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Informationen zum Dokument  BGer 6B_211/2020  Materielle Begründung
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BGer 6B_211/2020 vom 19.05.2020
 
 
6B_211/2020
 
 
Urteil vom 19. Mai 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher,
 
Gerichtsschreiberin Schär.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Fink Winzap,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
2. B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Olga Gamma Ammann,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Sexuelle Handlungen mit einem Abhängigen; Anklagegrundsatz, Unschuldsvermutung etc.,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 4. November 2019 (SB190311-O/U/cwo).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ wird vorgeworfen, anlässlich eines Betriebsfestes am 29. Oktober 2017 den ihm damals unterstellten Lernenden B.________ von hinten umarmt und ihn über und unter dem T-Shirt am Bauch gestreichelt zu haben. Anschliessend habe er B.________ über den Kleidern an das Gesäss und in den Schritt gefasst sowie dessen Geschlechtsteil massiert. B.________ sei erkennbar angewidert gewesen, habe es aber geschehen lassen, weil er sich nicht zu wehren getraut habe.
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Das Bezirksgericht Winterthur erklärte A.________ mit Urteil vom 5. März 2019 der sexuellen Handlungen mit einem Abhängigen schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 180.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. Es stellte fest, dass A.________ gegenüber B.________ dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist und verpflichtete ihn zu einer Genugtuungszahlung von Fr. 1'000.-- zzgl. Zins zu 5 % seit dem 29. Oktober 2017 an B.________. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Berufung von A.________ mit Urteil vom 4. November 2019 ab.
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B. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 4. November 2019 sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der sexuellen Handlungen mit einem Abhängigen freizusprechen. Des Weiteren seien die Kosten des kantonalen Verfahrens neu zu verlegen und ihm sei eine Prozessentschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei das Verfahren zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an das Obergericht zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. Er macht geltend, in der Anklage werde das Tatbestandsmerkmal des Ausnützens der Abhängigkeit nicht genügend umschrieben. Die Anklage habe nicht nur darzulegen, dass ein Abhängigkeitsverhältnis vorliege, sondern auch, inwiefern der Täter diese Abhängigkeit ausgenützt haben soll. Die Vorinstanz zitiere aus dem Ingress der Anklageschrift, welche die Umschreibung des gesetzlichen Tatbestandes wiedergebe. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale würden aber im Anklagesachverhalt nicht umschrieben. Mit der Umschreibung, der Beschwerdegegner 2 sei erkennbar angewidert gewesen, habe es aber geschehen lassen, weil er sich nicht zu wehren getraut habe, werde das Ausnützen der Abhängigkeit nicht hinreichend umschrieben. Weiter fehle es an Angaben zur Kausalität zwischen der behaupteten Tathandlung und der Abhängigkeit. Die entsprechend vorgenommene Ergänzung des anklagerelevanten Sachverhalts durch die Vorinstanz verletze Art. 350 Abs. 1 StPO und die Unschuldsvermutung. Es sei nicht Sache des Beschwerdeführers, darzulegen, weshalb er die vorhandene Abhängigkeit des Beschwerdegegners 2 nicht ausgenützt haben solle; es gelte der Grundsatz "negativa non sunt probanda".
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1.2. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, der Anklagesachverhalt sei in der Anklageschrift klar umgrenzt. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe in Ausnützung der Abhängigkeit aufgrund des Arbeitsverhältnisses bzw. aufgrund seiner Vorgesetztenrolle als Filialleiter sexuelle Handlungen zum Nachteil des Beschwerdegegners 2 vorgenommen, habe sich aus der Anklageschrift hinreichend deutlich ergeben. Der Beschwerdeführer habe seine Verteidigungsrechte angemessen ausüben können.
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1.3. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 143 IV 63 E. 2.2 S. 65; 141 IV 132 E. 3.4.1 S. 142 f.; je mit Hinweisen).
