier den Beschwerdeführer, unterstützen kann. Insoweit darf er sich im Rahmen der Streitsache zu den Anträgen des Beschwerdeführers und der Vorinstanz äussern. Hingegen ist er nicht berechtigt, sich zur Position der Hauptpartei in Widerspruch zu stellen oder eigenständige Rechtsbegehren zu stellen, die über diejenigen des Beschwerdeführers hinausgehen. Insoweit fehlt es ihm an einem besonderen schutzwürdigen Interesse (vgl. Urteil 2C_64/2013 vom 26. September 2014 E. 1.4.1). Selbst eine Anschlussbeschwerde würde dem am Verfahren zu Beteiligenden nicht zustehen, da eine solche im Bundesgerichtsgesetz nicht vorgesehen ist (BGE 134 III 332 E. 2.5). Damit ist auf den Antrag von A.________, das kantonsgerichtliche Urteil im Erbstreit aufzuheben und dessen Nichtigkeit festzustellen, nicht einzutreten. Ebenso erweist sich sein Begehren als unzulässig, soweit er die Auszahlung seines Erbanteils von Fr. 537'539.75 an sich, statt an die Erben F.________ verlangt.
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2.2. Schliesslich kann auch der am 29. Mai 2019 vom Kantonsgericht gefällte Revisionsentscheid vom Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nicht auf seine Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht geprüft werden. Auf das diesbezügliche Eventualbegehren des Verfahrensbeteiligten 1 ist nicht einzutreten, zumal auch dieser Antrag über denjenigen des Beschwerdeführers hinausgeht. Daran ändert auch sein Vorwurf, er sei von diesem Verfahren ausgeschlossen worden, womit sein Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt worden und der Revisionsentscheid daher nichtig sei, nichts. Der diesbezügliche Entscheid vom 29. Mai 2019 geht auf sein Revisionsbegehren zurück und ist ihm unbestrittenermassen eröffnet worden. Er hätte damals eine Anfechtung beim Bundesgericht erwägen können. Dies hat er nicht getan.
18
2.3. Damit bildet einzig der Entscheid der Vorinstanz vom 18. April 2019 (ZK1 19 6) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
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2.3.1. Soweit der Beschwerdeführer den Entscheid anficht, erweist sich seine Beschwerde als verspätet (E. 1.2). Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat das Bundesgericht jedoch die Nichtigkeit des Entscheides festzustellen. Er betont dabei, dass die Vorinstanz sich mehrere schwerwiegende Verfahrensfehler habe zuschulden kommen lassen und dadurch elementare rechtsstaatliche Prinzipien verletzt habe. Insbesondere die Missachtung des Grundsatzes der Justizöffentlichkeit (Art. 30 Abs. 3 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) müsse zur Nichtigkeit des Entscheides führen, da die Prozessparteien keine Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren gehabt hätten. Zudem sei der Entscheid in Widerspruch zu Art. 9 Abs. 1 GOG/GR in Mitwirkung von drei Richtern ergangen, was eine funktionelle Unzuständigkeit darstelle.
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2.3.2. Wie es sich damit verhält, kann vorliegend offen bleiben. Angesichts des Fristversäumnisses kann der Beschwerdeführer sich nicht nachträglich auf Nichtigkeit berufen. Die jederzeitige Berufung auf Nichtigkeit setzt die Anfechtung eines Urteils im Rahmen einer zulässigen Beschwerde voraus, da dem Bundesgericht keine allgemeine Oberaufsicht über die Vorinstanzen zusteht (BGE 145 III 436 E. 3). Eine fristkonform erhobene und daher zulässige Beschwerde liegt nicht vor, weshalb weder der Beschwerdeführer noch der Verfahrensbeteiligte 1 sich auf die Nichtigkeit berufen können.
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3. Nach dem Dargelegten ist auf die Beschwerde gegen den Entscheid der Vorinstanz vom 18. April 2019 (ZK1 19 6) nicht einzutreten. Auf die im Beschwerdeverfahren vom Verfahrensbeteiligten 1 erhobenen Anträge ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Von der Auferlegung von Kosten zulasten des Verfahrensbeteiligten 1 wird abgesehen. Parteientschädigungen sind nicht zu leisten.
22
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts vom 18. April 2019 (ZK1 19 6) wird nicht eingetreten.
 
2. Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht von Graubünden schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Juli 2020
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Levante
 
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