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Informationen zum Dokument  BGer 2C_282/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_282/2020 vom 08.05.2020
 
 
2C_282/2020
 
 
Urteil vom 8. Mai 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz, Bundesrichterin Hänni,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Lena Reusser,
 
gegen
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID).
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
 
vom 12. März 2020 (100.2019.177U).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. A.________ (geb. 1992) ist Staatsangehöriger der Republik Montenegro. Er wurde in der Schweiz geboren und ist hier niederlassungsberechtigt. Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau verurteilte ihn am 28. Oktober 2016 wegen schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 40 Monaten. Das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern (heute: Amt für Bevölkerungsdienste, Migrationsdienst) widerrief gestützt hierauf am 18. Juni 2018 die Niederlassungsbewilligung von A.________; es hielt ihn an, das Land auf seine Entlassung aus dem Strafvollzug hin zu verlassen.
 
1.2. Mit Schreiben vom 2. August 2018 wandte sich A.________ mit der Bitte an die Strafvollzugsbehörden, die Angelegenheit noch einmal zu überdenken. Die Eingabe wurde an die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern weitergeleitet. Am 26. August 2018 ging bei der Polizei- und Militärdirektion von der B.________ Sàrl "namens und auftrags" von A.________ ebenfalls eine Beschwerde ein; die entsprechende Gesellschaft hatte A.________ bereits im Verwaltungsverfahren vor dem Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern vertreten. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern trat am 3. Januar 2019 auf die Beschwerde von A.________ nicht ein; sie ging davon aus, dass die Eingabe verspätet eingereicht worden war.
 
1.3. Am 23. Mai 2019 gelangte A.________, inzwischen anwaltlich vertreten, gegen den Nichteintretensentscheid vom 3. Januar 2019 an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, dessen Einzelrichter die Beschwerde am 12. März 2020 abwies, soweit er darauf eintrat. A.________ beantragt vor Bundesgericht, den entsprechenden Entscheid aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen stellt A.________ zahlreiche Eventualanträge. Es wurden keine Akten oder Vernehmlassungen eingeholt.
 
 
2.
 
2.1. Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens bildet einzig der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 12. März 2020. Sämtliche Anträge, die sich nicht hierauf beziehen, sind unzulässig. Auf die entsprechenden Ausführungen wird nicht weiter eingegangen. Der Beschwerdeführer beanstandet die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung über weite Strecken bloss appellatorisch, d.h. er wiederholt seine Sicht der Dinge und stellt diese jener der Vorinstanz gegenüber, ohne sich mit deren Begründung vertieft auseinanderzusetzen; insbesondere legt er nicht dar, 
 
2.2. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat im Hinblick auf den Ausgang seines Verfahrens die Frage offen gelassen, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei ihm fristgerecht eingereicht worden ist bzw. ob zureichende Gründe bestünden, die Beschwerdefrist allenfalls wiederherzustellen. Der Beschwerdeführer kritisiert dies und macht geltend, die Vorinstanz hätte nicht materiell entscheiden dürfen, ohne die Eintretensvoraussetzungen zu prüfen. Der Einwand ist offensichtlich unberechtigt: Das Verwaltungsgericht hat die Eingabe des Beschwerdeführers materiell geprüft, inwiefern es damit dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt oder willkürlich (Art. 9 BV) gehandelt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Vorliegen der Eintretensvoraussetzungen kann unbeurteilt bleiben, wenn die Beschwerde im Resultat abgewiesen wird; einzig eine Gutheissung ist nicht möglich, ohne die Prozessvoraussetzungen zu prüfen.
 
 
2.3.
 
2.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die kantonalen Behörden gegen Treu und Glauben gehandelt hätten, indem sie ihre Entscheide bzw. Verfügungen an die B.________ Sàrl gerichtet hätten. Der Vertreter dieser Gesellschaft habe ihn getäuscht und seine Interessen nicht richtig wahrgenommen, weshalb die Zustellungen an ihn unzulässig gewesen seien. Er - der Beschwerdeführer - habe nicht wissen können, dass jener nicht im Anwaltsregister eingetragen war und deshalb nicht im Verfahren vor der Polizei- und Militärdirektion als Vertreter habe prozessieren können. Die Behörden hätten dies gewusst bzw. wissen müssen; sie hätten ihn auf die Unzulänglichkeiten seines Vertreters hinweisen sollen.
 
2.3.2. Die Rüge ist ebenfalls unbegründet: Der Beschwerdeführer informierte das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern am 21. November 2017, dass er durch die B.________ Sàrl vertreten werde. Am 27. November 2017 reichte er die entsprechende auf den 22. November 2017 datierte schriftliche Vollmacht nach, welche vom Beschwerdeführer und dem Vertreter der Gesellschaft unterzeichnet war. Im Verwaltungsverfahren ist nach dem bernischen Recht eine Vertretung grundsätzlich ohne Weiteres möglich (vgl. Art. 15 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG/BE; 155.21]), nur in den Verwaltungsjustizverfahren besteht ein Anwaltsmonopol.
 
