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Informationen zum Dokument  BGer 5F_12/2019  Materielle Begründung
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BGer 5F_12/2019 vom 28.01.2020
 
 
5F_12/2019
 
 
Urteil vom 28. Januar 2020
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
 
Gerichtsschreiberin Friedli-Bruggmann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Schaub,
 
Gesuchstellerin,
 
gegen
 
1. B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Blöchlinger,
 
2. C.________, als Prozessstandschafter für die Erben des D.________ sel.,
 
Gesuchsgegner.
 
Gegenstand
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_814/2018 vom 5. August 2019.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die rubrizierten Parteien stehen sich in zwei erbrechtlichen Verfahren betreffend einerseits ihren Vater und anderseits ihre Mutter gegenüber. Vorliegend betroffen ist nur das Teilungsverfahren betreffend den mütterlichen Nachlass.
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B. Die Gesuchstellerin machte eine Erbunwürdigkeit der Gesuchsgegnerin geltend, was das erstinstanzliche Bezirksgericht Horgen bejahte. Auf Beschwerde der Gesuchsgegnerin hin hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Entscheid am 23. August 2018 auf. Es wies die Angelegenheit im Sinne der Erwägung, dass die Gesuchsgegnerin nicht erbunwürdig ist, zur materiellen Behandlung an das Bezirksgericht zurück. Gegen diesen Rückweisungsbeschluss des Obergerichts erhob die Gesuchstellerin Beschwerde beim Bundesgericht (Verfahren 5A_814/2018).
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C. Mit Urteil vom 5. August 2019 trat das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht ein, da die Gesuchstellerin die Voraussetzungen für die Anfechtung des Zwischenentscheides gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nicht dargetan hatte.
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D. Mit Gesuch vom 4. Oktober 2019 verlangt die Gesuchstellerin, das Urteil vom 5. August 2019 sei in Revision zu ziehen. Das Bundesgericht habe antragsgemäss über ihre Beschwerde vom 28. September 2018 zu befinden.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Revision eines Bundesgerichtsurteils kann nur aus einem der im Gesetz abschliessend genannten Gründe verlangt werden (Art. 121 bis Art. 123 BGG; Urteil 5F_8/2013 vom 24. April 2013 E. 1.2 mit Hinweis).
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1.2. Die Gesuchstellerin ruft die Revisionsgründe von Art. 121 lit. c und lit. d BGG an. Das Gesuch wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist und Form von einer durch das Urteil des Bundesgerichts besonders betroffenen Partei mit einem aktuellen Rechtsschutzinteresse an dessen Aufhebung oder Änderung eingereicht. Auf die Eingabe ist demnach grundsätzlich einzutreten.
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1.3. Ob tatsächlich ein Grund zur Revision vorliegt, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Begründung (Urteile 5F_8/2013 vom 24. April 2013 E. 1.2; 5F_3/3011 vom 4. Mai 2011 E. 1.2). Auch für die Revision gelten indes die in Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG genannten Anforderungen; die Begehren sind zu begründen, d.h. es ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Urteile 5F_2/2014 vom 4. Februar 2014 E. 1; 5F_8/2013 vom 24. April 2013 E. 1.2; 5F_3/2011 vom 4. Mai 2011 E. 1.2). Bloss appellatorische Ausführungen genügen nicht (Urteil 5F_2/2014 vom 4. Februar 2014 E. 1).
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2. Soweit die Gesuchstellerin den Revisionsgrund nach Art. 121 lit. c BGG ins Feld führt, geht dies ins Leere. Als Anträge, über welche nicht befunden worden sei, nennt sie "Beurteilung der Erbunwürdigkeit der Gesuchsgegnerin" und "Antrag auf Absprechung Parteistellung des Gesuchsgegners als Prozessstandschafter".
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Das Bundesgericht hat in seinem Urteil 5A_814/2018 beide Anträge erwähnt. Der Antrag betreffend Erbunwürdigkeit wurde explizit bereits im Sachverhalt lit. D.a erwähnt und wieder in den Erwägungen in der Sache. Der Antrag betreffend Prozessstandschafter, welchen die Gesuchsgegnerin in der Beschwerde als prozessualen Antrag bezeichnet hatte, behandelte das Bundesgericht in Erwägung E. 1.4. Das Bundesgericht ist dann aber auf die Beschwerde und folglich auch auf die beiden Anträge nicht eingetreten. Der behauptete Revisionstatbestand ist somit nicht erfüllt (vgl. Urteil 1F_16/2008 vom 11. August 2008 E. 3, in: SJ 2008 I S. 465; seither z.B. Urteile 6F_7/2019 vom 21. März 2019 E. 1; 5F_3/2015 vom 13. August 2015 E. 4.1; 4F_1/2012 vom 24. Februar 2012 E. 2.2; 5F_6/2011 vom 13. Juli 2011 E. 2).
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Der Revisionsgrund gemäss Art. 121 lit. c BGG schliesst bundesgerichtliche Nichteintretensentscheide nicht aus. Er deckt sich zwar mit dem Verbot der formellen Rechtsverweigerung (BGE 115 II 288 E. 5 S. 293; 128 III 234 E. 4a S. 242; zuletzt Urteil 5F_6/2019 vom 11. November 2019), doch verstösst das Gericht nicht dagegen, wenn es auf ein Begehren nicht eintritt, weil für dessen materielle Behandlung die prozessualen Voraussetzungen fehlen (Urteile 5A_257/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 3.5; 2C_608/2017 vom 24. August 2018 E. 5.2; zuletzt Urteil 5F_6/2019 vom 11. November 2019 E. 2.3).
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Erwägung 3
 
