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Informationen zum Dokument  BGer 8C_189/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_189/2020 vom 24.04.2020
 
 
8C_189/2020
 
 
Urteil vom 24. April 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Rahel Bächtold,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Bundesbahnen SBB, Recht & Compliance, Human Resources, Hilfikerstrasse 1, 3000 Bern 65,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Öffentliches Personalrecht (Beendigung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2020 (A-2372/2019).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ war seit 1. Februar 2017 als Auftragsverantwortlicher bei der Division Infrastruktur im Bereich Instandhaltung bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) öffentlich-rechtlich angestellt. Im Laufe des Jahres 2017 machte ihn sein Vorgesetzter mehrmals darauf aufmerksam, dass er Beginn und Ende seiner Arbeitszeit, die Pausen sowie die Privatgespräche nicht korrekt erfasse. Am 18. Dezember 2017 ermahnten die SBB A.________ u.a. wegen verschiedenen Fehlerfassungen der Arbeitszeit und wiesen ihn an, sich an die geltenden Arbeitszeitvorschriften zu halten. Sie hielten zudem fest, weitere solche Verstösse nicht zu tolerieren. Nach neuen, im Januar 2018 erfolgten Unregelmässigkeiten in der Zeiterfassung drohten ihm die SBB mit Verfügung vom 22. März 2018 die Kündigung an, was sie mit Einspracheentscheid vom 28. August 2018 bestätigten. Am 3. Dezember 2018 besprach der Vorgesetzte mit A.________ dessen Zeiterfassung vom 14. Mai bis 31. Oktober 2018 und wies ihn erneut auf die nicht vorschriftsmässigen Zeitnotierungen und Unregelmässigkeiten hin. Am 18. Dezember 2018 gewährten die SBB A.________ das rechtliche Gehör in Bezug auf die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und stellten ihn per sofort frei. Dieser nahm hierzu am 18. Januar 2019 schriftlich Stellung. Die SBB entliessen ihn in der Folge auf den 30. Juni 2019 wegen wiederholter Mängel im Verhalten (Verfügung vom 28. März 2019).
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B. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen geführte Beschwerde mit Entscheid vom 31. Januar 2020 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm eine Entschädigung von einem Jahreslohn zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei ihm für das vorliegende, das vorinstanzliche wie auch das Einspracheverfahren eine Parteientschädigung zuzusprechen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
 
 
Erwägungen:
 
