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Informationen zum Dokument  BGer 2C_906/2019  Materielle Begründung
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BGer 2C_906/2019 vom 10.12.2019
 
 
2C_906/2019
 
 
Urteil vom 10. Dezember 2019
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Bundesrichterin Hänni,
 
Gerichtsschreiber Businger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger,
 
gegen
 
Amt für Migration und Bürgerrecht des Kantons Basel-Landschaft,
 
Parkstrasse 3, 4402 Frenkendorf,
 
Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, Regierungsgebäude, Rathausstrasse 2, 4410 Liestal.
 
Gegenstand
 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz,
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 2. Oktober 2019 (810 19 91).
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. A.________ (geboren 1964) ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er reiste 1991 in die Schweiz ein und erhielt am 9. August 1996 die Niederlassungsbewilligung. Nachdem er während seines Aufenthalts wiederholt straffällig geworden war, widerrief das Amt für Migration und Bürgerrecht des Kantons Basel-Landschaft am 26. September 2018 seine Niederlassungsbewilligung und wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 26. März 2019 ab.
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1.2. Das daraufhin angerufene Kantonsgericht Basel-Landschaft wies am 15. August 2019 das Gesuch von A.________ um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mangels Nachweis der Mittellosigkeit ab. Auf ein entsprechendes Wiedererwägungsgesuch trat es am 11. September 2019 nicht ein und setzte A.________ eine Nachfrist bis 23. September 2019 zur Leistung des Kostenvorschusses in Höhe von Fr. 1'800.-- an, unter der Androhung der Gegenstandsloserklärung im Falle der Fristversäumnis. Nachdem der Kostenvorschuss nicht geleistet worden war, schrieb das Kantonsgericht das Verfahren am 2. Oktober 2019 androhungsgemäss als gegenstandslos ab.
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1.3. Mit Beschwerde vom 28. Oktober 2019 beantragt A.________ dem Bundesgericht, die Sache sei an die Vorinstanz zur Bewilligung des Kostenerlassgesuches und zum materiellen Entscheid zurückzuweisen. Zudem sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägung 2
 