3.1. Der Revisionsgrund nach Art. 121 lit. d BGG liegt vor, wenn das Bundesgericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Ein solches Versehen ist dann gegeben, wenn im bundesgerichtlichen Urteil eine Aktenstelle übergangen oder wenn diese unrichtig wahrgenommen wurde (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18 f.; 115 II 399 E. 2a S. 400) und wenn sie überdies für die Entscheidfindung erheblich war (BGE 122 II 17 E. 3 S. 19).
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Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehören zu den in den Akten liegenden Tatsachen im Sinne von Art. 121 lit. d BGG auch Rechtsschriften und deren Inhalt (Urteil 2F_5/2009 vom 3. Juli 2009 E. 3.3 mit Hinweisen). Die Feststellung des Bundesgerichts, etwas sei unbestritten geblieben, während es tatsächlich bestritten war, könnte daher als Revisionsgrund gelten. Hingegen kann die - selbst falsche - Würdigung des Inhalts eines Schriftstücks niemals einen Grund für eine Revision abgeben, wie auch die rechtliche Würdigung oder eine falsche Würdigung von Tatsachen keinen Anspruch auf Revision verschafft (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18 f.; Urteil 2F_5/2009 vom 3. Juli 2009 E. 3.3).
12
Das Versehen ist von der falschen Würdigung einer Tatsache oder der fehlerhaften Einschätzung ihrer rechtlichen Bedeutung, beides Rechtsfragen, abzugrenzen (Niklaus Oberholzer, in: Bundesgerichtsgesetz (BGG), Seiler/von Werdt/Güngerich/Oberholzer (Hrsg.), 2. Aufl., Rz. 23zu Art. 121 BGG; mit Hinweis auf BGE 122 II 17 E. 3). Folglich kommt dieser Revisionsgrund nicht zum Tragen, wenn das Bundesgericht eine Tatsache bewusst oder irrtümlich nicht berücksichtigt hat, weil es diese als unerheblich betrachtet hat (Niklaus Oberholzer, in: Bundesgerichtsgesetz (BGG), a.a.O., Rz. 23 zu Art. 121 BGG; BGE 96 I 279 E. 3).
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3.2. Die Gesuchstellerin ist der Ansicht, das Bundesgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG verneint.
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3.2.1. Die Gesuchstellerin behauptet sinngemäss, dass das Bundesgericht selbst von einem drohenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ausgegangen sei, habe es doch die aufschiebende Wirkung gewährt.
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Der von der Gesuchstellerin gezogene Schluss erfolgt wieder besseres Wissen. Wie sich aus der Verfügung vom 30. Oktober 2019 wörtlich ergibt, wurde dem Gesuch um aufschiebende Wirkung entsprochen, weil "gemäss ständiger Praxis dem Gesuch um aufschiebende Wirkung ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen entsprochen wird, wenn auf eine Stellungnahme verzichtet wird oder keine Einwände gegen die aufschiebende Wirkung erhoben werden", was im betreffenden Verfahren der Fall war, haben sich doch weder Obergericht noch Gesuchsgegner dem Gesuch um aufschiebende Wirkung widersetzt.
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3.2.2. Ebensowenig kann der Gesuchstellerin gefolgt werden, wenn sie aus der Verfahrensdauer auf das Vorliegen eines drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteils schliesst. Zwischen Verfahrensdauer und den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG besteht kein Zusammenhang.
