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Informationen zum Dokument  BGer 8C_327/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_327/2020 vom 17.06.2020
 
 
8C_327/2020
 
 
Urteil vom 17. Juni 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus, Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung (Insolvenzentschädigung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 23. April 2020 (VG.2020.00022).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1966, war seit Oktober 2016 bei der seinem Bruder gehörenden B.________ GmbH angestellt. Nachdem die Arbeitgeberin die Stelle am 29. März 2019 gekündigt hatte, beantragte er am 29. April 2019 Insolvenzentschädigung für die Monate Januar bis April 2019 und machte ausstehende Löhne von je Fr. 7258.- geltend. Er habe davon lediglich eine Anzahlung von insgesamt Fr. 4000.- erhalten. Mit Verfügung vom 13. Juni 2018 wurde über die Gesellschaft Konkurs eröffnet. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus, Arbeitslosenkasse, lehnte die Anspruchsberechtigung mit Verfügung vom 5. Juni 2019 und Einspracheentscheid vom 29. Januar 2020 ab.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 23. April 2020 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine Insolvenzentschädigung zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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2. Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Ablehnung eines Anspruchs auf Insolvenzentschädigung wegen Verletzung der Schadenminderungspflicht vor Bundesrecht standhält.
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3. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die Voraussetzungen des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung nach Art. 51 AVIG zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der praxisgemäss zulässigen Leistungsverweigerung wegen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verletzung der Schadenminderungspflicht des Versicherten gemäss Art. 55 AVIG (ARV 2010 S. 46, 8C_682/2009 E. 3.2 und 4.2; Urteile 8C_820/2019 vom 29. April 2020 E. 4.3.1 mit Hinweisen; 8C_573/2017 vom 18. Oktober 2017 E. 2). Es wird darauf verwiesen.
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4. Die Vorinstanz stellte fest, der Versicherte habe seit Aufnahme seiner Arbeitstätigkeit bei der B.________ GmbH nie den vereinbarten, bei seinem Antrag auf Insolvenzentschädigung angegebenen Monatslohn von Fr. 7258.- erhalten. Ab dem Jahr 2018 seien nur noch unregelmässige Barauszahlungen erfolgt, im Jahr 2019 pro Monat jeweils Fr. 1000.- bis 2000.-. Bei diesen hohen Ausständen und der entsprechend anzunehmenden prekären finanziellen Lage der Arbeitgeberin wäre der Versicherte gehalten gewesen, allerspätestens zum Zeitpunkt der von der Arbeitgeberin ausgesprochenen Kündigung am 29. März 2019 konkrete Massnahmen zur Realisierung der von ihm behaupteten Lohnforderungen einzuleiten. Dass er die Arbeitgeberin bereits früher gemahnt habe, sei unbewiesen geblieben. Belegt sei lediglich die Einleitung der Betreibung am 1. Mai 2019. Daran könne das bestehende Familienverhältnis nichts ändern. Durch sein zögerliches Handeln habe der Versicherte seine Schadenminderungspflicht zumindest grobfahrlässig verletzt.
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5. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er finanziell von seinem Bruder abhängig gewesen sei und sich deshalb damit begnügt habe, mündlich auf die ausstehenden Löhne hinzuweisen. Zudem sei dieser dann jeweils mit Verspätung doch noch bezahlt worden. Auf eine gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche habe er aus all diesen Gründen verzichtet. Dass er und die anderen Arbeitnehmer nach einer jeweils vom Bruder getätigten Anzahlung mündlich reklamiert hätten (worauf die noch ausstehenden Beträge beglichen worden seien, alles in bar), könnten diese bestätigen. Die Vorinstanz habe es jedoch unter Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes unterlassen, sie als Zeugen zu befragen. Eine schuldhafte Verletzung seiner Schadenminderungspflicht sei ihm deshalb nicht vorzuwerfen. Zudem hätten auch frühere schriftliche Mahnungen die desaströse finanzielle Lage und den Eintritt des Konkurses nicht verhindern können, sodass sein allfälliges Verschulden damit jedenfalls nicht in einem kausalen Zusammenhang stehe.
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6. Dass die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt hätte, wird nicht vorgebracht. Es ist unbestritten geblieben, dass nur mündliche Mahnungen erfolgten und ein Betreibungsbegehren erst nach dem Antrag auf Insolvenzentschädigung gestellt wurde. Gleiches gilt insoweit, als der Arbeitgeber seiner Lohnzahlungspflicht gemäss kantonalem Gericht bereits seit Beginn des Arbeitsverhältnisses, das heisst während rund zweieinhalb Jahren, nicht wie vereinbart nachgekommen sei.
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Inwiefern das kantonale Gericht durch seine Schlussfolgerungen aus diesem für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt Bundesrecht verletzt haben sollte, ist nicht erkennbar. Nach der zitierten Rechtsprechung (ARV 2010 S. 46, 8C_682/2009 E. 4.2; vgl. oben E. 3) genügen mündliche Mahnungen nicht, wenn es wie hier um eine langandauernde Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers geht. Auf eine Befragung von Zeugen, die lediglich die mündlichen Reklamationen hätten bestätigen können, durfte die Vorinstanz daher verzichten. Dass der Beschwerdeführer faktisch bei seinem eigenen Bruder angestellt war, kann zudem praxisgemäss schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Versicherten nicht als hinreichende Begründung gelten für das jahrelange Untätigbleiben beziehungsweise für den Verzicht auf weitergehende Massnahmen zur Einforderung von Lohnausständen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf eine rechtmässige Leistungsverweigerung wegen vorwerfbarer Verletzung der Schadensminderungspflicht erkannte. Daran kann auch nichts ändern, dass die Pflichtverletzung, wie beschwerdeweise geltend gemacht wird, angeblich in keinem kausalen Zusammenhang gestanden habe mit der schlechten finanziellen Lage der Arbeitgeberin.
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7. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid erledigt.
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8. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 64 Abs. 1 BGG wird einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege nur gewährt, wenn sie bedürftig ist und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (zum Erfordernis der Nichtaussichtslosigkeit auch bei der unentgeltlichen Verbeiständung: Urteil 8C_258/2009 vom 24. August 2009 E. 7 mit Hinweisen). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.) nicht entsprochen werden. 
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 17. Juni 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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