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Informationen zum Dokument  BGer 6B_354/2020  Materielle Begründung
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BGer 6B_354/2020 vom 24.06.2020
 
 
6B_354/2020
 
 
Urteil vom 24. Juni 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Nichtanhandnahme (Amtsgeheimnisverletzung);
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 5. März 2020 (SW.2020.14).
 
 
Erwägungen:
 
1. Nach einer Strafanzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses im Sinne von Art. 320 StGB nahm die Staatsanwaltschaft Bischofszell eine Strafuntersuchung am 31. Januar 2020 nicht an die Hand. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Obergericht des Kantons Thurgau. Mit Verfügung vom 10. Februar 2020 forderte dessen Verfahrensleitung den Beschwerdeführer zur Leistung einer Sicherheit von Fr. 1'500.-- auf. Gleichzeitig wurde er auf die Möglichkeit hingewiesen, ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellen zu können, falls er nicht über die erforderlichen Mittel verfüge. In der Folge wandte sich der Beschwerdeführer erneut an das Obergericht und brachte vor, sich primär als geschädigte Person im Sinne von Art. 115 StPO, möglicherweise als Opfer im Sinne von Art. 116 StPO zu sehen. Weil er ein Offizialdelikt mittels Strafanzeige gemeldet habe, habe er keine Erklärung betreffend Privatklägerschaft abgegeben. Mit Verfügung vom 14. Februar 2020 wies die Verfahrensleitung des Obergerichts des Kantons Thurgau den Beschwerdeführer darauf hin, dass er keine Parteistellung habe, wenn er sich am Strafverfahren nicht als Privatkläger (das heisst als Straf- oder Zivilkläger) beteiligen wolle. Partei sei gemäss Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO die Privatklägerschaft, nicht aber der Geschädigte oder das Opfer, das sich nicht als Privatkläger konstituiere. Diesfalls könnte auf die Beschwerde mangels Parteistellung im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO nicht eingetreten werden. Falls er sich am Strafverfahren als Privatkläger nach Art. 118 StPO beteiligen wolle, habe er Parteistellung und sei Partei gemäss Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO. Für diesen Fall sei er gemäss Verfügung vom 10. Februar 2020 verpflichtet, eine Sicherheit in Höhe von Fr. 1'500.-- zu zahlen. Die in der Verfügung vom 10. Februar 2020 erwähnte Frist von 10 Tagen beginne mit der Zustellung dieser Verfügung nochmals neu zu laufen.
 
Am 5. März 2020 trat das Obergericht des Kantons Thurgau zufolge Nichtleistens des Kostenvorschusses respektive mangels Parteistellung unter Verweis auf die Verfügungen vom 10. und 14. Februar 2020 auf die Beschwerde nicht ein.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich an das Bundesgericht.
 
2. Für die Rüge jeder Rechtsverletzung, die bei der Anwendung von materiellem Strafrecht oder Strafprozessrecht begangen wird, steht die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG zur Verfügung. Die vom Beschwerdeführer als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bezeichnete Eingabe ist als Beschwerde in Strafsachen entgegenzunehmen.
 
3. Anfechtungsobjekt bildet alleine der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid (Art. 80 Abs. 1 BGG). Soweit sich die Kritik des Beschwerdeführers inhaltlich gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft richtet, kann auf die Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden.
 
4. Vor Bundesgericht kann es nur um die Frage gehen, ob die Vorinstanz auf die Beschwerde mangels Leistung des Kostenvorschusses respektive mangels Parteistellung zu Unrecht nicht eingetreten ist. Nicht Verfahrensgegenstand bilden hingegen die materielle Seite der Angelegenheit sowie die aufgeworfenen Fragen zu einer allfälligen Staatshaftung. Folglich kann sich das Bundesgericht dazu auch nicht äussern.
 
5. Art. 382 Abs. 1 StPO knüpft die Berechtigung zur Ergreifung eines Rechtsmittels an die Parteistellung. Partei im Strafverfahren ist neben der beschuldigten Person insbesondere die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Geschädigte, die sich nicht als Privatkläger konstituiert haben, können eine Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung mangels Parteistellung grundsätzlich nicht anfechten (vgl. BGE 141 IV 380 E. 2.2).
 
Gemäss Art. 383 Abs. 1 Satz 1 StPO kann die Verfahrensleitung die Privatklägerschaft verpflichten, innert einer Frist für allfällige Kosten und Entschädigungen Sicherheit zu leisten. Art. 136 StPO bleibt vorbehalten (vgl. Art. 383 Abs. 1 Satz 2 StPO). Wird die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, so tritt die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein (Art. 383 Abs. 2 StPO).
 
6. Was in der Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid vorgebracht wird, dringt nicht durch.
 
Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte die Vorinstanz das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG) anwenden müssen. Dem ist nicht so. Vorliegend geht es um eine strafrechtliche Angelegenheit, in welcher die StPO anwendbar ist und von der Vorinstanz zutreffend auch angewandt wurde.
 
Soweit der Beschwerdeführer sodann einwendet, es hätte rudimentär begründet werden müssen, weshalb die Leistung einer Sicherheit respektive eine Parteistellung notwendig sei, um auf die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung einzutreten, lässt er ausser Acht, dass ihm diese Gesichtspunkte in den Verfügungen vom 10. und 14. Februar 2020 einlässlich erläutert wurden, worauf sich die Vorinstanz im angefochtenen Nichteintretensentscheid mittels Verweises denn auch ausdrücklich bezieht. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Begründung des angefochtenen Entscheids unzureichend sein könnte.
 
Weshalb der Beschwerdeführer (welcher Anzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses erstattete) als geschädigte Person im Sinne von Art. 115 StPO zu betrachten wäre und woraus er seine Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO und Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO ableiten könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht. Was der Beschwerdeführer mit einer sekundären Parteistellung meint, bleibt unklar. Dass seitens der Verfahrensleitung kommuniziert worden sein soll, ihm würde "ohne Sicherheitsleistung keine Parteistellung" zukommen, lässt sich den im angefochtenen Entscheid zitierten Verfügungen vom 10. und 14. Februar 2020 so nicht entnehmen. Inwiefern Willkür und/oder eine bundesrechtswidrige Rechtsanwendung von Art. 104 StPO, Art. 105 StPO und/oder Art. 115 StPO und 118 StPO vorliegen könnte, erschliesst sich gestützt auf die Vorbringen in der Beschwerde nicht. Verstösse gegen die Bundesverfassung bzw. die Kantonsverfassung sind weder ersichtlich noch hinreichend dargelegt.
 
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich die Höhe des geforderten Kostenvorschusses beurteilt haben will, legt er nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, dass und weshalb der verlangte Vorschuss von Fr. 1'500.-- den Verhältnissen des Falles nicht angepasst hätte sein sollen.
 
Ohne dass sich das Bundesgericht zu allen Vorbringen und Ausführungen des Beschwerdeführers ausdrücklich äussern müsste, ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 BGG als offensichtlich unbegründet abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.
 
7. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Juni 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
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