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Informationen zum Dokument  BGer 9C_786/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_786/2019 vom 20.12.2019
 
 
9C_786/2019
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiberin Stanger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
IV-Stelle Luzern,
 
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Bachmann,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Kantonsgerichts Luzern
 
vom 17. Oktober 2019 (5V 19 54).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Nachdem ein erstes Leistungsbegehren abgewiesen worden war (Verfügung vom 8. Oktober 2013), meldete sich der 1970 geborene A.________ im August 2015 erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern führte erwerbliche und medizinische Abklärungen durch. Mit Vorbescheid vom 9. Oktober 2018 stellte sie die Zusprache einer ganzen Rente ab 1. Juli 2016 sowie einer halben Rente ab 1. Januar 2019 in Aussicht.
1
A.b. Am 5. November 2018 ersuchte der Versicherte um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Vorbescheidverfahren. Mit Verfügung vom 8. Januar 2019 wies die IV-Stelle das Gesuch mit der Begründung ab, es fehle an der sachlichen Gebotenheit der Verbeiständung.
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B. Der Versicherte liess dagegen Beschwerde erheben und beantragen, die Verfügung vom 8. Januar 2019 sei aufzuheben, und es sei ihm die unentgeltliche Verbeiständung für das Vorbescheidverfahren ab Gesuchseinreichung am 5. November 2018 zu gewähren, wobei der Unterzeichnete als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu ernennen sei. Weiter sei eine öffentliche Verhandlung im Sinne von Art. 6 EMRK durchzuführen. Mit Entscheid vom 17. Oktober 2019 hiess das Kantonsgericht Luzern die Beschwerde teilweise gut. In Aufhebung der Verfügung vom 8. Januar 2019 bewilligte es das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren. Es ernannte Rechtsanwalt Reto Bachmann zum unentgeltlichen Rechtsbeistand und wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit diese die Entschädigung für den unentgeltlichen Rechtsbeistand festlege. In Bezug auf die beantragte öffentliche Verhandlung wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab.
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Zwischenzeitlich hatte die IV-Stelle dem Versicherten mit Verfügung vom 5. Juli 2019 rückwirkend ab 1. Juli 2016 eine (unbefristete) ganze Rente zugesprochen.
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C. Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und in Bestätigung der Verfügung vom 8. Januar 2019 sei festzustellen, dass die Abweisung der unentgeltlichen Verbeiständung im Administrativverfahren zu Recht erfolgt sei; eventualiter sei die Sache zur Vornahme einer Bedürftigkeitsprüfung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Ferner sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
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Erwägungen:
 
1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Der Entscheid, mit dem ein kantonales Versicherungsgericht einzig über den Anspruch der versicherten Person auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand im Verwaltungsverfahren eines Sozialversicherungsträgers gemäss Art. 37 Abs. 4 ATSG befindet, ist kein Endentscheid sondern ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 139 V 600 E. 2 S. 602 f.; 133 V 645 E. 1 S. 646). Praxisgemäss bewirkt ein kantonaler Zwischenentscheid, worin dem Versicherten die unentgeltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren bewilligt wird, für die IV-Stelle keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. Urteile 8C_353/2019 vom 2. September 2019 E. 2 und 8C_931/2015 vom 23. Februar 2016 E. 1). Vorliegend wurde indes über den materiellen Rentenanspruch mit Verfügung vom 5. Juli 2019 und damit noch während des Beschwerdeverfahrens betreffend unentgeltliche Verbeiständung rechtskräftig entschieden. Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens braucht über diese Konstellation jedoch nicht abschliessend befunden zu werden.
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Erwägung 3
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzliche Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren Bundesrecht verletzt.
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3.2. Nach Art. 37 Abs. 4 ATSG wird einer gesuchstellenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt, wo die Verhältnisse es für das Verwaltungsverfahren erfordern (vgl. auch Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV). Kumulative Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung im Rahmen von Art. 37 Abs. 4 ATSG sind Bedürftigkeit, sachliche Gebotenheit der Vertretung sowie Nichtaussichtslosigkeit der Rechtsbegehren (BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.).
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Erwägung 4
 
