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Informationen zum Dokument  BGer 9C_636/2019  Materielle Begründung
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BGer 9C_636/2019 vom 02.12.2019
 
 
9C_636/2019
 
 
Urteil vom 2. Dezember 2019
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
 
Gerichtsschreiber Williner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. August 2019 (VBE.2018.951).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1980 geborene A.________ hatte sich mehrmals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Ein Leistungsanspruch wurde letztmals Ende Mai 2015 gestützt auf ein polydisziplinäres (internistisches, rheumatologisches, psychiatrisches, neurologisches) Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Ostschweiz vom 21. Januar 2014 abgewiesen (Verfügung vom 29. Mai 2015; Invaliditätsgrad 0 %).
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Am 25. Oktober 2016 meldete sich A.________ wegen einer Endometriose (Erstdiagnose 2003), diversen psychischen Diagnosen (seit 2007), Beeinträchtigungen des Rückens (seit Geburt) und Hautproblemen (seit 2007) erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend: IV-Stelle) veranlasste verschiedene medizinische und erwerbliche Abklärungen. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren wies sie das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 31. Oktober 2018 ab.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde beschied das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 20. August 2019 abschlägig.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei die IV-Stelle unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verfügung vom 31. Oktober 2018 zu verpflichten, den Rentenanspruch neu zu prüfen.
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Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Beachtung der Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.) prüft es indessen nur geltend gemachte Rügen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind.
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1.2. Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person sind grundsätzlich Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), die das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Frage, ob sich eine Arbeits (un) fähigkeit in einem bestimmten Zeitraum in einem revisionsrechtlich relevanten Sinne verändert hat, ist ebenso Tatfrage (z.B. Urteil 9C_989/2012 vom 5. September 2013 E. 2 mit Hinweis) wie auch die konkrete Beweiswürdigung. Dagegen betreffen die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.), die das Bundesgericht frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).
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Erwägung 2
 
