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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1103/2019  Materielle Begründung
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BGer 6B_1103/2019 vom 03.02.2020
 
 
6B_1103/2019
 
 
Urteil vom 3. Februar 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Gerichtsschreiberin Unseld.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. A.A.________,
 
2. B.A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bissig,
 
2. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Mehrfache Nötigung;
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 20. August 2019
 
(STK 2019 28).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Das Bezirksgericht March erklärte B.________ mit Urteil vom 2. Mai 2017 der mehrfachen Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB sowie der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 StGB zum Nachteil von A.A.________ und B.A.________ schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 320.-- und einer Busse von Fr. 4'000.--. Die Zivilansprüche von A.A.________ und B.A.________ verwies es auf den Zivilweg.
1
Das Kantonsgericht Schwyz bestätigte am 15. Mai 2018 auf Berufung von B.________ die erstinstanzlichen Schuldsprüche und die bedingte Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 320.--.
2
B. Das Bundesgericht hiess mit Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 die von B.________ gegen den Schuldspruch der mehrfachen Nötigung erhobene Beschwerde gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
3
C. Mit Urteil vom 20. August 2019 sprach das Kantonsgericht Schwyz B.________ vom Vorwurf der mehrfachen Nötigung frei. Es verurteilte in wegen der vor Bundesgericht unangefochten gebliebenen üblen Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 320.--. Die Zivilforderungen von A.A.________ und B.A.________ verwies es auf den Zivilweg.
4
D. A.A.________ und B.A.________ beantragen mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 20. August 2019 sei aufzuheben und B.________ sei der mehrfachen Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB schuldig zu sprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.A._______ und B.A.________ stellen zudem ein nachträgliches Gesuch um "unentgeltliche Rechtspflege".
5
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Beschwerdeführer werfen dem Beschwerdegegner 1 vor, er habe sie im Sinne von Art. 181 StGB genötigt, indem er ihnen mit Schreiben vom 18. November 2014 als Eigentümer des Areals C.________park ein unbefristetes Hausverbot für das besagte Areal (ausgenommen Arztpraxis) erteilt habe und ihnen für den Fall der Nichtbeachtung des Hausverbots mit einer Anzeige gedroht habe.
6
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1. Das Bundesgericht befasste sich im Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 ausführlich mit der Frage, ob sich der Beschwerdegegner 1 der mehrfachen Nötigung schuldig machte, weil er gegenüber den Beschwerdeführern am 18. November 2014 das beanstandete, gemäss den Beschwerdeführern unzulässige Hausverbot für den C.________park aussprach. Es erwog u.a., selbst wenn der Beschwerdegegner 1 das Hausverbot unzulässigerweise ausgesprochen hätte, könne darin keine Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB erblickt werden. Das Unterlassen des Betretens des C.________parks stelle den vom Beschwerdegegner 1 verfolgten Zweck dar und könne nicht zugleich auch das Nötigungsmittel im Sinne einer "Androhung ernstlicher Nachteile" oder "durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit" nach Art. 181 StGB sein. Daran ändere nichts, dass die Beschwerdeführer gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen durch die Hausverbote "erheblich eingeschränkt" gewesen seien. Mit einem Hausverbot sei implizit oder explizit auch die Drohung verbunden, im Falle einer Widerhandlung gegen dasselbe Strafanzeige zu erstatten. Zwischen der Strafanzeige und dem verfolgten Zweck bestehe insoweit ein sachlicher Zusammenhang. Eine Strafanzeige könne in einer solchen Konstellation nur Nötigungsmittel sein, wenn sie im Bewusstsein um die Unzulässigkeit des Hausverbots angedroht werde, um Druck auf die betroffene Person auszuüben. Dies stelle die Vorinstanz nicht fest. Die Vorinstanz erwäge in subjektiver Hinsicht einzig, der Beschwerdegegner 1 habe das Hausverbot inkl. Androhung der Strafanzeige "in Kenntnis deren Wirkung bewusst ausgesprochen" und die Beschwerdeführer künftig vom C.