4.1. Zunächst richtet sich die Beschwerde gegen die von der Vorinstanz bejahte Bedürftigkeit. In formeller Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV) und der daraus abgeleiteten Begründungspflicht.
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4.1.1. Nicht stichhaltig ist ihr Einwand, der angefochtene Entscheid könne nicht überprüft werden, da er keine Begründung enthalte und die Herausgabe der massgebenden Belege und der "Bedürftigkeitsberechnung" verweigert worden seien.
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Das kantonale Gericht hat erwogen, die Bedürftigkeit sei mit Blick auf die im Beschwerdeverfahren eingereichten "UR-Unterlagen" ausgewiesen, wobei es auf Beilage 6 der Beschwerde - eine Bestätigung der Sozialen Dienste über den Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe vom 10. Dezember 2018 - verwies (vorinstanzliche Erwägung 6). Aus dieser Erwägung der Vorinstanz ergibt sich, dass die Bedürftigkeit einzig gestützt auf besagte Bestätigung bejaht wurde. Zu Recht macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, sie habe keine Kenntnis vom Inhalt dieses Dokuments erhalten (vgl. dazu auch E. 4.1.2). Soweit sie eine Bundesrechtsverletzung darin erblickt, dass ihr nicht (auch) Einblick in die Unterlagen betreffend unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Verfahren (5U 19 12) gewährt wurde, ist ihre Rüge mangels Entscheidwesentlichkeit dieser Dokumente für die Beurteilung der strittigen Bedürftigkeit unbegründet.
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Nach dem Gesagten war eine sachgerechte Anfechtung des Entscheids ohne Weiteres möglich, weshalb von einer Verletzung der Begründungspflicht nicht die Rede sein kann (vgl. statt vieler BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436mit Hinweisen).
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4.1.2. Ebenso unbegründet ist die Rüge der Beschwerdeführerin, sie habe sich während des gesamten kantonalen Verfahrens zur Frage der Bedürftigkeit nicht äussern können, womit ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
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Im vorinstanzlichen Verfahren begründete der Versicherte nicht nur, weshalb seiner Ansicht nach die unentgeltliche Verbeiständung erforderlich sei. Er machte zudem auch das Vorliegen einer Bedürftigkeit geltend. Zum Nachweis verwies er auf die bereits im Verwaltungsverfahren eingereichte Bestätigung über den Bezug von wirtschaftlicher Sozialhilfe der Sozialen Dienste vom 10. Dezember 2018. I n Rahmen der Vernehmlassung hat die IV-Stelle weder in allgemeiner Weise die Bedürftigkeit bestritten, noch hat sie geltend gemacht, die eingereichte Bestätigung würde zu deren Nachweis nicht ausreichen. Sie hielt in diesem Zusammenhang einzig fest, aufgrund der fehlenden Notwendigkeit der Verbeiständung habe auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichtet werden können. Damit hat es die Beschwerdeführerin selbst zu verantworten, dass die Vorinstanz die Bedürftigkeit einseitig gestützt auf die Vorbringen des Versicherten beurteilte.
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4.2. Aus dem soeben Dargelegten (vgl. E. 4.1.2) ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht erstmals vorbringt, der Versicherte sei nicht bedürftig im Sinne von Art. 37 Abs. 4 ATSG. Dabei handelt es sich zwar grundsätzlich um ein zulässiges neues rechtliches Vorbringen. Soweit sich die Beschwerdeführerin dabei jedoch auf prozessual neue Tatsachen stützt, welche sie ohne Weiteres bereits in den vorinstanzlichen Prozess hätte einbringen können, ist darauf mit Blick auf Art. 99 Abs. 1 BGG nicht näher einzugehen (vgl. BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22). Weiter legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern das vorinstanzliche Abstellen (einzig) auf besagte Bestätigung vom 10. Dezember 2018 im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung eine willkürliche Beweiswürdigung darstellt.
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4.3. Nach dem Gesagten vermag die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen, soweit überhaupt zulässig, keine Bundesrechtswidrigkeit der vorinstanzlichen Beurteilung der Bedürftigkeit zu begründen.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung ist im Verwaltungsverfahren, in welchem der Untersuchungsgrundsatz gilt (Art. 43 ATSG), nur in Ausnahmefällen zu bejahen. Es müssen sich schwierige Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Natur stellen. Zu berücksichtigen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, Eigenheiten der anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie weitere Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens. Neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts fallen auch bei der versicherten Person liegende Gründe in Betracht, etwa ihre Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden. Des Weiteren muss eine gehörige Interessenwahrung durch Verbandsvertreter, Fürsorgestellen oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen ausser Betracht fallen (BGE 125 V 32 E. 4b S. 35; Urteil 9C_29/2017 vom 6. April 2017 E. 1 mit Hinweisen). Grundsätzlich geboten ist die Verbeiständung auch, falls ein besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung des Bedürftigen droht; andernfalls bloss, wenn zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen ist (BGE 130 I 182 E. 2.2 mit Hinweisen; Urteil 8C_669/2016 vom 7. April 2017 E. 2.1).