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3.2.3. Eine weitere Argumentationslinie der Gesuchstellerin zielt auf die Fragen von Erbwürde und Aktivlegitimation. Beides stellen Rechtsfragen dar, welche das Bundesgericht in casu mangels Eintreten gar nicht zu prüfen hatte. Die Gesuchstellerin bringt vor, sie habe sehr wohl dargelegt, worin der drohende nicht wieder gutzumachende Nachteil gelegen habe - überdies sei es dermassen offensichtlich, dass auf Ausführungen sogar hätte verzichtet werden können. Das Obergericht habe nämlich im vor Bundesgericht angefochtenen Rückweisungsbeschluss festgehalten, die Gesuchsgegnerin sei nicht erbunwürdig, womit dieser gleichzeitig die Aktivlegitimation zuerkannt worden sei und das Obergericht die Angelegenheit zur materiellen Behandlung der Anträge der Gesuchsgegnerin an die erste Instanz zurückgewiesen habe. Das Bundesgericht habe übersehen, dass die erste Instanz an die Einschätzung gebunden gewesen wäre. Mithin wäre es ein Endentscheid gewesen. Das Bundesgericht habe auch nirgends erwähnt, dass die Frage der Erbwürde der Gesuchsgegnerin erneut im kantonalen Verfahren gerügt werden könne, was ebenfalls manifestiere, dass dieser Aspekt übersehen worden sei.
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Die Gesuchstellerin irrt. Ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 und Abs. 2 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG). Darauf muss das Bundesgericht nicht ausdrücklich hinweisen. Worin der Nachteil hätte liegen sollen, dass nicht sofort, sondern erst mit allfälliger Anfechtung des Endurteils über die Erbwürdigkeit der Beschwerdegegnerin entschieden würde, hat die Gesuchstellerin weder in ihrer Beschwerde dargelegt, noch tut sie dies im jetzigen Revisionsgesuch. Ebensowenig wurden die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG dargetan. Im Übrigen betreffen die Vorbringen der Gesuchstellerin nicht Tatsachenfeststellungen, sondern die vom Bundesgericht vorgenommene Würdigung der Beschwerdeschrift und Akten inkl. den daraus hervorgehenden Tatsachen, was ihr keinen Anspruch auf Revision verschaffen kann (E. 3.1). Dies gilt insbesondere auch für die Klassifizierung des zweitinstanzlichen Entscheids als Zwischen- und nicht als Endentscheid).
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3.2.4. Als letztes argumentiert die Gesuchsgegnerin, dass dem Gesuchsgegner die Parteistellung als Prozessstandschafter abzusprechen gewesen wäre. Abgesehen davon, dass die Frage von Aktiv- und Passivlegitimation nicht revisionsfähige Rechtsfragen darstellen, ist auch dieser Punkt nur unter dem Blickwinkel des erfolgten Nichteintretens zu prüfen. Die Gesuchstellerin setzt sich im Revisionsgesuch aber nicht einlässlich mit der Erwägung des Bundesgerichts auseinander, dass sie in ihrer Beschwerde nicht aufgezeigt habe, inwiefern sie einen Nachteil erleiden würde, wenn auch über die Prozessstandschaft resp. die Parteistellung und -Bezeichnungen im Rahmen des Endurteils befunden wird; in den auf S. 7 Ziff. 16 des Gesuchs zitierten Ziffern der Beschwerdeschrift findet entgegen der Behauptung der Gesuchstellerin gerade keine Auseinandersetzung mit der Frage statt, ob ihr beim Warten auf das Endurteil ein Nachteil erwachse.
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3.3. Im Übrigen erschöpfen sich die Ausführungen des Gesuchs in einer Kritik an den bundesgerichtlichen Erwägungen und somit an der Rechtsanwendung durch das Bundesgericht. Damit lässt sich der Revisionsgrund des Art. 121 lit. d BGG nicht belegen. Das Revisionsgesuch ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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4. Die Gerichtskosten sind der Gesuchstellerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Entschädigungen sind keine zuzusprechen, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Das Gesuch um Revision des Urteils 5A_814/2018 wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Gesuchstellerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. Januar 2020
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Herrmann
 
Die Gerichtsschreiberin: Friedli-Bruggmann
 
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