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1.4. Die Anklage wirft dem Beschwerdeführer einleitend vor, er habe mit einer unmündigen Person von mehr als 16 Jahren, die von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis oder auf andere Weise abhängig sei, eine sexuelle Handlung vorgenommen, indem er diese Abhängigkeit ausgenützt habe. Sie beschreibt das Bestehen des Lehrverhältnisses, die Situation des Betriebsfestes und die vorgeworfenen sexuellen Handlungen. In der Anklage wird weiter ausgeführt, dass der Beschwerdegegner 2 dabei erkennbar angewidert gewesen sei, er es aber habe geschehen lassen, weil er sich nicht zu wehren getraut habe. Der Beschwerdeführer habe dies gewollt oder zumindest in Kauf genommen. Aus der Anklage geht damit hinreichend deutlich hervor, welcher Vorwurf dem Beschwerdeführer gemacht wird. Dass nicht ausdrücklich ausgeführt wird, das Lehrverhältnis sei der Grund gewesen, weshalb sich der Beschwerdegegner 2 nicht zu wehren getraute, ist angesichts der restlichen Ausführungen in der Anklageschrift nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer wusste genau, was ihm vorgeworfen wird und es war ihm möglich, seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen. Es liegt keine Verletzung des Anklageprinzips und der Unschuldsvermutung vor.
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2.
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Zeuge C.________ sei zum Termin seiner staatsanwaltlichen Einvernahme nicht erschienen. Es sei in der Folge darauf verzichtet worden, ihn einzuvernehmen. Dadurch seien entlastende Aussagen nicht in den Prozess eingeflossen. Auch die Vorinstanz habe nicht auf eine Einvernahme von C.________ bestanden und eine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen. Damit verletze sie das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz lasse dabei auch ausser Acht, dass einer Zeugenaussage bei der Beweiswürdigung ein höherer Stellenwert zukomme als einer kurzen polizeilichen Einvernahme. Schliesslich liege aufgrund der Ausserachtlassung der Säumnisfolgen eine Verletzung von Art. 205, Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 StPO vor. Aus dem Umstand, dass die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers nie einen Antrag auf Befragung von C.________ gestellt habe, dürfe nichts zulasten des Beschwerdeführers abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer habe als beschuldigte Person ausser der Anwesenheitspflicht keine weitergehenden Aussage- oder Mitwirkungspflichten.
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2.2. Die Vorinstanz erwägt, C.________ habe gegenüber der Polizei angegeben, dass er keine unangebrachte Interaktion zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner 2 wahrgenommen habe. Er habe gleichzeitig festgehalten, dass er nicht den ganzen Abend neben dem Beschwerdegegner 2 gestanden habe. Die Vorinstanz geht zugunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass C.________ keine unangebrachte Annäherung des Beschwerdeführers zum Nachteil des Beschwerdegegners 2 beobachten konnte. Sie führt aus, dass eine Zeugeneinvernahme damit keine neuen Erkenntnisse bringen würde, weshalb ein entsprechender Beweisantrag ohnehin abzuweisen gewesen wäre.
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2.3. Der Anspruch, Entlastungszeugen zu laden und zu befragen, ist relativer Natur. Das Gericht hat nur solche Beweisbegehren, Zeugenladungen und Fragen zu berücksichtigen und zuzulassen, die nach seiner Würdigung rechts- und entscheiderheblich sind (BGE 129 I 151 E. 3.1 S. 154). Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Strafbehörden, den Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln und die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen (Art. 6 Abs. 1 und 2 StPO). Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2 StPO; Urteil 6B_824/2016 vom 10. April 2017 E. 9.2, nicht publ. in: BGE 143 IV 214). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) umfasst auch die Pflicht der Behörde, die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegenzunehmen und zu prüfen sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen (BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64; 138 V 125 E. 2.1 S. 127). Das hindert das Gericht nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn es in willkürfreier Würdigung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und es überdies in willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann, seine Überzeugung werde dadurch nicht mehr geändert (BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64; 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung gilt ebenso hinsichtlich Beweisanträgen auf Ladung von Entlastungszeugen unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK (vgl. BGE 129 I 151 E. 3.1 S. 154; Urteil 6B_542/2016 vom 5. Mai 2017 E. 3.3 mit Hinweisen).
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2.4. Der Verzicht der Vorinstanz auf eine Einvernahme von C.________ ist nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz geht zugunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass C.________ keine unangebrachte Annäherung des Beschwerdeführers an den Beschwerdegegner 2 beobachten konnte. Zum Tathergang selbst wären von C.________ keine Aussagen zu erwarten gewesen, da er die Situation gemäss eigenen Aussagen gegenüber der Polizei nicht wahrgenommen hat. Die Vorinstanz durfte willkürfrei davon ausgehen, dass eine Einvernahme von C.________ keine neuen Erkenntnisse bringen würde. Da die Abweisung eines Beweisantrags in antizipierter Beweiswürdigung nicht zu beanstanden ist, kann offen bleiben, wie es sich damit verhält, dass der Beschwerdeführer keinen Beweisantrag auf Einvernahme des Entlastungszeugen gestellt hat. Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet.