1. Gegen den angefochtenen Entscheid steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG). Die übrigen Voraussetzungen für das Eintreten auf die Beschwerde sind ebenfalls erfüllt.
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2.
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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2.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2).
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3.
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das Bundesverwaltungsgericht zu Recht in Bejahung einer rechtmässigen Kündigung einen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Entschädigung in der Höhe eines Jahreslohnes verneinte.
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3.2. Auf das Personal der SBB finden gemäss Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG; SR 742.31) die Bestimmungen des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) Anwendung. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über das Weisungsrecht des Arbeitgebers (Art. 6 Abs. 2 BPG in Verbindung mit Art. 321d OR), die ordentlichen Kündigungsgründe der Verletzung wichtiger vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten resp. der Mängel in der Leistung oder im Verhalten (Art. 10 Abs. 3 lit. a und b BPG) zutreffend dargelegt. Weiter ist es korrekt, dass der Bundesrat die SBB ermächtigen kann, das Anstellungsverhältnis im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen abweichend oder ergänzend zu regeln (Art. 15 Abs. 2 SBBG). Der gestützt auf Art. 38 BPG abgeschlossene - hier anwendbare - Gesamtarbeitsvertrag 2015 der SBB (GAV) hält in Ziff. 174 Abs. 1 u.a. fest, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis aus sachlich hinreichenden Gründen ordentlich gekündigt werden kann, insbesondere wegen der Verletzung wichtiger gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten (lit. a) und bei Mängeln in der Leistung oder im Verhalten (lit. b).
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Gemäss Art. 34b Abs. 1 lit. a BPG und Ziff. 184 Abs. 1 lit. a GAV kann bei Gutheissung der Beschwerde gegen eine Verfügung über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die SBB eine Entschädigung zugesprochen werden, wenn u.a. sachlich hinreichende Gründe für die ordentliche Kündigung fehlen.
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4. Das Bundesverwaltungsgericht erwog, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer mehrmals unmissverständlich zur korrekten Zeiterfassung aufgefordert worden sei. Trotz dieser rechtmässigen Weisung habe er zwei Monate nach der Kündigungsandrohung am 25. Mai 2018 eine Mittagspause von lediglich 22 Minuten ins Zeiterfassungssystem eingegeben, obwohl er gewusst habe, dass er dazu verpflichtet gewesen sei, eine mindestens 30-minütige Pause einzuhalten. Es bestehe zudem kein Zweifel an der Richtigkeit der von der SBB zusätzlich vorgeworfenen Zeitabweichungen vom 14., 19. und 26. Juni, 11. und 28. September sowie 16. Oktober 2018. Die Abweichungen vom 28. September und 16. Oktober 2018 seien vom Beschwerdeführer anlässlich des Gesprächs vom 3. Dezember 2018 mit "Zeitkompensation über den Tag" oder "Ungenaue Aufschreibung durch mich", "Ungenauer Eintrag am Morgen durch mich" - gemäss den Notizen des Vorgesetzten - begründet worden. Mit Blick auf die mehrfache Nennung dieser beiden Vorgehensweisen (auch bei weiteren Daten) und auf die lediglich pauschale Zurückweisung der diesbezüglichen Vorwürfe in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2019 sowie in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift könne darauf geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer auch an anderen Tagen die Arbeitszeit nicht korrekt erfasst habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Protokollierung seiner Antworten im Gespräch vom 3. Dezember 2018 (mit einer Ausnahme) vollumfänglich falsch gewesen sein sollte, wie er behauptet habe. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sein wiederholt bemängeltes Verhalten hinsichtlich der unkorrekten Zeiterfassung auch nach der Kündigungsandrohung fortgesetzt habe. Das Arbeitsverhältnis sei hierdurch erheblich belastet worden.
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Die ordentliche Kündigung sei ferner verhältnismässig gewesen, denn die Arbeitgeberin habe nach den wiederholt geführten Gesprächen, der Ermahnung und der Kündigungsandrohung keine andere arbeitsrechtliche Massnahme mehr zur Verfügung gehabt, um das Verhalten des Beschwerdeführers bei erneuter Verletzung der arbeitsrechtlichen Pflicht zu ändern. Angesichts des von Beginn an nicht korrekten Verhaltens des Beschwerdeführers sei es auch nicht zu beanstanden, dass die Arbeitgeberin auf die korrekte, minutiöse Erfassung der Arbeits- und Pausenzeit beharrt habe.
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5.
 
