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Informationen zum Dokument  BGer 8C_815/2019  Materielle Begründung
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BGer 8C_815/2019 vom 30.01.2020
 
 
8C_815/2019
 
 
Urteil vom 30. Januar 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 29. Oktober 2019 (VBE.2019.83).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1970, ist gelernter Automonteur und arbeitete seit 2004 bei der Fabrikation B.________, zuletzt als Sachbearbeiter Materialwirtschaft und Wareneingang. Im Dezember 2015 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Er gab an, dass er wegen einer bipolaren Störung seit Februar 2015 arbeitsunfähig sei. Gemäss den Berichten der psychiatrischen Dienste C.________ und seines behandelnden Arztes war A.________ nach einer ersten stationären Behandlung im Alter von 29 Jahren durch Dr. med. D.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, betreut worden. Zuletzt war er von Ende Februar bis Ende April 2015 und vom 16. Juli bis zum 20. November 2015 in der Klinik E.________ hospitalisiert gewesen, danach bis 22. Januar 2016 durch die psychiatrischen Dienste C.________ tagesklinisch und in der Folge wieder durch Dr. med. D.________ behandelt worden. Seine Arbeitsstelle war ihm zwischenzeitlich gekündigt worden. Die IV-Stelle des Kantons Aargau gewährte ein Belastbarkeits- und Aufbautraining. Sie holte einen weiteren Bericht des Dr. med. D.________ vom 20. April 2017 sowie die Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD), Dres. med. F.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 9. Februar 2018, und G.________, Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 13. Februar 2018 ein. Mit Verfügung vom 18. Dezember 2018 sprach sie A.________ ab 1. Juni 2016 eine Dreiviertelsrente zu. Für die Zeit der mit einem Taggeldbezug verbundenen Integrationsmassnahmen vom 1. September 2016 bis 31. Januar 2017 wurde der Anspruch sistiert.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 29. Oktober 2019 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. Februar 2017. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zu neuem Entscheid unter Berücksichtigung der Berichte der behandelnden Ärzte.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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2. Streitig ist der Umfang des Rentenanspruchs ab 1. Februar 2017. Zur Frage steht dabei die der Ermittlung des Invaliditätsgrades zugrunde liegende Arbeitsfähigkeit.
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3. Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung des Rentenanspruchs nach Art. 28 IVG massgeblichen Bestimmungen, insbesondere zur Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 IVG) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
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4. Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschwerdeführer unter einer bipolaren affektiven Störung mit manischen und (teilweise schweren) depressiven Phasen leide. Gestützt auf die Einschätzung der RAD-Ärzte sei ihm nur noch eine ruhige, klar strukturierte Tätigkeit mit Zusatzpausen in einem kleinen Team ohne zu hohen Zeitdruck zuzumuten. In einer entsprechenden Verweistätigkeit (beziehungsweise unter den genannten Bedingungen auch in der angestammten Tätigkeit) sei er zu 40 % arbeitsfähig. Diese Restarbeitsfähigkeit sei auf dem massgeblichen hypothetischen, ausgeglichenen Arbeitsmarkt verwertbar, etwa bei Kontroll-, Prüf- und Überwachungstätigkeiten sowie einfachen Aushilfstätigkeiten. Auch körperlich anspruchsvollere Tätigkeiten seien zumutbar. Mit Blick darauf sei das von der IV-Stelle ermittelte Invalideneinkommen entsprechend dem statistischen Durchschnittslohn (gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik) für eine unter Kompetenzniveau 1 fallende Tätigkeit nicht zu beanstanden. Der Einkommensvergleich der IV-Stelle war im Übrigen unbestritten geblieben und wurde von der Vorinstanz bestätigt. Aus der Gegenüberstellung des Valideneinkommens von Fr. 78'000.- und des tabellarisch bestimmten Invalideneinkommens von Fr. 24'132.- für ein 40 %-Pensum ergab sich ein Invaliditätsgrad von 69 %.
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5. Der Beschwerdeführer erneuert seine vorinstanzlich vorgetragenen Einwände. Er bringt vor, dass das kantonale Gericht unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und willkürlicher Sachverhaltsfeststellung von einer 40%igen Arbeitsfähigkeit ausgegangen sei. Auf eine konkrete Abklärung der ihm noch verbleibenden Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und die Einholung diesbezüglicher weiterer Stellungnahmen der behandelnden Ärzte habe das kantonale Gericht zu Unrecht verzichtet. Ebenso habe es realitätsfremd ausser Acht gelassen, dass er trotz unzähliger Bewerbungen keine Stelle gefunden habe. Es könne ihm kein Invalideneinkommen angerechnet werden.