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3.
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Die vorinstanzliche Beweiswürdigung sei einseitig. Entlastende Momente seien nicht berücksichtigt worden. Auf seine widerspruchsfreien Aussagen werde zu Unrecht nicht abgestellt. Eine sexuelle Konnotation der Berührungen sei nicht erstellt. Er umarme und berühre andere Menschen gerne freundschaftlich ohne dabei sexuelle Absichten zu haben. Dem Beschwerdegegner 2 wäre es möglich gewesen, sich gegen die behaupteten Übergriffe zu wehren und es bleibe offen, weshalb er sich nicht zur Wehr gesetzt habe, wenn ihn die Berührungen störten. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, den Aussagen der Zeugin D.________ würde zu Unrecht grosses Gewicht beigemessen. Schliesslich beanstandet er, dass der Schuldspruch im Wesentlichen auf die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdegegners 2 gestützt werde. Dieser zeige einen Hang zu Übertreibungen und unrechtmässigem Anschwärzen des Beschwerdeführers. Es hätte geprüft werden müssen, ob der Beschwerdegegner 2 ein Motiv gehabt habe, den Beschwerdeführer fälschlicherweise zu belasten. Der Beschwerdegegner 2 habe nach den vorgefallenen Berührungen sogar versucht, den Beschwerdeführer anzurufen, um zu erfahren, wo er sei, weil man noch in eine andere Bar gehen wolle. Dieser Anruf hätte derart grosse Zweifel am Tathergang wecken müssen, dass der Beschwerdeführer hätte freigesprochen werden müssen. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz sei lebensfremd und willkürlich.
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3.2. Die Vorinstanz erachtet den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt als rechtsgenüglich erstellt. Ein wesentlicher Teil des Tathergangs, namentlich das Streicheln unter dem T-Shirt sowie das Berühren, Streicheln und Reiben des Geschlechtsteils des Beschwerdegegners 2 sei von keiner aussenstehenden Person wahrgenommen worden. Die Anklage beruhe in überwiegendem Masse auf den Aussagen des Beschwerdegegners 2. Seine Aussagen seien glaubhaft. Es sei keine Tendenz zu bemerken, den Beschwerdeführer übermässig zu belasten oder in ein schlechtes Licht zu rücken. Dass der Beschwerdegegner 2 noch in der Tatnacht versucht habe, den Beschwerdeführer telefonisch zu erreichen, führe nicht dazu, die Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu verneinen. Dieses Verhalten erstaune zwar. Der Beschwerdegegner 2 habe diesen Kontaktversuch aber von sich aus erwähnt, was insgesamt für die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen spreche. Die Aussagen des Beschwerdegegners 2 würden sodann durch die Aussagen der Zeugen D.________ und E.________ gestützt. Es gebe keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugin D.________ zu zweifeln. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hingegen seien als blosse Schutzbehauptungen zu werten.
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3.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503, 241 E. 2.3.1 S. 244; je mit Hinweisen). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 141 IV 369 E. 6.3 S. 375; je mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 I 26 E. 1.3 S. 30; 142 III 364 E. 2.4 S. 368).
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Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 145 IV 154 E. 1.1 S. 156; 144 IV 345 E. 2.2.3.1 S. 348 f.; 138 V 74 E. 7 S. 81 f.; je mit Hinweisen).
