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Informationen zum Dokument  BGer 9C_94/2020  Materielle Begründung
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BGer 9C_94/2020 vom 10.03.2020
 
 
9C_94/2020
 
 
Urteil vom 10. März 2020
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Grünenfelder.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
KPT Krankenkasse AG,
 
Wankdorfallee 3, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Krankenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
 
vom 25. Juli 2019 (730 18 374/179).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1970 geborene A.________ ist bei der KPT Krankenkasse AG, Bern (nachfolgend: KPT), obligatorisch krankenpflegeversichert. Nach einem bariatrisch-chirurgischen Eingriff (Gastric-Sleeve Resektion) und einer weiteren Operation (Roux Y-Bypass) im Jahr 2015 konnte er sein Körpergewicht bei 164 cm Körpergrösse von 127 kg auf 85 kg reduzieren. Infolge dieses Gewichtsverlustes leidet A.________ an einer abdominalen Fettschürze, weshalb er am 6. Januar 2017 um Übernahme der Kosten für eine Abdominalplastik (Bauchdeckenstraffung) ersuchen liess. Nachdem die KPT die Akten dem vertrauensärztlichen Dienst vorgelegt hatte (vgl. insbesondere Stellungnahmen des Dr. med. B.________ vom 23. September 2018 und 15. Januar 2019), wies sie das Leistungsbegehren ab, da kein Leiden mit Krankheitswert vorliege und der geplante plastisch-chirurgische Eingriff vorwiegend ästhetischer Natur sei (Verfügung vom 6. April 2018; Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2018).
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 25. Juli 2019 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Abdominalplastik zu übernehmen.
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Erwägungen:
 
1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es den Einspracheentscheid vom 17. Oktober 2018 bestätigte und eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin für die operative Entfernung der abdominalen Fettschürze verneinte.
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2. Das kantonale Gericht hat die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten einer operativen Behandlung sekundärer krankheits- oder unfallbedingter Beeinträchtigungen durch den Krankenversicherer, was vor allem äusserliche Verunstaltungen an sichtbaren und in ästhetischer Beziehung speziell empfindlichen Körperteilen betrifft, richtig wiedergegeben. Korrekt sind insbesondere die Ausführungen hinsichtlich der Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei operativen Entfernungen von Hautfalten (Fettschürzen) nach einer Gewichtsreduktion (statt vieler: SVR 2016 KV Nr. 16 S. 80, 9C_319/2015 E. 3 mit Hinweis auf RKUV 2006 KV 358 S. 55, K 135/04 E. 2.2 und 2.3). Darauf wird verwiesen.
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3.
 
3.1. Im Sozialversicherungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz sowie der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Der rechtserhebliche Sachverhalt ist von Amtes wegen unter Mitwirkung der versicherten Person bzw. der Parteien zu ermitteln. In diesem Sinne rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist. Der Verzicht auf weitere Abklärungen oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache verletzt etwa Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG), wenn der festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (statt vieler: Urteil 9C_393/2017 vom 20. September 2017 E. 2.2 mit Hinweisen).
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3.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit handelt es sich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage dar. Dagegen sind die vollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG) und der Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; Urteil 8C_449/2014 vom 11. Dezember 2014 E. 3).
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4.
 
4.1. Die Vorinstanz hat den vertrauensärztlichen Einschätzungen des Dr. med. B.________ vom 23. September 2018 und 15. Januar 2019 Beweiskraft zuerkannt. Sie hat erwogen, selbst wenn die chirurgische Korrektur die Hautprobleme des Beschwerdeführers dauerhaft beseitigen könnte und insofern vorteilhafter wäre, stelle diese keinen entscheidend höheren Nutzwert gegenüber einer ebenfalls als wirksam zu erachtenden (kostengünstigeren) konservativen (hier: dermatologischen Salben-) Behandlung dar und müsse daher nicht übernommen werden. Einen Kausalzusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers und seinem körperlichen Erscheinungsbild hat das kantonale Gericht verneint. Sodann ist es zum Schluss gelangt, die Fettschürze könne bei objektiver Betrachtungsweise auch nicht als entstellende Verunstaltung des äusseren Erscheinungsbildes bezeichnet werden.
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4.2.
 
4.2.1. Der Beschwerdeführer hält dem einzig entgegen, das kantonale Gericht habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig (unvollständig) festgestellt bzw. den Untersuchungsgrundsatz verletzt, indem es ausser Acht gelassen habe, dass gemäss dem Bericht des Spitals C.________ vom 27. September 2018 umbilikale Schmerzen vorlägen, welche eine Abdominalplastik indizierten.
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4.2.2. Inwiefern es sich bei den geltend gemachten somatischen Beschwerden um einen für die Entscheidfindung wesentlichen Aspekt handeln soll (vgl. E. 2.1), ist indes nicht erkennbar. Wohl hielten die behandelnden Ärzte Dr. med. D.________ und PD Dr. med. E.________ am 27. September 2018 fest, die Häufigkeit der (Haut-) Infektionsrate wie auch die Schmerzen stellten (sicher) eine Indikation für eine Abdominalplastik dar. Betreffend die hier interessierenden umbilikalen Beschwerden ist der Stellungnahme aber lediglich der kurze Hinweis zu entnehmen, der Patient habe "zudem auch" Schmerzen umbilikal. Näher äusserten sich die behandelnden Ärzte zu diesem Punkt nicht. Insbesondere verzichteten sie darauf, die entsprechenden subjektiven Schmerzangaben des Beschwerdeführers zu objektivieren oder weitergehende Abklärungen durchzuführen, sondern nahmen hauptsächlich auf die dermatologische Problematik Bezug, welche offenkundig im Vordergrund stand. Dementsprechend finden die hier strittigen Beschwerden weder im von Dr. med. D.________ und PD Dr. med. E.________ für den Beschwerdeführer gestellten Kostengutsprachegesuch vom 6. Januar 2017 noch in deren - vor allem die fachfremden psychischen Folgen betreffenden - Bericht vom 26. Juni 2017 oder den sonstigen medizinischen Akten Erwähnung. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer letztinstanzlich erstmals behauptet, die umbilikalen Schmerzen seien für ihn von Bedeutung, was ein unzulässiges Novum darstellt (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG) und daher nicht gehört werden kann. Die Operationsindikation begründete er - obschon er den Bericht vom 27. September 2018 mit der vorinstanzlichen Beschwerde eingereicht hatte - im kantonalen Verfahren noch allein damit, er leide an immer wiederkehrenden Hautentzündungen mit Juckreiz, wodurch er sich häufig kratzen müsse und es zu Exkorationen komme, welche ein Infektionsrisiko darstellten. Replicando machte der Beschwerdeführer betreffend seine somatischen Einschränkungen gleichfalls bloss geltend, anhand der aktenbefindlichen Abbildungen lasse sich eine von ihm geschilderte Intertrigo zumindest nicht ausschliessen, weil die entsprechenden Körperstellen in den Hautfalten nicht sichtbar seien. Eine Einschränkung durch etwaige umbilikale Schmerzen blieb hingegen gänzlich unerwähnt. Wenn das kantonale Gericht angesichts dieser Umstände den entscheidwesentlichen Sachverhalt als hinreichend abgeklärt erachtet hat, so ist dies nicht zu beanstanden.
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4.3. Nach dem Gesagten ist auszuschliessen, dass die umbilikalen Schmerzen, wie beschwerdeweise behauptet, für sich alleine eine Operationsindikation darstellen. Eine Verletzung von Bundesrecht ist nicht ersichtlich. Die Beschwerde ist unbegründet.
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 10. März 2020
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder
 
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