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Die Frage nach der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren ist rechtlicher Natur und kann als solche vom Bundesgericht frei überprüft werden (Urteil 9C_757/2017 vom 5. Oktober 2018 E. 5.1 mit Hinweis).
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5.2. Die Vorinstanz bejahte die sachliche Gebotenheit mit der Begründung, es treffe zwar zu, dass dem Versicherten kein besonders starker Eingriff in seine Rechtsstellung drohe, dennoch sei gestützt auf die sich in subjektiver und objektiver Hinsicht präsentierenden besonderen Verhältnisse eine anwaltliche Vertretung ausnahmsweise erforderlich :
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5.2.1. Das kantonale Gericht erwog, gemäss Beurteilung des RAD-Arztes Dr. med. B.________ könne nicht auf das MEDAS-Gutachten vom Juni 2017 abgestellt werden, da der Versicherte praktisch gleichzeitig am unteren Rücken operiert worden sei (Protokolleintrag vom 12. Juli 2017). Das zweite MEDAS-Gutachten sei erst am 13. September 2018 bei der IV-Stelle eingetroffen, die Untersuchun gen des Versicherten hätten indes bereits Ende 2017 stattgefunden. Gemäss RAD-Arzt sei bei einem solchen Zeitverlauf die Verwertbarkeit des Gutachtens beinahe naturgemäss erschwert. Der Versicherte sei zwischenzeitlich wieder operiert worden, was im Gutachten erneut nicht berücksichtigt worden sei. Unter diesen Umständen sei eine RAD-Stellungnahme äusserst sch wierig und nur im Sinne einer "überwiegend wahrscheinlichen Kompromiss-Lösung/-Einschätzung" zu verstehen. Aufgrund des medizinischen Hin und Hers sei die Lage zunehmend unübersichtlicher und eine detaillierte Beurteilung kaum mehr möglich. "Im Sinne einer gesamthaften (Kompromiss-) Einschätzung" schlage er daher vor, bis zum Zeitpunkt des zweiten MEDAS-Gutachtens eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen und ab dem zweiten Gutachten auf die dort festgelegte Arbeitsfähigkeit von 50 % abzustellen (Protokolleintrag vom 24. September 2018).
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5.2.2. Die Vorinstanz erkannte, es bestehe eine medizinisch nicht zum Vornherein klare Situat ion mit zwei MEDAS-Gutachten, auf welche nicht vollumfänglich abgestellt werden könne, und der Aussage des RAD, dass eine nachträgliche Beurteilung kaum mehr möglich sei. Dadurch habe sich eine Ausgangslage ergeben, welche nicht mit einem weitgehend vorgezeichneten und damit problemlosen Abklärungsverfahren gleichgesetzt werden könne. Entgegen den Ausführungen der IV-Stelle liege somit ein komplexer Sachverhalt vor, was auch auf die Dauer der Erstellung des zweiten Gutachtens von fast einem Jahr zurückzuführen sei. Der RAD selbst habe aufgrund der komplizierten medizinischen Situation keine abschliessende Beurteilung abgeben können und daher eine Kompromisslösung vorgeschlagen. Der rechtserhebliche Sachverhalt sei unübersichtlich und seine Ermittlung erweise sich als schwierig. Rechtliche Fragen betreffend Verwertbarkeit der Gutachten sowie Umgang mit einem unklaren medizinischen Sachverhalt und mit einer Kompromisslösung stellten für einen Laien eine grosse Schwierigkeit dar, die ohne Unterstützung kaum zu bewältigen sei.
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Weiter sei gemäss Vorinstanz bei der Beurteilung der Gesamtsituation auch zu berücksichtigen, dass der Versicherte, welcher nach Abschluss der Werkschule eine Anlehre als Baupraktiker Bodenbeläge gemacht habe, gemäss Aktenlage sowie unter Berücksichtigung seines schulischen Hintergrundes im schriftlichen Verkehr nicht als versiert bezeichnet werden könne. Eine gehörige Interessenwahrung durch die Sozialen Dienste erachtete die Vorinstanz als nicht gegeben und verwies auf deren Schreiben vom 10. Dezember 2018, wonach sich diese nicht in der Lage sehen würden, den Versicherten angemessen zu unterstützen.
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5.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, e ine aus medizinischer Sicht schwierig zu beurteilende Sachlage bedeute nicht zwingend eine Komplexität des Verfahrens, welche eine anwaltliche Verbeiständung begründe. Einerseits habe sich der Versicherte trotz der medizinischen Sachlage stets im Verfahren zurechtfinden und persönlich seinen Standpunkt darlegen können, wobei er auch gezeigt habe, dass er für die Einreichung von medizinischen Berichten nicht auf die Unterstützung eines Rechtsvertreters angewiesen sei. Andererseits habe der RAD gerade aufgrund der aus medizinischer Sicht schwierig zu beurteilenden Sachlage bis zum Vorliegen des zweiten Gutachtens zugunsten des Versicherten eine vollständige Erwerbsunfähigkeit angenommen. Damit habe der RAD die medizinische Sachlage zugunsten des Versicherten erheblich vereinfacht, weshalb nicht von einem komplexen Sachverhalt ausgegangen werden könne.
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Erwägung 5.4
 