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3.4. In Bezug auf die umstrittenen Berührungen begründet die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar, weshalb sie auf die Aussagen des Beschwerdegegners 2 abstellt und inwiefern dessen Aussagen durch die Zeugen D.________ und E.________ gestützt werden. Sie führt schlüssig aus, dass die Zeugin D.________ den beobachteten Berührungen (Streicheln über den Rücken, Umfassen mit beiden Armen von hinten und Legen der Hand auf den Bauch) eine sexuelle oder zumindest zärtliche Konnotation beimass. Die vorinstanzliche Erwägung, dass die aussenstehende Zeugin D.________ nur aus diesem Grund auf den Beschwerdegegner 2 zugegangen sei und diesen auf die Berührungen angesprochen habe, ist plausibel. Die Vorbringen des Beschwerdeführers zur fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugin D.________ beruhen auf reinen Mutmassungen und sind nicht geeignet, Willkür zu begründen. Die Vorinstanz durfte davon ausgehen, dass die Darstellung des Beschwerdeführers von kollegschaftlichen, unverfänglichen Berührungen und das Abstreiten einer sexuellen Konnotation unglaubwürdig ist. Sie verfällt nicht in Willkür, wenn sie die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers als Schutzbehauptungen qualifiziert. Es ist nicht entscheidrelevant, dass der zum Teil taktile Umgang des Beschwerdeführers von seinen anderen Mitarbeitern nicht als belästigend empfunden wurde. Entscheidend ist einzig die angeklagte Situation zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner 2. Die Vorinstanz durfte als erstellt erachten, dass der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner 2 in der angeklagten Art und Weise berührt hat.
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3.5. In tatsächlicher Hinsicht ist sodann umstritten, weshalb sich der Beschwerdegegner 2 nicht gegen die Berührungen wehrte. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie den Aussagen des Beschwerdegegners 2 Glauben schenkt, der ausführt, er habe die Berührungen nicht gewollt und hätte jeden anderen Gast, der ihn in dieser Weise angefasst hätte, weggedrückt. Er habe dies beim Beschwerdeführer aus Respekt nicht getan, weil dieser sein Vorgesetzter gewesen sei. Diese Ausführungen werden gemäss der Vorinstanz unterstützt durch die Aussagen der Zeugin D.________, wonach auch für Aussenstehende ersichtlich gewesen sei, dass sich der Beschwerdegegner 2 bei den Berührungen des Beschwerdeführers unwohl fühlte. Wenn der Beschwerdeführer ausführt, dieser Eindruck des Unwohlseins sei auf den Alkoholkonsum des Beschwerdegegners 2 an diesem Abend oder auf Schamgefühle zurückzuführen, präsentiert er seine eigene Sicht der Dinge, ohne Willkür in der vorinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Daran, dass die Vorinstanz zulässigerweise auf die Aussagen des Beschwerdegegners 2 und der Zeugin D.________ abstellt, ändert auch der versuchte Anruf des Beschwerdegegners 2 an den Beschwerdeführer in der Tatnacht nichts. Zwar könnte ein solcher Anruf auf eine gewisse Widersprüchlichkeit im Empfinden des Beschwerdegegners 2 hindeuten. Unter Willkürgesichtspunkten genügt es aber nicht, dass eine andere Würdigung ebenfalls möglich, vertretbar oder gar zutreffender erscheint. Der Anruf allein ist nicht geeignet, derartige Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdegegners 2 zu wecken, dass offenkundig ein Freispruch hätte erfolgen müssen. Die Vorinstanz durfte als erstellt erachten, dass der Beschwerdegegner 2 die Berührungen nicht wollte, sich aber nicht dagegen wehrte, weil der Beschwerdeführer sein Vorgesetzter war.
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4.
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 188 StGB. Zunächst sei nicht erstellt, ob es tatsächlich zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Zudem sei das Tatbestandsmerkmal des Ausnützens eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht erfüllt. Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, dem Beschwerdegegner 2 wäre es möglich gewesen, sich gegen die Berührungen zu wehren, wenn sie ihn gestört hätten. Dieser sei in seiner Entscheidungsfreiheit nicht beeinträchtigt gewesen. Er habe keinen Druck auf den Beschwerdegegner 2 ausgeübt, sondern es habe ein lockeres Verhältnis bestanden. Der Beschwerdegegner 2 habe denn auch nicht klar angeben können, mit welchen Konsequenzen er zu rechnen gehabt hätte, wenn er sich dem Willen des Beschwerdeführers widersetzt hätte. Ein allfälliger Widerstand des Beschwerdegegners 2 gegen die Berührungen sei ihm nicht bekannt gewesen, womit der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sei.
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4.2.
 
4.2.1. Nach Art. 188 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer mit einer unmündigen Person von mehr als 16 Jahren, die von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis oder auf andere Weise abhängig ist, eine sexuelle Handlung vornimmt, indem er diese Abhängigkeit ausnützt.