2.3.3. Die Verfügung des Amtes für Migration und Personenstand wurde mit eingeschriebener Post an die Adresse der B.________ Sàrl versendet und am 20. Juni 2018 zur Abholung gemeldet, indessen wurde sie in der Folge nicht abgeholt und deshalb von der Post retourniert. Da der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter mit der Zustellung der Verfügung rechnen mussten - nachdem ihnen zuvor das rechtliche Gehör bezüglich des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung gewährt worden war - ist nicht zu beanstanden, wenn die kantonalen Behörden davon ausgegangen sind, dass die Verfügung am 27. Juni 2018 als zugestellt zu gelten hatte (Fiktion gemäss Art. 44 Abs. 3 VRPG/BE).
 
2.3.4. Die Annahme, dass die Rechtsmittelfrist somit am 28. Juni 2018 zu laufen begann und am Freitag, dem 27. Juli 2018, endete, verletzte kein Bundes (verfassungs) recht; die entsprechende kantonale Regelung wurde weder willkürlich ausgelegt noch in offensichtlich unhaltbarer Weise angewandt. Die vom Beschwerdeführer persönlich eingereichte Rechtsschrift vom 2. August 2018 war somit verspätet; umso mehr gilt dies auch für die von der vom Beschwerdeführer mandatierten Gesellschaft am 26. August 2018 in seinem Namen eingereichte Eingabe.
 
2.3.5. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Behörden sein kann, sich nach den Fähigkeiten oder dem Leumund der Personen zu erkundigen, welche für einen Dritten Vertretungshandlungen vornehmen. Es ist am Auftraggeber sich über seinen Vertreter zu informieren. Hat er diesen mandatiert, muss er sich dessen Handeln anrechnen lassen (Urteil 2C_345/2018 vom 11. Oktober 2018 E. 3.4 mit weiteren Hinweisen). Der Umstand, dass der Vertreter die den Beschwerdeführer betreffende Verfügung nicht rechtzeitig auf der Post abgeholt hat, deutete für die Behörde nicht bereits klar daraufhin, dass der Vertreter offensichtlich seinen Pflichten nicht nachkam. Das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern war zu keinen weiteren Abklärungen bezüglich des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers verpflichtet; es durfte bzw. musste die Verfügung dem Vertreter und nicht dem Vertretenen eröffnen (vgl. Art. 44 Abs. 4 VRPG/BE i.V.m. Art. 137 ZPO [SR 272]).
 
2.3.6. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, durch seinen Rechtsbeistand getäuscht worden zu sein, kann die Behörde hierüber nichts wissen und es besteht für sie somit zum Vornherein keine Pflicht, weitere Abklärungen vorzunehmen. Der Auftraggeber hat sich an den Vertreter zu halten; er kann nicht der Behörde vorwerfen, sie habe es zu Unrecht unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass der Vertreter sein Mandat ungenügend oder unsorgfältig wahrnimmt bzw. zur Mandatsführung nicht geeignet ist.
 
2.3.7. Der Beschwerdeführer kritisiert weiter, dass gestützt auf die Täuschung und die ungenügende Wahrnehmung des Mandats die Beschwerdefrist an die Polizei- und Militärdirektion wieder hätte hergestellt werden müssen. Auch insofern liegt keine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten des Beschwerdeführers vor: Die Partei, die eine Vertreterin oder einen Vertreter beauftragt hat, muss sich - wie bereits dargelegt - deren bzw. dessen Versäumnis anrechnen lassen (BGE 143 I 284 E. 1 S. 286 f.; Urteil 2C_345/2018 vom 11. Oktober 2018 E. 3.4). Zwar hat das Bundesgericht unter gewissen Voraussetzungen bei einem qualifizierten anwaltlichen Fehlverhalten eine Ausnahme von diesem Grundsatz anerkannt (BGE 143 I 284 E. 2 S. 288 ff.), doch bezieht sich dies auf die notwendige Verteidigung im Strafverfahren. Im ausländerrechtlichen Verfahren, bei dem die verfahrensrechtlichen Garantien von Art. 6 EMRK keine Anwendung finden (vgl. BGE 137 I 128 E. 4.4.2 S. 133 f.), gilt sie nicht.
 
 
3.
 
3.1. Der vorliegende Fall kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Das Bundesgericht begründet sein Urteil in diesem Fall bloss summarisch (vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG).
 
3.2. Das Gesuch des Beschwerdeführers, seiner Eingabe aufschiebende Wirkung beizulegen, wird mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache selber gegenstandslos.
 
3.3. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG); Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie dem Staatssekretariat für Migration (SEM) schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Mai 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
 
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