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Informationen zum Dokument  BGer 2C_270/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_270/2020 vom 14.04.2020
 
 
2C_270/2020
 
 
Urteil vom 14. April 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Herrn Anol Eshrefi,
 
gegen
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID).
 
Gegenstand
 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung infolge Auflösung der Ehegemeinschaft,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 27. Februar 2020 (100.2019.130U).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. A.________ (geb. 1987) ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo. Am 21. Oktober 2016 heiratete er eine Schweizer Bürgerin, worauf ihm eine bis zum 20. Oktober 2017 gültige Aufenthaltsbewilligung im Familiennachzug erteilt wurde. Am 31. Mai 2017 lösten A.________ und seine Ehefrau den gemeinsamen Haushalt auf. Seit dem 10. Januar 2020 ist das Ehepaar geschieden.
 
1.2. Das Amt für Migration und Personenstand (heute: Amt für Bevölkerungsdienste) des Kantons Bern lehnte es am 22. Januar 2018 ab, die Bewilligung von A.________ zu verlängern; gleichzeitig hielt es ihn an, das Land zu verlassen. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 15. März 2019 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 27. Februar 2020).
 
1.3. A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 27. Februar 2020 aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Das Bundesgericht hat weder die Akten noch Vernehmlassungen eingeholt.
 
 
2.
 
2.1. Der Beschwerdeführer beruft sich für das Bestehen eines Bewilligungsanspruchs auf Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 AIG (nachehelicher Härtefall; bis 31. Dezember 2018: AuG). Ob ein solcher Anspruch gegeben ist, bildet eine Frage der materiellen Prüfung und nicht des Eintretens (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; BGE 137 I 305 E. 2.5 S. 315; 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3 S. 500 f.). Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an die Hand zu nehmen (vgl. Art 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG).
 
2.2. Anders verhält es sich, soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Wegweisung wendet (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG) und er geltend macht, es bestehe bei ihm ein ausländerrechtlicher Härtefall (vgl. Art. 30 Abs. 1 AIG) bzw. die kantonalen Behörden hätten zu Unrecht darauf verzichtet, beim Staatssekretariat für Migration (SEM) einen Antrag auf vorläufige Aufnahme zu stellen (vgl. Art. 83 Abs. 6 AIG) : Die entsprechenden Punkte müsste er im Rahmen einer subsidiären Verfassungsbeschwerde beanstanden. Der Beschwerdeführer erhebt diesbezüglich jedoch keine hinreichend begründeten, zulässigen (Verfassungs-) Rügen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 137 II 305 ff.; Urteile 2C_450/2019 vom 5. September 2019 E. 1.2 und 2C_464/2018 vom 29. November 2018 E. 1.2, je mit weiteren Hinweisen). Es wird auf seine entsprechenden, allgemein gehaltenen Darlegungen im Folgenden nicht weiter eingegangen.
 
2.3. Der Beschwerdeführer beanstandet die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz über weite Strecken bloss appellatorisch, d.h. er wiederholt seine Sicht der Dinge und stellt diese jener der Vorinstanz gegenüber, ohne sich mit deren Begründung vertieft auseinanderzusetzen. Eine so begründete Kritik genügt im bundesgerichtlichen Verfahren nicht; entsprechend formulierte Rügen gelten als ungenügend substanziiert (vgl. LAURENT MERZ, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger/Kneubühler [Hrsg.], Basler Kommentar BGG, 3. Aufl. 2018, N. 53 zu Art. 42 BGG).
 
 
2.4.
 
2.4.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen im bundesgerichtlichen Verfahren lediglich insoweit vorgebracht werden, als der angefochtene Entscheid hierzu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereignet haben oder entstanden sind (echte Noven), ist unzulässig (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f. mit Hinweisen). Nur weil das Verwaltungsgericht die rechtliche Einschätzung des Beschwerdeführers nicht geteilt hat, gibt sein Entscheid nicht bereits Anlass dazu, im bundesgerichtlichen Verfahren die Beweismittel zu ergänzen. Hierfür müsste die Vorinstanz materielles Recht derart angewendet haben, dass bestimmte Sachumstände neu und erstmals - durch den angefochtenen Entscheid - Rechtserheblichkeit erhielten (vgl. das Urteil 2C_786/2018 vom 27. Mai 2019 E. 2.3 mit Hinweisen).
 
2.4.2. Dies ist hier nicht der Fall. Soweit der Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht darauf hinweist, dass er beabsichtigt, eine Schweizerin zu heiraten, und er einen entsprechenden E-Mail-Austausch mit dem zuständigen Zivilstandsamt zu den Akten gibt, kann dieses Novum im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden. Es wäre am Beschwerdeführer gewesen, den entsprechenden Einwand rechtzeitig vor der Vorinstanz zu erheben und in geeigneter Weise zu belegen. Dass er sich erneut verheiraten will, ist im Übrigen im Zusammenhang mit Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG nicht von Belang (vgl. das Urteil 2C_157/2020 vom 20. Februar 2020 E. 3.3).
 