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Das Opfer ist abhängig im Sinne des Tatbestandes, wenn es aufgrund eines der im Gesetz genannten Strukturmerkmale oder aus anderen Gründen nicht ungebunden bzw. frei und damit auf den Täter angewiesen ist. Dem Abhängigkeitsverhältnis liegt in der Regel eine besondere Vertrauensbeziehung zugrunde. Die Entscheidungsfreiheit ist durch das Abhängigkeitsverhältnis derart eingeschränkt, dass die jugendliche Person nicht mehr fähig ist, sich gegen sexuelle Ansuchen des Überlegenen zur Wehr zu setzen. Es genügt, dass sie aufgrund der konkreten Umstände keine andere Möglichkeit gesehen hat, als sich für die Zulassung oder Vornahme der sexuellen Handlung zu entscheiden. Ein zusätzliches Unter-Druck-Setzen durch den Täter ist nicht erforderlich (BGE 125 IV 129 E. 2a S. 131 mit Hinweisen).
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Ein Abhängigkeitsverhältnis allein genügt für die Erfüllung des Tatbestandes indessen nicht. Erforderlich ist, dass der Täter die Abhängigkeit ausnützt. Kein Ausnützen liegt vor, wenn die Beteiligten freiwillig sexuelle Kontakte miteinander unterhalten oder eine Liebesbeziehung eingegangen sind, ohne dass der ältere Partner seine Überlegenheit missbraucht hat. Das Ausnützen erfordert in objektiver Hinsicht, dass der Abhängige die sexuelle Handlung "eigentlich nicht will", dass er sich, entgegen seinen inneren Widerständen, nur unter dem Eindruck der Autorität des anderen fügt. Bei der Ausnützung von Abhängigkeitsverhältnissen macht sich der Täter eine erheblich eingeschränkte Entscheidungsfreiheit oder Abwehrfähigkeit der abhängigen Person und ihre dadurch gegebene Gefügigkeit bewusst im Hinblick auf ein sexuelles Entgegenkommen zunutze (BGE 133 IV 49 E. 4 S. 52 mit Hinweis; vgl. auch Urteil 6B_858/2010 vom 10. Februar 2011 E. 6.1.1).
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4.2.2. Der subjektive Tatbestand von Art. 188 StGB erfordert Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt (Urteil 6B_858/2010 vom 10. Februar 2011 E. 6.1.2). Der Täter muss zumindest in Kauf nehmen, dass er sich über die innere Ablehnung der unmündigen Person hinwegsetzt (Urteile 6B_858/2010 vom 10. Februar 2011 E. 6.1.2; 6S.219/2004 vom 1. September 2004 E. 5.1.2).
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4.3. Es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - erstellten Berührungen nach der Rechtsprechung als sexuelle Handlungen einzustufen sind. Auch wenn die Berührungen des Beschwerdeführers sonst nicht sexuell konnotiert sein mögen, war an diesem Abend gemäss dem verbindlich festgestellten Sachverhalt der Vorinstanz klar ein sexueller Bezug vorhanden. Dass insbesondere die in der Anklageschrift umschriebenen Berührungen des Geschlechtsteils sexuell konnotiert sind, bedarf keiner weiteren Ausführung.
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4.4. Der Beschwerdeführer bestreitet, das Abhängigkeitsverhältnis ausgenützt zu haben. Im Gegensatz zu den sexuellen Nötigungsdelikten ist zur Erfüllung des Tatbestands der sexuellen Handlungen mit Abhängigen eine tatsituative Zwangssituation nicht erforderlich. Es reicht somit, dass sich die abhängige Person den sexuellen Handlungen aufgrund des vorbestehenden Abhängigkeitsverhältnisses fügt, obwohl sie die sexuellen Handlungen selbst nicht möchte. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers ist es nicht erforderlich, dass das Opfer einen konkreten Nachteil befürchtet oder dass der Täter zusätzlich Druck ausübt. Der objektive Tatbestand von Art. 188 StGB ist erfüllt, wenn der Täter in einem Abhängigkeitsverhältnis sexuelle Handlungen vornimmt und sich das Opfer aufgrund des vorbestehenden Drucks des Subordinationsverhältnisses diesen nicht widersetzt. Dass die Vorinstanz trotz erstelltermassen lockerem und angenehmem Umgang im Arbeitsverhältnis von einem solchen Druck auf den zum Tatzeitpunkt jugendlichen Beschwerdegegner 2 ausgeht, ist nicht zu beanstanden. Das Subordinationsverhältnis und der Druck auf einen Lehrling, dessen Lehrabschluss bevorsteht, entfallen auch nicht bei flachen Hierarchiestrukturen und einem lockeren Umgang. Die Vorinstanz schliesst aus den deutlichen Aussagen des Beschwerdegegners 2 folgerichtig, dass dieser die Berührungen nicht wollte und sich nur unter dem Druck des Abhängigkeitsverhältnisses nicht dagegen wehrte. Auch der versuchte Anruf des Beschwerdegegners 2 vermag an dieser Würdigung nichts zu ändern, zumal er unter Willkürgesichtspunkten nicht geeignet ist, einen freien Willen des Beschwerdegegners 2 im Hinblick auf die sexuellen Handlungen zu erstellen (oben E. 3.5). Nach dem Gesagten ist in objektiver Hinsicht ein Ausnützen des Abhängigkeitsverhältnisses gegeben.
