VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_413/2020  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 24.07.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_413/2020 vom 13.07.2020
 
 
6B_413/2020
 
 
Urteil vom 13. Juli 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern,
 
2. Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Besuchs- und Kontaktregelung; Nichteintreten,
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 26. März 2020
 
(4H 19 39, 4H 19 42).
 
 
Der Präsident zieht in Erwägung:
 
1. Das Kriminalgericht des Kantons Luzern stellte am 8. Mai 2000 fest, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter, der Beschwerdeführerin, seinen Vater getötet und damit den Tatbestand des Mordes erfüllt hat. Infolge Unzurechnungsfähigkeit sprach das Kriminalgericht den Beschwerdeführer von Schuld und Strafe frei und ordnete eine ambulante Massnahme an. Nachdem deren Scheitern festgestellt wurde, ordnete das Kriminalgericht am 29. März 2004 eine stationäre Massnahme an. Am 26. Januar 2011 wurde der Beschwerdeführer aus der Massnahme bedingt entlassen; am 22. Oktober 2015 erfolgte eine Rückversetzung in den stationären Vollzug. Am 23. Dezember 2019 hob das Kantonsgericht Luzern die stationäre Massnahme auf und wies den Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern (VBD) an, den Beschwerdeführer auf den 4. März 2020 zuhanden der zuständigen zivilrechtlichen Behörden zu entlassen.
 
Seit März 2017 befindet sich der Beschwerdeführer im Pflegezentrum B.________. Dieses erliess am 9. Mai 2019 eine Besuchsregelung, wogegen sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdeführerin wehrten. Der VBD legte daraufhin mit Verfügung vom 13. Dezember 2019 eine Besuchs- und Kontaktregelung (Anzahl der Besuche im Heim pro zwei Wochen, Anzahl der Telefonanrufe pro Woche) fest und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
 
Die Beschwerdeführer erhoben am 15. Dezember 2019 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragten neben der Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und vorsorgliche Massnahmen im Sinne einer Rückkehr zur vorherigen Regelung.
 
Das Kantonsgericht Luzern hiess das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung am 14. Januar 2020 teilweise gut. Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde trat das Bundesgericht am 24. Februar 2020 nicht ein (Urteil 6B_120/2020).
 
Mit Verfügung vom 26. März 2020 erklärte das Kantonsgericht Luzern das Beschwerdeverfahren als erledigt.
 
Die Beschwerdeführer wenden sich an das Bundesgericht und beantragen, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und das Kantonsgericht sei anzuweisen, auf die Beschwerde einzutreten.
 
2. Anfechtungsobjekt ist alleine die Erledigungserklärung der Vorinstanz zufolge fehlenden Rechtsschutzinteresses (Art. 80 Abs. 1 BGG). Nur diese Frage kann Gegenstand der Beschwerde sein. Soweit sich die Beschwerdeführer nicht damit befassen, sind sie mit ihren Ausführungen, Vorbringen und Rügen von vornherein nicht zu hören.
 
3. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, wobei für die Rüge der Verletzung von Grundrechten und die Anfechtung des Sachverhalts qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei hat mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz anzusetzen (BGE 140 III 115 E. 2).
 
4. Die Vorinstanz erwägt, das Kantonsgericht Luzern habe mit Urteil vom 23. Dezember 2019 die stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB aufgehoben und die VBD angewiesen, den Beschwerdeführer auf den 4. März 2020 zuhanden der zuständigen zivilrechtlichen Behörden zu entlassen. Am 6. März 2020 habe die VBD die Aufhebung der Massnahme per 4. März 2020 mitgeteilt. Mit der definitiven Entlassung des Beschwerdeführers aus dem stationären Massnahmenvollzug bestehe kein rechtserhebliches Interesse mehr daran, über die Begründetheit der angefochtenen Kontakt- und Besuchsregelung zu befinden, zumal sich der Beschwerdeführer nicht mehr im Vollzugsregime der VBD befinde. Die Sache sei daher gemäss § 109 des luzernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG/LU) als erledigt zu erklären.
 
5. Die vorinstanzliche Erledigungserklärung stützt sich auf § 109 VRG/LU und damit auf kantonales Verfahrensrecht. Das Bundesgericht prüft kantonales Verfahrensrecht grundsätzlich nur unter dem Blickwinkel des Willkürverbots. Inwiefern die Vorinstanz mit ihrer Erledigungserklärung bzw. bei der Anwendung des einschlägigen kantonalen Verfahrensrechts schweizerisches Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzt haben könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht in einer den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügenden Weise. Eine substanziierte Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen fehlt. Stattdessen machen die Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass die angefochtene Kontakt- und Besuchsregelung "zivilrechtlich" weitergeführt werde, und mutmassen, dass das Risiko einer erneuten Verurteilung und Inhaftierung bestehe, eine abermalige Anordnung einer strafrechtlichen Massnahme aufgrund möglicher "Ausraster" des Beschwerdeführers nicht auszuschliessen sei und allfällige Notsituationen (z.B. Suizidgedanken) infolge des eingeschränkten Kontakts nicht genügend schnell gemeldet werden könnten. Damit vermögen sie jedoch nicht aufzuzeigen, dass und inwiefern die Vorinstanz ein rechtserhebliches Interesse an einer gerichtlichen Beurteilung der angefochtenen Kontakt- und Besuchsregelung auf ihre Begründetheit hin willkürlich oder sonstwie bundesrechtswidrig verneint haben könnte. Inwiefern eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegen könnte, ist gestützt auf die Vorbringen der Beschwerdeführer ebenfalls nicht ersichtlich. Mit blossen Behauptungen und Mutmassungen lassen sich weder Willkür noch Verfassungs- oder Konventionsverletzungen begründen. Die Beschwerde enthält offensichtlich keine hinreichende Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 106 Abs. 2 BGG), weshalb darauf im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten ist.
 
6. Die Umstände rechtfertigen es, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG wird hiermit gegenstandslos.
 
 
 Demnach erkennt der Präsident:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. Juli 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).