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Informationen zum Dokument  BGer 9C_486/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_486/2019 vom 14.01.2020
 
 
9C_486/2019
 
 
Urteil vom 14. Januar 2020
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin N. Möckli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Ausgleichskasse Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Berechnung des Leistungsanspruchs),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 17. Juni 2019 (II 2018 106).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1963 geborene A.________ bezieht seit 2004 eine ganze Invalidenrente der Invalidenversicherung. Nachdem seine Ehefrau die Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit abgeschlossen hatte, berechnete die Ausgleichskasse Schwyz, wie im Schreiben vom 3. Juli 2018 in Aussicht gestellt, den Ergänzungsleistungsanspruch mit Verfügung vom 28. August 2018 ab 1. September 2018 neu auf Fr. 456.- (exkl. Prämienpauschale der Krankenkassenversicherung). Dagegen reichte der Versicherte Einsprache ein und machte insbesondere betreffend das Einkommen der Ehefrau höhere Gewinnungskosten für auswärtige Verpflegung und Fahrtkosten geltend. Diese Einsprache hiess die Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 4. Dezember 2018 teilweise gut und sprach dem Versicherten Ergänzungsleistungen von monatlich Fr. 515.- zu.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 17. Juni 2019 ab.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Fahrtkosten pro Jahr für ein Generalabonnement von Fr. 4020.- und Kosten für auswärtige Verpflegungen pro Jahr von Fr. 2880.- sein monatlicher Ergänzungsleistungsanspruch auf Fr. 685.- festzulegen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege betreffend die Gerichtskosten.
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Erwägungen:
 
1. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. wegen Verletzung von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig [willkürlich; BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445] ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
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2. 
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2.1. Streitig sind die Höhe der Gewinnungskosten für die auswärtige Verpflegung und den Arbeitsweg. Es ist zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid diesbezüglich Bundesrecht verletzt.
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2.2. Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG). Was zu den anrechenbaren Einnahmen gehört, ist in Art. 11 ELG bestimmt. Die anerkannten Ausgaben sind in Art. 10 ELG geregelt, zu ihnen zählen insbesondere die Gewinnungskosten bis zur Höhe des Bruttoerwerbseinkommens (Art. 10 Abs. 3 lit. a ELG).
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3. 
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3.1. Die Vorinstanz hielt zunächst fest, die Ehefrau habe per 1. September 2018 eine 80%ige Festanstellung aufgenommen, womit sich der massgebende Sachverhalt verändert und die Verwaltung eine Leistungsanpassung zu Recht geprüft habe. Der Verweis des Beschwerdeführers auf frühere EL-Verfügungen sei unbehelflich. Alsdann führte das kantonale Gericht aus, als notwendige Kosten könnten nur jene für die Fahrten zwischen dem Wohnsitz und der Arbeitsstätte der Ehefrau berücksichtigt werden. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte oder Belege vor, dass die Ehefrau die Ausbildung zur Pflegefachfrau HF alsbald absolviere. Zudem bestehe in Bezug auf die Kosten im Zusammenhang mit einer (allfälligen) Weiterbildung einzig eine Rechnung vom 19. Dezember 2018, die jedoch an die Arbeitgeberin adressiert sei, weshalb von Berufsauslagen auszugehen sei, welche die Arbeitgeberin trage. Weder ein allfälliger, einmaliger Besuch einer auswärtigen Lehrveranstaltung noch die mit einem GA einhergehende höhere Flexibilität rechtfertige die Übernahme des im Vergleich zum Streckenabonnement (Fr. 1899.-) teureren GA (Fr. 4080.-).
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3.2. Der Beschwerdeführer verweist darauf hin, dass bisher während der dreijährigen Ausbildung der Ehefrau die Kosten für ein GA übernommen worden seien. Ab 1. September 2018 habe sich an der Fahrtstrecke zwischen U.________ und V.________ und den ausbildungsbedingten notwendigen weiteren Fahrten nichts verändert. Es seien deshalb die Kosten für ein GA in der Berechnung einzusetzen. Im Übrigen beanstandet er auch die Kostenhöhe für das Streckenabonnement: Er und seine Ehefrau könnten sich ein Jahres-Abo mit Vorauszahlung des Gesamtbetrags nicht leisten. Der Beschwerdeführer macht Kosten für ein monatlich zahlbares Streckenabo von jährlich Fr. 2808.- geltend.
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3.3. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hat sich der massgebliche Sachverhalt ab 1. September 2018 verändert. Mit Blick auf die Lohnerhöhung, welche die Ehefrau nach Abschluss ihrer Ausbildung realisieren konnte, ist dies nicht zu beanstanden. Die Verwaltung hat daher die zuvor mit Verfügung vom 22. Dezember 2017 für den Zeitraum ab 1. Januar 2018 zugesprochene monatliche Ergänzungsleistung von Fr. 2'231.- (exkl. Prämienpauschale der Krankenversicherung) zu Recht in Revision gezogen (Art. 17 Abs. 2 ATSG). Damit dürfen die Berechnungsgrundlagen, wie bei der jährlichen Überprüfung der Ergänzungsleistung (Art. 3 Abs. 1 lit. a ELG; Urteil 9C_480/2018 vom 30. Januar 2019 E. 2.3), ohne Bindung an früher verwendete Faktoren neu festgelegt werden (Urteil 9C_321/2013 vom 19. September 2013 E. 2.1.2). Der Beschwerdeführer kann somit nichts zu seinen Gunsten ableiten, dass die Beschwerdegegnerin bisher als Berufsauslagen der Ehefrau die Kosten für ein GA angerechnet hat.
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Erwägung 3.4
 