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6. Inwiefern die Vorinstanz offensichtlich unrichtige sachverhaltliche Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit getroffen oder mit ihrem Entscheid Bundesrecht verletzt hätte, ist nicht erkennbar.
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6.1. Dies gilt zunächst insoweit, als geltend gemacht wird, es wären zur gerichtlichen Festsetzung der Arbeitsfähigkeit weitere Stellungnahmen der behandelnden Ärzte erforderlich gewesen. Nach Abschluss ihrer stationären und ambulanten Behandlung erachteten die Ärzte der psychiatrischen Dienste C.________ im Januar 2016 eine Arbeitsfähigkeit von 50 % als zumutbar, wobei sie sogar eine Steigerung auf 100 % nach Absolvierung eines Belastungs- und Aufbautrainings als möglich erachteten. Dr. med. D.________ behielt sich eine Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit zunächst vor bis zum Abschluss von Eingliederungsmassnahmen. Diese wurden bei der Stiftung H.________ durchgeführt. Der Beschwerdeführer war dort mit der Renovierung von Holzfensterläden und mit verschiedenen Tätigkeiten in der Verpackerei beschäftigt. Gemäss Abschlussbericht des Eingliederungsberaters der IV-Stelle vom 10. Februar 2017 erreichte er ein Arbeitspensum im Sinne einer Präsenzzeit von 60 % (5 Stunden pro Tag) beziehungsweise eine Leistungsfähigkeit von 40 bis 50 %. Dr. med. D.________ bescheinigte am 20. April 2017 eine 40%ige Arbeitsfähigkeit. Dabei ging er, wie zuvor auch die behandelnden Ärzte der psychiatrischen Dienste C.________, ausdrücklich von einer entsprechenden Leistungsfähigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt aus. Diese Einschätzung übernahmen auch die RAD-Ärzte in ihren Stellungnahmen vom 9. beziehungsweise 13. Februar 2018. Mit Blick darauf lässt sich nicht ersehen, inwiefern die Vorinstanz die Arbeitsfähigkeit mit einem zumutbaren Pensum von 40 % offensichtlich unrichtig festgestellt hätte. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als geltend gemacht wird, es seien weitere medizinische Abklärungen (namentlich Ergänzungen zur Krankengeschichte seit 1999) erforderlich gewesen.
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6.2. Von Gesetzes wegen gilt als Invalideneinkommen der Verdienst, den die versicherte Person durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Art. 16 ATSG; BGE 134 V 64 E. 4.2.1 S. 70 f.; 110 V 273 E. 4b S. 276; Urteil 8C_464/2019 vom 28. November 2019 E. 5.4). Die vorinstanzliche Annahme, dass dem Beschwerdeführer trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen genügend realistische Betätigungsmöglichkeiten und entsprechende Verdienstmöglichkeiten auf diesem massgeblichen hypothetischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden, ist nicht zu beanstanden. Praxisgemäss war das kantonale Gericht nicht gehalten, die dem Beschwerdeführer dort verbleibenden Arbeitsgelegenheiten weitergehend zu konkretisieren (BGE 138 V 457 E. 3.1 S. 459 f.; Urteile 8C_587/2019 vom 30. Oktober 2019 E. 6.2; 8C_811/2018 vom 10. April 2019 E. 4.4.1). Die Vorinstanz durfte ihm im Rahmen der Invaliditätsbemessung den statistischen Durchschnittslohn für eine einfache Tätigkeit körperlicher oder handwerklicher Art (Kompetenzniveau 1) entsprechend dem noch zumutbaren Arbeitspensum von 40 % anrechnen. Daran kann nichts ändern, dass er mit seinen Bewerbungen bis anhin keine Stelle gefunden hat.
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6.3. Die vorinstanzlichen Feststellungen zu den erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung werden im Übrigen nicht beanstandet und geben keinen Anlass zu Weiterungen.
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7. Die Beschwerde erweist sich als insgesamt offensichtlich unbegründet und wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid erledigt.
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8. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 64 Abs. 1 BGG wird einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege nur gewährt, wenn sie bedürftig ist und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (zum Erfordernis der Nichtaussichtslosigkeit auch bei der unentgeltlichen Verbeiständung: Urteil 8C_258/2009 vom 24. August 2009 E. 7 mit Hinweisen). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.) nicht entsprochen werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 30. Januar 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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