Nachdem in materieller Hinsicht der Widerruf der Niederlassungsbewilligung streitig ist, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ohne Weiteres zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 und Art. 90 BGG; vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Dies gilt auch, soweit die Zwischenverfügungen des Kantonsgerichts vom 15. August 2019 und vom 11. September 2019 betreffend unentgeltliche Rechtspflege mitangefochten werden (Art. 93 Abs. 3 BGG).
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3.
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Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe seine Bedürftigkeit fristgerecht nachgewiesen. Die Vorinstanz habe sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Unrecht abgewiesen.
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3.1 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im vorinstanzlichen Verfahren richtet sich in erster Linie nach § 22 des Gesetzes des Kantons Basel-Landschaft über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung vom 16. Dezember 1993 (VPO/BL; SGS 271). Dabei wird für die Darlegung der Mittellosigkeit auf die Schweizerische Zivilprozessordnung verwiesen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 VPO/BL), die als subsidiäres kantonales Recht zur Anwendung gelangt. Weil der Beschwerdeführer nicht vorbringt, dass das kantonale Recht über die Garantie von Art. 29 Abs. 3 BV hinausgeht, ist seine Rüge ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Anspruchs zu prüfen.
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3.2 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV). Bedürftig ist eine Partei, welche die Leistung der erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur erbringen kann, wenn sie die Mittel angreift, die sie zur Deckung des Grundbedarfs für sich und ihre Familie benötigt; dabei sind nebst den Einkommens- auch die Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen. Es obliegt der um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchenden Partei, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen und soweit wie möglich zu belegen (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.; 125 IV 161 E. 4a S. 164 f.).
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3.3 Der Beschwerdeführer erhob mit Eingabe vom 4. April 2019 Beschwerde bei der Vorinstanz und ersuchte um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Mit Schreiben vom 5. April 2019 wurde er aufgefordert, das Formular "Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege" samt Beilagen bis am 6. Mai 2019 einzureichen; diese Frist wurde in der Folge bis 5. Juni 2019 erstreckt. Am 3. Juni 2019 reichte der Beschwerdeführer das Formular und einige Belege ein. Die Vorinstanz setzte ihm mit Schreiben vom 31. Juli 2019 eine "unerstreckbare Nachfrist" bis 14. August 2019 an, um die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. August 2019 erneut um eine Fristerstreckung ersucht hatte, wies die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung mangels Nachweis der Mittellosigkeit ab.
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3.4 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das Vorgehen des Kantonsgerichts nicht zu beanstanden.
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3.4.1 Es liegt im weiten Ermessen des Gerichts, welche Unterlagen es zum Nachweis der Mittellosigkeit als relevant qualifiziert und vom Gesuchsteller einverlangt. Dem Beschwerdeführer ist das Formular "Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege" am 5. April 2019 zugestellt worden. Er hat in der Folge zwei Monate Zeit gehabt, die in diesem Formular ausdrücklich geforderten Unterlagen - Belege zum Einkommen und den Ausgaben, die letzten Steuerveranlagungen und die letzte Steuererklärung sowie weitere Urkunden - vollständig einzureichen. Er hat dem Formular lediglich zwei Lohnabrechnungen, den Mietvertrag, die Prämienmitteilung des Krankenversicherers sowie die Quittung seines öV-Abonnements beigelegt. Seine Angaben zur Vermögenslage hat er nicht dokumentiert, ebenso wenig Steuerveranlagung und Steuererklärung eingereicht. Dies hat er auch nicht nachgeholt, nachdem ihn das Kantonsgericht mit Schreiben vom 31. Juli 2019 gemahnt hatte. Vor diesem Hintergrund ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass der Nachweis der Mittellosigkeit nicht erbracht worden sei, und hat das Gesuch am 15. August 2019 abgewiesen.
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3.4.2 Wiedererwägungsgesuche setzen eine wesentlich veränderte Sachlage voraus und dienen nicht dazu, prozessuale Versäumnisse zu korrigieren (BGE 136 II 177 E. 2.1 S. 181). Dem Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers vom 9. September 2019 lässt sich nicht entnehmen, inwieweit sich die Sachlage wesentlich verändert hat. Deshalb ist das Kantonsgericht darauf am 11. September 2019 zu Recht nicht eingetreten. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer seinem Gesuch zwar weitere Unterlagen wie etwa einen Kontoauszug beigelegt. Die von ihm ausdrücklich einverlangten Steuerunterlagen fehlten dagegen nach wie vor. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat es somit versäumt, innert einer Frist von rund fünf Monaten seine letzte Steuererklärung und -veranlagung einzureichen. Auch unter Berücksichtigung des Wiedererwägungsgesuchs hat er seine Mittellosigkeit nicht nachgewiesen.
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3.4.3 Unbehelflich ist schliesslich der pauschale Einwand, es sei "gerichtsnotorisch" und aktenkundig, dass er über kein Vermögen verfüge. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, in den Akten nach Dokumenten zu suchen, um die Mittellosigkeit eines kooperationsunwilligen Gesuchstellers zu untermauern. Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht auf, aus welchen Aktenstücken sich seine Mittellosigkeit angeblich ergeben soll. Es kommt hinzu, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Gesuchs massgebend sind, weshalb es dem Gericht selbst bei vorhandenen Unterlagen unbenommen bleibt, aktuelle Dokumente einzuverlangen.
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4.
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Hat das Kantonsgericht dem Beschwerdeführer somit zu Recht die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verweigert, ist es nicht zu beanstanden, dass es einen Kostenvorschuss erhoben und - nachdem dieser nicht fristgerecht geleistet worden ist - die Beschwerde androhungsgemäss als gegenstandslos abgeschrieben hat. Darin liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder eine Gehörsverletzung noch eine Verletzung des Anspruchs auf gerichtliche Beurteilung. Es liegt in der Natur der Sache, dass keine materielle Beurteilung erfolgt, wenn die formellen Eintretensvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Dabei ist unbeachtlich, dass für den Beschwerdeführer in materieller Hinsicht viel auf dem Spiel steht; es hätte an ihm gelegen, entweder den Kostenvorschuss zu bezahlen oder die verlangten Unterlagen zum Nachweis der Mittellosigkeit einzureichen.
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5.
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Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. Dezember 2019
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Businger
 
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