3.4.1. Gemäss dem Lehrzeugnis des Ausbildungsbetriebs der Ehefrau, der zugleich auch die aktuelle Arbeitgeberin ist, strebt die Ehefrau die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau HF an. Gemäss den im vorinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers hat die Ehefrau zudem bereits eines der notwendigen Schnupperpraktika absolviert und ein weiteres ist geplant. Er offerierte, dass Bestätigungen zu den Praktika beigebracht werden könnten. Zudem reichte er am 8. Januar 2019 eine Rechnung des Berufsbildungszentrums B.________ vom 19. Dezember 2018 ein, die im Zusammenhang mit der geplanten HF-Ausbildung seiner Ehefrau stehe. Aus den Akten ergaben sich somit zahlreiche Hinweise darauf, dass die Ehefrau konkret plant, in absehbarer Zeit diese Ausbildung aufzunehmen. Die vorinstanzliche Argumentation, es lägen kein konkreten Anhaltspunkte oder Belege vor, dass die Ehefrau die Ausbildung zur Pflegefachfrau HF alsbald absolviere, überzeugt daher nicht.
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Erwägung 3.4.2
 
3.4.2.1. Als Gewinnungskosten sind nur die unmittelbar zur Erzielung des rohen Einkommens wie die zur Erhaltung der Einkommensquelle gemachten Aufwendungen zu betrachten. Es sind dies Ausgaben, welche die Erzielung des erfassten Einkommens mit sich bringt und die sich aus einer Berufstätigkeit unmittelbar ergeben. Keine Gewinnungskosten sind Auslagen, die mit dem Erwerb nicht oder nur mittelbar zusammenhängen (Urteil P 22/05 vom 5. August 2005 E. 3.1).
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3.4.2.2. Die Ehefrau ist beim Alters- und Pflegezentrum C.________ als Fachangestellte Gesundheit EFZ angestellt. Sie verfügt über die dafür erforderliche Ausbildung. Es gibt weder im Arbeitsvertrag vom 18./21. Juli 2018 noch den weiteren Akten Hinweise, dass die Ehefrau eine Weiterbildung absolvieren muss, um diese Anstellung beibehalten zu können. Die mit der geplanten Weiterbildung entstandenen Kosten sind somit nicht unmittelbar erforderlich, damit die Ehefrau das Einkommen als Fachangestellte Gesundheit EFZ beim Alters- und Pflegezentrum C.________ realisieren kann. Entsprechend sind diese Aufwendungen bei der EL-Berechnung nicht als Berufskosten anzuerkennen.
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3.4.3. Die Vorinstanz legte ferner dar, sobald die Ehefrau nachweislich an der geltend gemachten Weiterbildung teilnehme, habe die Beschwerdegegnerin dies bei der EL-Berechnung zu berücksichtigen. Ob und inwiefern Kosten für eine Weiterbildung bei der EL-Berechnung zu beachten sind, kann in diesem Verfahren offengelassen gelassen werden (vgl. Urteil P 42/01 vom 21. Februar 2002 E. 2e/bb), denn vorliegend geht es erst um Auslagen im Zusammenhang mit einer geplanten Weiterbildung.
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3.4.4. 
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3.4.4.1. Als notwendige Gewinnungskosten sind daher nur die Auslagen für den Arbeitsweg vom Wohnort zur Arbeitsstätte miteinzubeziehen. Das Streckenabonnement ist hierfür unbestritten preiswerter als ein GA. Der Beschwerdeführer hat daher kein Recht darauf, dass die höheren Kosten für ein GA bei der Berechnung der Ergänzungsleistung berücksichtigt werden. Er bzw. seine Ehefrau hätten das bisher abonnierte monatsweise zahlbare GA zudem im Hinblick auf das Ende der Ausbildung fristgerecht kündigen können. Dies umso mehr als ihnen die Beschwerdegegnerin bereits mit der Mitteilung vom 3. Juli 2018 eröffnete, dass die Ergänzungsleistungen nach der absolvierten Lehre neu berechnet würden. Dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau dies nicht getan haben, ändert daran nichts.