________park fernhalten wollen. Sie werfe dem Beschwerdegegner 1 damit nur vor, er habe gewusst, dass die Beschwerdeführer dem C.________park aufgrund des Hausverbots ungewollt fernbleiben würden. Dazu, ob der Beschwerdegegner 1 um die Unzulässigkeit des Hausverbots gewusst und er mit der Strafanzeige Druck auf die Beschwerdeführer habe ausüben wollen, um die Durchsetzung eines unzulässigen Hausverbots zu erwirken, äussere sie sich nicht. Insgesamt gehe es um eine ausschliesslich zivilrechtliche Angelegenheit, die von den Betroffenen auf dem Zivilweg zu regeln gewesen wäre, zumal der Beschwerdeführer 1 das Hausverbot in seinem Schreiben vom 12. Mai 2014 selber angeregt habe. Dass ein Hausverbot zu Unrecht ausgesprochen werde, begründe nicht zwingend eine Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB, genauso wie z.B. der Versand einer Rechnung inkl. Mahnungen mit Betreibungsandrohungen über einen streitigen Betrag grundsätzlich nicht strafbar sei, auch wenn sich im anschliessenden Zivilverfahren ergebe, dass der Betrag nicht geschuldet sei (Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 E. 1.5).
7
Die Beschwerdeführer setzen sich damit zu Unrecht nicht auseinander.
8
1.3. Der Beschwerdeführer 1 rügt, durch das Hausverbot werde ihm auch verunmöglicht, über dem C.________park in Privatwohnungen wohnhafte Personen zu besuchen. Insoweit habe der Beschwerdegegner 1 klar gegen BGE 83 IV 154 verstossen, da er ein Hausrecht über private Wohnräumlichkeiten geltend mache, über welche er laut dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid gar nicht verfügen dürfe.
9
Die Kritik ist unbegründet. Das Bundesgericht hat sich mit BGE 83 IV 154 bereits im Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 auseinandergesetzt. Zu beurteilen war in BGE 83 IV 154, ob sich eine Person, welche sich einem Hausverbot des Vermieters widersetzt, das Haus jedoch mit der ausdrücklichen Einwilligung des Mieters betritt, des Hausfriedensbruchs strafbar macht. Aus BGE 83 IV 154 kann nicht geschlossen werden, der Eigentümer bzw. Vermieter verliere auch an Räumlichkeiten, die einem Mieter nicht zur ausschliesslichen Nutzung überlassen wurden (wie Hauseingang, Gänge, Treppenhaus), jegliche Berechtigung. Aus BGE 83 IV 154 ergibt sich nur, dass die einem Dritten (Besucher) vom Mieter erteilte Bewilligung zum Betreten des Hauses dem Betretungsverbot des Vermieters vorgeht, es sei denn, der Dritte lege ein Verhalten an den Tag, durch welches der Vermieter in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt wird (Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 E. 1.4.1).
10
1.4. Die Vorinstanz sprach den Beschwerdegegner 1 gestützt auf das Urteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019 zu Recht vom Vorwurf der mehrfachen Nötigung frei. Die Beschwerde der Beschwerdeführer erschöpft sich insgesamt in einer Kritik am Bundesgerichtsurteil 6B_979/2018 vom 21. März 2019, auf welches indes nicht zurückzukommen ist.
11
2. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann (Art. 109 BGG). Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr nachträgliches Gesuch um "unentgeltliche Rechtspflege" ist angesichts des teilweise geleisteten Kostenvorschusses nicht als Kostenerlass-, sondern als Kostenreduktionsgesuch entgegenzunehmen. Dem Gesuch ist stattzugeben. Den finanziellen Verhältnissen der Beschwerdeführer ist mit einer reduzierten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.
12
Dem Beschwerdegegner 1 ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da er im bundesgerichtlichen Verfahren keine Auslagen hatte.
13
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Februar 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld
 
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