 
3.
 
Nach Art. 50 AIG besteht der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung fort, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre gedauert und die ausländische Person sich hier erfolgreich integriert hat (Abs. 1 lit. a) oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Abs. 1 lit. b). Dies kann der Fall sein, wenn die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AIG). Hat sich die ausländische Person nur kürzere Zeit in der Schweiz aufgehalten und keine engen Beziehungen zum Land geknüpft, besteht kein Anspruch auf einen weiteren Verbleib in der Schweiz, sofern sie sich ohne besondere Probleme wieder im Herkunftsland integrieren kann (BGE 138 II 229 E. 3.1 S. 231 f.; 137 II 345 E. 3.2.3 S. 349 f.).
 
 
4.
 
4.1. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Schweizer Gattin nur gerade rund sieben Monate in der Schweiz zusammengelebt, er kann sich somit nicht auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG berufen, auch wenn er sich hier gut integriert haben will. Die Anwesenheitsdauer von drei Jahren und die erfolgreiche Integration müssen 
 
4.2. Die Vorinstanz durfte auch das Vorliegen eines nachehelichen Härtefalls verneinen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG; HUGI YAR, a.a.O., S. 77 ff.) :
 
4.2.1. Der Beschwerdeführer ist in seiner Heimat aufgewachsen und dort sozialisiert worden. Er kam erst im Alter von 30 Jahren in die Schweiz. Er ging im Kosovo zur Schule und studierte später in Mazedonien Wirtschaft. Eine Rückkehr in seine Heimat ist ihm zumutbar; sowohl die dortige Sprache wie die kulturellen Verhältnisse sind ihm bekannt.
 
4.2.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, von seinem Vater verstossen worden zu sein bzw. wegen der Auflösung der Ehe eine Familienfehde oder Blutrache zu befürchten, belegt er dies nicht weiter. Er schildert lediglich mögliche Probleme bei einer Rückkehr in die Heimat; dass sich diese mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit tatsächlich realisieren könnten und in diesem Sinn ein "real risk" für ihn besteht (Art. 3 EMRK), tut er - entgegen seiner Begründungspflicht - nicht dar (vgl. die Urteil 2C_1063/2019 vom 17. Januar 2020 E. 2.3.2 und 2C_868/2016 vom 23. Juni 2017 E. 5.2.2 - 5.2.7, je mit Hinweisen). Seine Vorbringen erschöpfen sich in abstrakt gehaltenen Behauptungen. Es steht ihm im Übrigen frei, sich in einem anderen Teil des Kosovos niederzulassen als in der Region U.________, von wo er stammt und wo er die Möglichkeit einer Blutfehde befürchtet. Ein weiterer Aufenthalt in der Schweiz ist in diesem Zusammenhang nicht "erforderlich".
 
4.2.3. Auch wenn sein Vater ihn nicht wieder aufnimmt bzw. mit ihm keine Kontakte mehr pflegen will, ist es dem jungen, kinderlosen Beschwerdeführer - wie die Vorinstanz zutreffend darlegt - möglich, sich in der Heimat wieder einen Bekannten- und Freundeskreis aufzubauen und sich dort ein neues soziales Netz zu schaffen. Der blosse Umstand, dass die Sicherheits- oder Wirtschaftslage in der Schweiz besser ist als im Heimatstaat, bildet keinen wichtigen persönlichen Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG, auch wenn der Betroffene in der Schweiz integriert erscheint, eine Landessprache relativ gut spricht, eine Arbeitsstelle hat und nicht straffällig geworden ist (Urteile 2C_578/2011 vom 1. Dezember 2011 E. 3.3 und 2C_467/2012 vom 25. Januar 2013 E. 2.3; BGE 139 II 393 E. 6; HUGI YAR, a.a.O., S. 83).
 
4.2.4. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht in sein Land zurückkehren könne, ist diesem Umstand bei der Festlegung der Ausreisefrist Rechnung zu tragen. Es liegt darin kein dauerhaftes Hindernis, das zu einer Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs im Sinne von Art. 83 Abs. 2 AIG und damit verbunden zu einer vorläufigen Aufnahme führt.
 
 
5.
 
5.1. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Das Bundesgericht begründet in diesem Fall sein Urteil nur summarisch; für alles Weitere wird ergänzend auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
 
5.2. Die Beschwerde war von Vornherein aussichtslos, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (vgl. Art. 64 BGG). Der Beschwerdeführer hat die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung von deren Höhe wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Bundesgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht vorab beurteilt hat, was es dem Beschwerdeführer erlaubt hätte, seine Eingabe noch zurückzuziehen. Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
5.3. Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache selber wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten ist.
 
2. 
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. April 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
 
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