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3.4.4.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verwaltung und die Vorinstanz hätten die Kosten für ein solches Streckenabonnement nicht richtig bestimmt. Er macht geltend, ein solches koste für zwölf Monate Fr. 2808.-. Er und seine Frau könnten sich ein Jahresabonnement mit Vorauszahlung des gesamten Betrags nicht leisten. Im vorinstanzlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer demgegenüber lediglich geltend gemacht, dass die Kosten für ein GA anzurechnen seien, aber nicht, dass die Auslagen für ein Streckenabonnement höher als die von der Beschwerdegegnerin berücksichtigten Fr. 1899.- seien oder dass er sich dies als Einmalzahlung nicht leisten könnte. Neue Tatsachen dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Es sind keine Umstände ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer diese auf neuen Tatsachen beruhenden Rügen nicht bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätte geltend machen können. Seine neuen Vorbringen sind daher im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen und es hat bei den von der Vorinstanz angerechneten Fahrtkosten sein Bewenden.
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Erwägung 4
 
4.1. Das kantonale Gericht hielt weiter fest, bei den auswärtigen Verpflegungskosten könne - anders als im Steuerrecht - im Rahmen der EL-Anspruchsberechnung nicht mit Mehrkostenpauschalen operiert werden. Der Existenzbedarf müsse präzis ermittelt werden.
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4.2. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber wiederum geltend, gemäss der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL; Rz. 3415.02) sei für die auswärts eingenommenen Mahlzeiten eine pauschalisierte Abrechnung vorzunehmen. Daraus resultiere beim von der Ehefrau verrichteten 80%-Pensum ein Betrag von Fr. 2880.-.
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4.3. Die Randziffer 3415.02 der WEL (Stand: 1. Januar 2018) befasst sich mit Kost und Logis als Naturaleinkunft. Diese bezieht sich somit auf einen völlig anderen als den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt, weshalb der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, inwiefern die vorinstanzlichen Erwägungen Bundesrecht verletzten und dies ist auch nicht ersichtlich, sind doch nach Art. 11a ELV lediglich ausgewiesene Gewinnungskosten vom anrechenbaren Bruttoerwerbseinkommen abzuziehen (vgl. auch Urteil 9C_400/2014 vom 18. September 2014; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts P 27/03 vom 29. April 2004 E. 5.2 und P 53/01 vom 13. März 2002 E. 3c).
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5. Die Beschwerde ist unbegründet. Auf die Erhebung von Gerichtskosten zu Lasten des Beschwerdeführers wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Damit wird sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
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Das Bundesgericht erkennt:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 14. Januar 2020
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Parrino
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Die Gerichtsschreiberin: Möckli
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