2.1. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es in Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle vom 31. Oktober 2018 einen Leistungsanspruch verneinte.
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2.2. Die Vorinstanz legte die massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dar. Darauf wird verwiesen. Zu wiederholen bzw. zu ergänzen ist, dass bei einer Neuanmeldung zum Leistungsbezug die Grundsätze zur Rentenrevision analog Anwendung finden (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV; BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77), weshalb zunächst eine anspruchsrelevante Veränderung des Sachverhalts (zum massgebenden zeitlichen Referenzpunkt vgl. BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114) erforderlich ist. Erst in einem zweiten Schritt ist der (Renten-) Anspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (BGE 141 V 9; Urteil 9C_27/2019 vom 27. Juni 2019 E. 2 mit Hinweisen). Eine lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts ist im revisionsrechtlichen Kontext nicht massgeblich (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).
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3. Das kantonale Gericht kam in Würdigung der medizinischen Aktenlage wie bereits zuvor die IV-Stelle zum Schluss, es fehle im Vergleich zum massgeblichen Referenzzeitpunkt (Verfügung vom 29. Mai 2015) an einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustands und damit an einer anspruchsrelevanten Änderung des Invaliditätsgrads. Dass weitere medizinische Abklärungen zu einem anderen Ergebnis führten, sei nicht anzunehmen, weshalb darauf in antizipierter Beweiswürdigung zu verzichten sei.
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4. Die Beschwerdeführerin rügt eine "unrichtige Sachverhaltsfeststellung bzw. eine Rechtsverletzung in Form der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes". Konkret habe die Vorinstanz von Dr. med. B.________ (Bericht vom 16. Januar 2017) und von Dr. med. D.________ (Berichte vom 21. Juli 2017, vom 24. August 2017 und vom 9. Februar 2018) ausgewiesene Verschlechterungen des Gesundheitszustands nicht berücksichtigt.
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4.1. Was die Beschwerdeführerin bezüglich ihres gynäkologischen Gesundheitszustands vorbringt, erschöpft sich weitgehend in unzulässiger appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). So rügt sie, die Gynäkologin Dr. med. B.________ habe am 26. Januar 2017 neu den Verdacht auf eine Adenomyose mit starken Schmerzen im Rippenbogen bis zur Leiste rechts (7-8 mit Spitzen bis 10/10 auf der NRS-Skala) geäussert. Eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglich massgebenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid bleibt die Beschwerde aber schuldig (zur Begründungspflicht vgl. E. 1.1 hievor). Es betrifft dies insbesondere die vorinstanzlichen Feststellungen, wonach es sich bei der - im Übrigen nur als Verdachtsdiagnose gestellten - Adenomyose um eine bestimmte Ausprägung der bereits 2014 von den MEDAS-Gutachtern diagnostizierten Endometriose handle, sich Dr. med. B.________ diesbezüglich einzig auf allgemeine Ausführungen beschränke (ohne Bezugnahme auf die konkrete Situation und ohne Erläuterung allfälliger Auswirkungen auf das funktionelle Leistungsvermögen oder die Arbeitsfähigkeit) und Rippenschmerzen von stechendem Charakter mit einer Intensität von 7 bis 10/10 auf der VAS-Skala schon 2014 bei der MEDAS beklagt worden seien.
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Das kantonale Gericht hat unter Berücksichtigung des Berichts der Dr. med. B.________ vom 26. Januar 2017 auch begründet, weshalb es auf weitere, insbesondere zusätzliche gynäkologische Abklärungen verzichte. Eine solche antizipierte Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweis) verstösst nicht gegen den Untersuchungsgrundsatz.
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4.2. Anders als die Ausführungen in der Beschwerde vermuten lassen, fehlen im angefochtenen Entscheid verbindliche tatsächliche Feststellungen zu einer allfällig relevanten Veränderung der geklagten Handgelenksbeschwerden. In der beschwerdeweise zitierten E. 3 gab die Vorinstanz lediglich wieder, mit welcher Begründung die Verwaltung das Leistungsbegehren seinerzeit abgewiesen hatte. Da die Akten insoweit liquid sind, kann das Bundesgericht den Sachverhalt selber ergänzen (BGE 143 V 177 E. 4.3 S. 188; 140 V 22 E. 5.4.5 S. 31 f.) : Die Beschwerdeführerin wurde am 13. November 2017 wegen eines Karpaltunnelsyndroms, eines Sulcus-ulnaris-Syndroms und zumindest teilweise unklarer Handgelenksschmerzen (insbesondere im ersten, zweiten und dritten Streckerfach) im Spital C.________ am rechten Arm operiert (Operationsbericht vom 13. November 2017). Der Handchirurg Dr. med. D.________ (Operateur) attestierte postoperativ vorerst eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % (Bericht vom 20. Dezember 2017), danach eine solche von 50 % (Bericht vom 9. Februar 2018). Er wies darauf hin, die im Februar 2018 noch geklagten postoperativen Störungen (Schwäche Dig. I und II bei der Beugung, Druckschmerz über dem Plexus) seien ungewöhnlich, könnten aber für ein Pronator-Syndrom sprechen. Er empfahl deshalb, zwecks Diagnostik, die Darstellung des Plexus brachialis mittels MRI. Im Verlaufsbericht vom 12. März 2018 verneinte Dr. med. D.________ nach durchgeführtem MRI des Plexus weitere Diagnosen (namentlich diagnostizierte er kein Pronator-Syndrom) und hielt ergänzende medizinische Abklärungen für nicht angezeigt; zur Arbeitsfähigkeit äusserte er sich nicht mehr. Aus seinen Berichten lässt sich somit weder eine bleibende (oder zumindest länger dauernde) Arbeitsunfähigkeit noch ein weiterer Abklärungsbedarf ableiten. Mit Blick darauf ist nachvollziehbar, dass der Regionale Ärztliche Dienst am 12. April 2018 darauf schloss, bei nach wie vor im Vordergrund stehender psychiatrischer Probleme im Rahmen der Schmerzverarbeitung sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustands durch die Handoperation vom 13. November 2017 nur für wenige Wochen postoperativ plausibel. Entsprechend ist auch aus handchirurgischer Sicht keine anspruchsrelevante Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin erstellt.
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Daran ändert der im kantonalen Verfahren von der Beschwerdeführerin aufgelegte Bericht der Dr. med. E.________, FMH Chirurgie/Handchirurgie, vom 8. Februar 2019 nichts. Diese äusserte lediglich den Verdacht auf eine fokale Dystonie und führte aus, aufgrund der persistierenden Schmerzen sei eine erneute Neurolyse des Nervus medianus in Erwägung zu ziehen, sollte sich die Beschwerdeführerin, welche zur Zeit keine Intervention wünsche, dazu entschliessen. Im Übrigen wies Dr. med. E.________ auf eine deutliche Verbesserung der Schmerzsituation (insbesondere im Kleinfingerbereich sowie im Handgelenk) seit der im November 2017 erfolgten Operation hin; eine Arbeitsunfähigkeit attestierte sie nicht.
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4.3. Dass entgegen den Feststellungen im angefochtenen Entscheid bei der Beschwerdeführerin anderweitig (namentlich in psychiatrischer Hinsicht) eine anspruchsrelevante gesundheitliche Verschlechterung eingetreten wäre, macht diese letztinstanzlich nicht geltend. Eine solche ist im massgebenden Zeitraum auch nicht ersichtlich, weshalb sich Weiterungen dazu erübrigen (vgl. E. 1.1 hievor).
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5. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 2. Dezember 2019
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Pfiffner
 
Der Gerichtsschreiber: Williner
 
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