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Informationen zum Dokument  BGer 8C_539/2019  Materielle Begründung
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BGer 8C_539/2019 vom 20.11.2019
 
 
8C_539/2019
 
 
Urteil vom 20. November 2019
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiber Hochuli.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung (Beitragszeit),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 24. Juni 2019 (715 18 334/158).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1957, war zuletzt vom 2. Januar 1995 bis 31. Mai 2015 bei der B.________ AG als Bohrer tätig. Wegen seit 2014 anhaltender Beschwerden meldete er sich am 19. März 2015 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Diese verneinte mit Vorbescheid vom 21. November 2017 bei einem ermittelten Invaliditätsgrad von 10% einen Leistungsanspruch und hielt daran mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 12. Januar 2018 fest.
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Am 14. März 2018 meldete sich A.________ beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum zur Arbeitsvermittlung und am 22. März 2018 bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Baselland (nachfolgend: ALK oder Beschwerdegegnerin) zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung vom 20. April 2018, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 6. September 2018, verneinte die ALK einen Taggeldanspruch des Versicherten ab 14. März 2018 wegen Nichterfüllung der Beitragszeit und mangels eines Befreiungsgrundes.
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab (Entscheid vom 24. Juni 2019).
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, die ALK sei unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides zu verpflichten, ihm ab 14. März 2018 Arbeitslosenentschädigung auszurichten.
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Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es den Einspracheentscheid vom 6. September 2018 bestätigte, wonach der Versicherte ab 14. März 2018 keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe, weil die Voraussetzungen zur Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit innerhalb der entsprechenden Rahmenfrist vom 14. März 2016 bis 13. März 2018 nicht gegeben seien.
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3. 
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3.1. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wer die Beitragszeit erfüllt hat (Art. 13 AVIG) oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 14 AVIG). Die Beitragszeit hat laut Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG). Von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG unter anderem, wer innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit während insgesamt mehr als zwölf Monaten wegen Krankheit (Art. 3 ATSG), Unfall (Art. 4 ATSG) oder Mutterschaft (Art. 5 ATSG) nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte, sofern während dieser Zeit Wohnsitz in der Schweiz bestand (Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG). Die Befreiungstatbestände von Art. 14 Abs. 1 AVIG sind im Verhältnis zur Beitragszeit subsidiär. Sie gelangen daher nur zur Anwendung, wenn die in Art. 13 Abs. 1 AVIG verlangte Erfüllung der Mindestbeitragszeit aus den in Art. 14 Abs. 1 AVIG genannten Gründen nicht möglich ist (BGE 141 V 674 E. 2.1 S. 676 mit Verweis auf THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2334 Rz. 233; Urteil 8C_234/2018 vom 8. August 2018 E. 3).
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3.2. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG muss die versicherte Person durch einen der in dieser Bestimmung aufgeführten Gründe an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung gehindert worden sein. Zwischen dem Befreiungsgrund und der Nichterfüllung der Beitragszeit muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei muss das Hindernis während mehr als zwölf Monaten bestanden haben (BGE 131 V 279 E. 1.2 S. 280; 126 V 384 E. 2b S. 387). Denn bei kürzerer Verhinderung bleibt der versicherten Person während der zweijährigen Rahmenfrist genügend Zeit, um eine ausreichende beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben. Da eine Teilzeitbeschäftigung mit Bezug auf die Erfüllung der Beitragszeit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt ist, liegt die erforderliche Kausalität zudem nur vor, wenn es der versicherten Person aus einem der in Art. 14 Abs. 1 lit. a bis c AVIG genannten Gründe auch nicht möglich und zumutbar war, ein Teilzeitarbeitsverhältnis einzugehen (BGE 126 V 384 E. 2b S. 387; vgl. auch BGE 130 V 229 E. 1.2.3 S. 232; Urteil 8C_116/2017 vom 29. Mai 2017 E. 4.2).
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Erwägung 4
 