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4.5.
 
4.5.1. In Bezug auf den subjektiven Tatbestand macht der Beschwerdeführer im Ergebnis geltend, er sei davon ausgegangen und habe auch davon ausgehen dürfen, dass der Beschwerdegegner 2 seinen Berührungen nicht abneigend gegenüberstand. Der Beschwerdeführer vermag damit nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll, wenn sie ihm sowohl das Wissen als auch zumindest das Inkaufnehmen der Tatsache, dass der Beschwerdegegner 2 die Berührungen nicht wollte, unterstellt. Die Vorinstanz führt überzeugend aus, dass der Beschwerdeführer mit den ihm vorgeworfenen Handlungen deutlich eine Grenze überschritten hat, womit diese nicht mehr nur in einen Graubereich fallen oder mit einem etwas ungeschickten Annäherungsversuch zu vergleichen sind, auch wenn davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer im Allgemeinen einen lockeren Umgang mit Nähe und Distanz pflegt und öfter Leute berührt und umarmt als dies andere Menschen gewöhnlich tun. Sie erwägt nachvollziehbar, dass es auch für Aussenstehende augenscheinlich war, dass sich der Beschwerdegegner 2 durch das Verhalten des Beschwerdeführers unwohl beziehungsweise angewidert fühlte. Die Vorinstanz geht sodann zu Recht davon aus, dass das Machtgefälle im Betrieb zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner 2 offensichtlich und dem Beschwerdeführer sicher bekannt war. Es ist im Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lehrmeister und Lernendem die Verantwortung des Lehrmeisters, die Grenzen der Sozialadäquanz von Berührungen nicht zu überschreiten. An diesem Abend überschritt der Beschwerdeführer diese Grenzen. Der Alkoholeinfluss beider Beteiligter und der lockere Umgang vermögen daran nichts zu ändern. Es ist die übergeordnete Person in einem Abhängigkeitsverhältnis, die sich darüber versichern muss, dass allfällige sexuelle Handlungen ausschliesslich im gegenseitigen Einverständnis vorgenommen werden und nicht auf einer durch das Subordinationsverhältnis vorbestehenden Drucksituation gründen. Bei einem rein passiven Verhalten des Gegenübers darf nicht auf dessen Zustimmung geschlossen werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer selbst im Verfahren nie ausgesagt hat, er sei von einem freien Willen des Beschwerdegegners 2 ausgegangen. Er hat sich in seinen Aussagen darauf beschränkt, jede sexuelle Konnotation seiner Berührungen abzustreiten. Seine jetzt implizit vorgebrachte Variante des Tathergangs vermag dies nicht mehr zu ändern. Es kann nicht zu seinen Gunsten von inneren Tatsachen ausgegangen werden, die selbst in seinen eigenen Aussagen keine Stütze finden.
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4.5.2. Nach dem Gesagten kann sich der Beschwerdeführer auf Basis des erstellten Sachverhalts nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass der Beschwerdegegner 2 die sexuellen Handlungen nicht wollte. Es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest in Kauf genommen hat, dass der Beschwerdegegner 2 seine Annäherung nicht wollte, sich aber wegen des bestehenden Lehrverhältnisses nicht dagegen zu wehren getraute. Der vorinstanzliche Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht.
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5. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Parteientschädigung auszurichten, da er im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zur Vernehmlassung aufgefordert wurde und ihm somit keine Umtriebe entstanden sind.
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Mai 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär
 
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