5.4.1. Der beschwerdeführenden IV-Stelle kann nicht gefolgt werden, soweit sie - pauschal - vorbringt, der medizinische Sachverhalt sei zugunsten des Versicherten erheblich vereinfacht worden. Dies mag höchstens für die Periode vor September 2018 zutreffen, als der RAD - und gestützt darauf die Beschwerdeführerin in ihrem Vorbescheid vom 9. Oktober 2018- eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit angenommen haben. Ab September 2018 ging der RAD von einer 50%igen Arbeitsfähigkeit gemäss Einschätzung der MEDAS-Ärzte aus, obwohl er die Verwertbarkeit dieser Expertise in Frage stellte (vgl. E. 5.2.1). Die Vorinstanz ist daher nicht in Willkür verfallen, wenn sie von einer schwierigen Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts ausging. Ebenso wenig verletzte sie Bundesrecht, als sie zum Ergebnis gelangte, rechtliche Fragen betreffend Verwertbarkeit von Gutachten sowie Umgang mit einem unklaren medizinischen Sachverhalt und mit einer Kompromisslösung stelle für einen juristischen Laien eine grosse Schwierigkeit dar, die ohne Unterstützung kaum zu bewältigen sei.
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5.4.2. Nach dem Gesagten wäre der Versicherte aufgrund der Komplexität der sich stellenden Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausserstande gewesen, seine Interessen selbst zu wahren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er sich - entsprechend seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht (vgl. Art. 28 und Art. 43 Abs. 2 ATSG) - in verschiedener Hinsicht im Verwaltungsverfahren einbrachte. Da es sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gerade nicht um ein "sachverhaltlich und rechtlich einfach gelagerte (s) Administrativverfahren" handelte, zielt auch ihre diesbezügliche Argumentation im Zusammenhang mit einer gehörigen Interessenwahrung durch die Sozialen Dienste ins Leere.
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6. Letztinstanzlich unbestritten blieben die Erwägungen des kantonalen Gerichts zur fehlenden Aussichtslosigkeit des Leistungsbegehrens, weshalb sich Weiterungen dazu erübrigen.
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7. Zusammenfassend verletzte der angefochtene Entscheid auf ausnahmsweise Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Verwaltungsverfahren kein Bundesrecht.
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8. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
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9. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 20. Dezember 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger
 
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