5.1. Die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz erschöpfen sich weitgehend in appellatorischer Kritik und beschränken sich im Übrigen auf eine Darlegung der eigenen Sichtweise. Im Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen ungenügend langen Mittagspause vom 25. Mai 2018 macht er letztinstanzlich neu geltend, Ziff. 6b des GAV 2015 im Anhang 5 regle, dass erst nach einem Einsatz von mehr als fünf Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten ausserhalb des Arbeitsplatzes bezogen werden müsse. Es sei aber nicht erwiesen, dass er vor der Pause bereits 5 Stunden gearbeitet habe. Die SBB hätten keine Beweise vorgelegt, die einen Arbeitsbeginn von 6.30 Uhr oder früher ausweisen würden, sodass die vorinstanzliche Annahme, er hätte um 11.33 Uhr zwingend eine halbstündige Pause einlegen müssen, willkürlich sei. Daher liege diesbezüglich keine Treuepflichtverletzung vor. Mangels hinreichender Abklärungen hierzu könne der Vorfall vom 25. Mai 2018 nicht als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung gewertet werden. Dieser Einwand des Beschwerdeführers ist als unzulässiges Novum (Art. 99 Abs. 1 BGG) nicht zu hören, nachdem er vor Bundesverwaltungsgericht hierzu einzig vorgebracht hatte, er habe tatsächlich eine halbe Stunde Mittagspause gehalten, aber versehentlich die Anwesenheit am Arbeitsplatz erfasst. Daher bestand für die Vorinstanz auch kein Anlass, hierzu weitere Abklärungen zu treffen.
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Zu keinem anderen Ergebnis vermag sodann die Rüge zu führen, die weiteren ihm vorgehaltenen 32 Abweichungen im Zeiterfassungssystem seien anlässlich des Gesprächs vom 3. Dezember 2018 ungenügend oder falsch schriftlich festgehalten worden. Es wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt, inwiefern die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hierzu sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis willkürlich sein sollen. Der vorinstanzliche Schluss, es sei nicht nachvollziehbar, dass (bis auf eine Ausnahme) sämtliche seiner Antworten zu den Vorwürfen anlässlich des Gesprächs vom 3. Dezember 2018 falsch protokolliert sein sollten, weshalb anzunehmen sei, dass auch nach der Kündigungsandrohung weitere Verstösse gegen die Vorschriften der Zeiterfassung erfolgten, ist bei der gegebenen Sachlage nicht zu beanstanden. Eine Verletzung der Beweislastregeln nach Art. 8 ZGB, wie weiter geltend gemacht wird, ist nicht zu erblicken.
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5.2. Nicht stichhaltig ist ferner der Einwand, die Vorinstanz habe das rechtliche Gehör (Art. 29 BV) und Art. 12 VwVG verletzt, indem sie im Rahmen seiner geltend gemachten Verletzung des Akteneinsichtsrechts behauptet habe, es sei nicht ersichtlich, in welche Akten der Beschwerdeführer nicht habe Einsicht nehmen können. Dementgegen habe er hinsichtlich der angeblichen Gehörsverweigerung mehrfach auf eine nicht edierte E-Mail vom Juni 2018 von Frau B.________ hingewiesen, worin sie ihm mitgeteilt habe, dass er bei auswärtigen Terminen die produktive Zeit auf die jeweiligen Projekte buchen könne. Die Vorinstanz stellte in diesem Zusammenhang willkürfrei fest, dass der Beschwerdeführer vor der Sperrung seines Accounts durch die SBB bestätigt habe, dass er die persönlichen und für ihn wichtigen Dokumente mitgenommen habe. Ferner sei ihm jederzeit Einsicht in die Personalakten gewährt worden. Diese Feststellungen sind weder willkürlich noch aktenwidrig. Dass die Beschwerdegegnerin über entscheidrelevante, nicht offen gelegte Akten verfügen sollte, ist nicht ersichtlich. Überdies ergibt sich aus seinen Darlegungen nicht, dass der Beschwerdeführer aus dieser E-Mail etwas zu seinen Gunsten ableiten könnte.
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5.3. In der vorinstanzlichen Qualifikation der Kündigung als verhältnismässig liegt weiter kein Verstoss gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV). Die Vorinstanz zeigte auf, dass der Beschwerdeführer mehrfach mündlich und schriftlich auf seine mangelhafte Zeiterfassung aufmerksam gemacht und ihm eine Bewährungsfrist mit Androhung der Kündigung angesetzt worden war. Entgegen den Darlegungen in der Beschwerde erfolgte die Kündigung nicht bloss wegen Nichteinhaltung einer Pausenzeit von 30 Minuten. Obschon die Erfüllung der Zeiterfassungsvorgaben zumutbar und möglich gewesen war, kam er dieser Pflicht von Anfang an und auch nach der Kündigungsandrohung wiederholt nicht korrekt nach, wie die Vorinstanz willkürfrei feststellte. Die Arbeitgeberin machte unmissverständlich klar, dass sie keine weiteren Verstösse gegen die geltenden Arbeitszeitvorschriften tolerieren werde, was aber zu keinen Änderungen im Verhalten des Beschwerdeführers führte und das Arbeitsverhältnis erheblich belastete. Der Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich die Kündigung unter den gegebenen Umständen gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. a und b BPG sowie Art. 174 Abs. 1. lit. a und b GAV als sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig erweise, hält vor Bundesrecht stand.
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6. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat ausgangsgemäss die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 24. April 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla
 
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