4.1. Laut angefochtenem Entscheid attestierte der behandelnde Psychiater Dr. med. C.________ dem Beschwerdeführer vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 eine vollständige und ab 1. Januar 2018 eine 50%-ige Arbeitsunfähigkeit. Gemäss psychiatrischem Gutachten vom 12. September 2016, welches im Auftrag der Invalidenversicherung gestützt auf die fachärztlichen Explorationen vom 11. und 31. Mai 2016 in der Klinik D.________ erstellt wurde, war dem Versicherten spätestens seit der Exploration eine leidensangepasste Tätigkeit zu mindestens 50% zumutbar. Durch Verwertung dieses verbleibenden Leistungsvermögens war er demnach spätestens ab 31. Mai 2016 in der Lage, innerhalb der Beitragsrahmenfrist vom 14. März 2016 bis 13. März 2018 die erforderliche Beitragszeit von zwölf Monaten zu erfüllen (E. 3.2 hievor). Die Invalidenversicherung stellte das Gutachten der Klinik D.________ dem behandelnden Psychiater am 13. Oktober 2016 zu. Praktisch gleichzeitig, nämlich per 12. Oktober 2016, endete die maximale Leistungsdauer der Krankentaggeldversicherung. Nach eingehender Würdigung der Aktenlage erkannte die Vorinstanz bundesrechtskonform, dass sich das Vorliegen des Befreiungstatbestandes im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG praxisgemäss grundsätzlich nach objektiver Betrachtungsweise - also ex post - beurteile. Folglich sei irrelevant, dass der behandelnde Psychiater dem Beschwerdeführer abweichend vom Gutachten der Klinik D.________ länger anhaltend eine volle Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe. Sei demnach der Versicherte innerhalb der Beitragsrahmenfrist nicht während mehr als zwölf Monaten von der Erfüllung der Beitragszeit befreit gewesen, habe die ALK zu Recht einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 14. März 2018 verneint.
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4.2. Was der Beschwerdeführer hiegegen vorbringt, ist unbegründet. Abweichend von der Ausgangslage gemäss BGE 141 V 625 stand hier (spätestens) ab Mitte Oktober 2016 fest, dass keine Krankentaggelder mehr ausbezahlt würden. Gleichzeitig war ab diesem Zeitpunkt dem behandelnden Psychiater klar, dass - entgegen der von ihm bisher attestierten vollen Arbeitsunfähigkeit - dem Versicherten laut dem von der Invalidenversicherung zwecks Prüfung des Rentengesuchs in Auftrag gegebenen Gutachten der Klinik D.________ bereits seit Mai 2016 die Verwertung einer leidensangepassten Tätigkeit mit einem Pensum von mindestens 50% zumutbar war. Innerhalb der verbleibenden Laufzeit der zweijährigen Beitragsrahmenfrist bis zum 13. März 2018 war der Beschwerdeführer demnach in der Lage, während mindestens zwölf Monaten (vgl. Art. 13 Abs. 1 AVIG) durch Verwertung der Restarbeitsfähigkeit die erforderliche Beitragszeit zu erfüllen (vgl. hievor E. 3.2 i.f.). Er bringt nichts vor, weshalb die vorinstanzlich bundesrechtskonform angewandte Praxis zu ändern wäre, wonach die Prüfung des Befreiungstatbestandes von Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG grundsätzlich nach objektiver Betrachtungsweise ex post zu erfolgen hat (Urteil 8C_367/2013 vom 18. Juni 2013 E. 3.3 mit Hinweisen). Demnach ist - entgegen seiner Darstellung - nicht der Empfang des Vorbescheids der IV-Stelle Basel-Landschaft vom 21. November 2017 massgebend dafür, dass er angeblich nicht früher seine verbleibende Restarbeitsfähigkeit verwerten konnte.
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4.3. Nach dem Gesagten steht mit der Vorinstanz fest, dass den Versicherten jedenfalls nicht eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit während einer Dauer von mehr als zwölf Monaten innerhalb der Beitragsrahmenfrist vom 14. März 2016 bis 13. März 2018 an der Aufnahme einer teilzeitlichen Erwerbstätigkeit hinderte. Was der Beschwerdeführer im Übrigen dagegen vorbringt, ist - soweit er nicht ohnehin unzulässige appellatorische Kritik übt - nicht stichhaltig. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um Fragen tatsächlicher Natur (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.; Urteil 8C_116/2017 vom 29. Mai 2017 E. 5.3). Aufgrund seiner Ausführungen ist nicht erkennbar, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich ermittelt oder in anderer Weise gegen Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) verstossen haben sollte.
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4.4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet. Folglich hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden.
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5. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) Baselland, schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 20. November 2019
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli
 
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